20.11.2024

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Sieht Bezahlkarten kritisch: Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD)
Foto: imago/dts NachrichtenagenturSieht Bezahlkarten kritisch: Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD)

Zuwanderung

Senatorin will Bezahlkarte aushebeln

Cansel Kiziltepe (SPD) fordert, dass Asylsucher weiter „selbstbestimmt“ Geld ausgeben können

Hermann Müller
20.11.2024

Berlins Landesregierung liefert sich um die Einführung von Bezahlkarten für Asylbewerber einen internen Streit, wie man ihn eigentlich nur zwischen Regierung und Opposition erwarten würde. Bereits vor einem Jahr hatte die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber beschlossen. Details wurden auf einem weiteren Bund-Länder-Treffen im vergangenen Juni festgelegt. Mit den Karten zur bargeldlosen Bezahlung wollen Bund und Länder verhindern, dass Asylbewerber die für sie vorgesehene Sozialhilfe in ihre Heimatländer überweisen oder damit nachträglich Schleuser bezahlen, die ihnen die illegale Einreise ermöglicht haben.

Berlin ist mit dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz zur Einführung der Karten verpflichtet. Während Hamburg erste Bezahlkarten bereits im Februar ausgeben hat, wird Berlin die Karten aber möglicherweise erst kommendes Jahr einführen.

Ursache ist in diesem Fall nicht die notorische überlastete Berliner Verwaltung, sondern ein sich seit Monaten hinziehender Streit zwischen den Koalitionspartnern CDU und SPD. Mit wechselnden Begründungen hat Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) zunächst erkennen lassen, dass sie der Einführung der Karten generell kritisch gegenübersteht. Mal führte Kiziltepe an, die Karte sei „integrationsfeindlich“, dann war von hohen Verwaltungskosten die Rede.

Hikel fürchtet „linken Sonderweg“
Lange Zeit bekam sie dabei Rückendeckung vom SPD-Fraktionschef Rahed Saleh. Wie die Berliner Tageszeitung „B.Z.“ unlängst berichtet hat, lehnt inzwischen aber auch Saleh bei der Bezahlkarte einen Berliner Sonderweg ab. Das SPD-Führungs-Duo, Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel, tritt dem Vernehmen nach ohnehin für eine schnelle Einführung der Karten ein. Hintergrund ist laut dem Bericht das Bemühen, in Wahlkampfzeiten der Linie der Bundes-SPD zu folgen und den Eindruck eines „linken Sonderwegs“ in der Hauptstadt zu vermeiden.

Beigelegt ist der Streit zwischen dem auf schnelle Einführung drängenden Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und der SPD-Sozialsenatorin damit jedoch noch immer nicht. Hart gerungen wird nach wie vor über die Frage, wie viel Bargeld Asylbewerber neben der Karte künftig trotzdem noch erhalten sollen.

Wegner tritt unter Verweis auf die Einigkeit in der Ministerpräsidentenkonferenz dafür ein, dass Asylbewerber pro Monat maximal 50 Euro bar ausgezahlt bekommen sollen. Kiziltepe hatte dagegen schon zum Jahresanfang angekündigt, sie werde sich dafür einsetzen, dass „Geflüchtete“ ihr Geld weiterhin selbstbestimmt verwenden können, „auch in Form von Bargeld“. Damit wäre die Karte eigentlich obsolet.

Zwei Entwicklungen geben Kiziltepe dabei Rückendeckung. Das Sozialgericht Hamburg hat bereits im Juli eine pauschale Bargeldobergrenze bei den Karten für rechtswidrig erklärt. Geklagt hatte in dem Fall eine schwangere Asylbewerberin. Das Sozialgericht zeigt keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Bezahlkarten, erklärte aber, beim Bargeldbetrag sei immer eine Einzelfallprüfung geboten, um Besonderheiten wie etwa Alter oder Krankheit zu berücksichtigen. Generell jedoch stufte das Gericht die Bedarfsdeckung durch Kartenzahlung nicht als diskriminierend ein.

Genau diese Kritik kam Mitte November in Berlin nun aber von der senatseigenen Ombudsstelle für das Antidiskriminierungsgesetz. Wie eine Anfrage der Linkspartei zutage förderte, sieht die Ombudsstelle in einer restriktive Bargeld-Obergrenze von 50 Euro eine Benachteiligung von Asylbewerbern gegenüber anderen Hilfeempfängern. Ob Wegner im senatsinternen Streit eine 50-Euro-Obergrenze gegen Kiziltepe noch durchsetzen kann, scheint damit fraglich.

Streit mit den Bezirken droht
Währenddessen braut sich beim Thema Asylsucherunterkünfte bereits weiteres Konfliktpotential für die Koalition, aber auch im Verhältnis von Senat zu den Bezirken zusammen. Kiziltepe drängt darauf, die Großunterkunft auf dem ehemaligen Flughafen Tegel zu verkleinern. Ersatzunterkünfte sollen dafür in den Bezirken entstehen. In Lichtenberg zeigt sich nun allerdings bei der Umwandlung eines Hotels zu einer Großunterkunft für 1200 Personen, dass es nicht nur unter den Anwohnern brodelt, sondern auch der CDU-Bezirksbürgermeister Martin Schaefer auf Distanz zur Senatspolitik geht.

Im Lichtenberger Bezirksparlament hat die SPD-Fraktion mit Blick auf die neue Großunterkunft ein Sofortprogramm für mehr Schulplätze und eine bessere Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr gefordert. Berlinweit sollen zusätzliche 16 Containerdörfer und weitere Großunterkünfte wie in Lichtenberg folgen. Der Unmut über die Senatspolitik in Lichtenberg kann sich somit zum Vorboten für einen generellen Konflikt zwischen dem Senat und den Berliner Bezirken entwickeln.


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