26.04.2025

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Bildnis des  Reichspräsidenten  Paul von Hindenburg: Ölgemälde des  Generalfeldmarschalls  in Zivil von Max  Liebermann aus dem Jahr 1927
Foto: Staatliches Museum SchwerinBildnis des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg: Ölgemälde des Generalfeldmarschalls in Zivil von Max Liebermann aus dem Jahr 1927

Weimarer Republik

Sieger als „Ersatzkaiser“

Vor 100 Jahren wurde Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten gewählt – Neuerscheinung zum Thema von Wolfgang Niess

Jörg Koch
26.04.2025

Vor 100 Jahren, am 26. April 1925, wurde Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg im zweiten Wahlgang zum zweiten Reichspräsidenten gewählt. Da stand er bereits im 78. Lebensjahr.

Für den am 2. Oktober 1847 im ostdeutschen Posen geborenen Sohn eines Offiziers aus preußischem Uradel war die militärische Laufbahn selbstverständlich. Bereits mit 18 Jahren nahm er am Deutschen Krieg von 1866 teil. Danach gelang ihm eine bemerkenswerte Karriere, die er 1911 im Rang eines Generalleutnants beendete.

Im August 1914, wenige Wochen nach Beginn des Ersten Weltkriegs, wurde er als Soldat reaktiviert. Als Oberbefehlshaber der 8. Armee, welche die Schlacht bei Tannenberg südlich von Allenstein für sich entschied, machte er sich deutschlandweit einen Namen. Inzwischen vom Kaiser zum Generalfeldmarschall befördert, übernahm er im August 1916 gemeinsam mit General Erich Ludendorff die Oberste Heeresleitung. Beide trafen nun weitreichende militärische Entscheidungen. Wilhelm II., eigentlicher Oberbefehlshaber, wurde faktisch zu einem Marionettenkaiser degradiert. Als geschickt inszenierter „Sieger von Tannenberg“ war Hindenburg beim Volk populär, sein Ansehen und seine Bekanntheit steigerten sich, als er im November 1919 die sogenannte Dolchstoßlegende verbreitete, der zufolge das deutsche Heer unbesiegbar gewesen wäre, wären nicht die Politiker ihm in den Rücken gefallen. Mit dieser Schutzbehauptung wies Hindenburg jede Verantwortung für den verlorenen Krieg von sich.

Reichspräsident wider Willen
Ein neues Kapitel in seinem langen Leben begann mit einem unglücklichen Ereignis Ende Februar 1925. Mit nur 54 Jahren verstarb plötzlich und unerwartet Reichspräsident Friedrich Ebert. Der SPD-Politiker war sechs Jahre zuvor von der Nationalverfassung für drei Jahre zum Staatsoberhaupt gewählt worden. Die im August 1919 erlassene Weimarer Reichsverfassung sah eine Direktwahl durch das Volk und eine siebenjährige Amtszeit vor. Aufgrund der politischen Unruhen wurde jedoch Eberts Amtszeit per Gesetz im Oktober 1922 bis zum 30. Juni 1925 verlängert. Unabhängig von Eberts Tod hätte 1925 die Wahl beziehungsweise Wiederwahl des Reichspräsidenten angestanden, doch Vorbereitungen und Personalentscheidungen hatte im Frühjahr jenes Jahres noch keine Partei getroffen.

Das Präsidentenamt war mit bedeutenderen Befugnissen ausgestattet als heute. So konnte der Präsident nach Artikel 48 der Verfassung aktiver in die Gesetzgebung eingreifen, indem er Notverordnungen erließ, und mit Artikel 25 besaß er eine vielfältigere Möglichkeit, den Reichstag aufzulösen. Er konnte legal eine „Diktatur auf Zeit“ ausüben.

Beim ersten Wahlgang am 29. März 1925 erhielt der rechtsbürgerliche Duisburger Oberbürgermeister Karl Jarres vom sogenannten Reichsblock aus Jarres' rechtsliberaler Deutscher Volkspartei (DVP), der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und der Wirtschaftspartei 39 Prozent der Stimmen, gefolgt vom preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun, dem Kandidaten der SPD, mit 29 Prozent. Der frühere und spätere Reichskanzler Wilhelm Marx kam für das Zentrum auf 15 Prozent, Ernst Thälmann von der KPD erhielt sieben Prozent, weitere Kandidaten, unter ihnen Erich Ludendorff, landeten weit abgeschlagen.

Die notwendige absolute Mehrheit konnte kein Politiker erzielen, sodass vier Wochen später ein zweiter Wahlgang erforderlich war. Über diese Wahl vom 26. April 1925 hat nun der 1952 geborene Historiker und ehemalige SWR-Moderator Wolfgang Niess eine kenntnisreiche und gut lesbare Darstellung vorgelegt: „Schicksalsjahr 1925. Als Hindenburg Präsident wurde“.

Beim zweiten Wahlgang genügte eine relative Mehrheit, und anders als heute konnten neue Kandidaten aufgestellt werden. So kam es, dass auf dem Stimmzettel Paul von Hindenburg als neuer Vertreter des Reichsblocks zu finden war. Der in Hannover lebende, inzwischen 77 Jahre alte General a.D. hatte ursprünglich gezaudert, wegen seines hohen Alters abgelehnt und gemeint: „Lasst mich alten Mann hier in aller Stille ruhig sterben, umgeben von meinen Kindern, anstatt unter Fremden in dem üblen Berlin.“ Doch schließlich ließ er sich überreden: „Wenn der überwiegende Teil des deutschen Volkes mich ruft, will ich, über alle Bedenken hinweg, mich für die Wahl zur Verfügung stellen.“

Wahl 1925 und Wiederwahl 1932
Bei einer Wahlbeteiligung von 78 Prozent, was einem Zuwachs von neun Prozentpunkten gegenüber dem ersten Wahlgang entsprach, erreichte Hindenburg, der bis auf einen Auftritt auf Wahlkampfveranstaltungen verzichtet hatte, 48 Prozent der abgegebenen Stimmen. Sein aussichtsreicher Gegenkandidat Wilhelm Marx vom sogenannten Volksblock aus Zentrum, SPD und linksliberaler Deutscher Demokratischer Partei (DDP) erhielt 45 Prozent, Thälmann als dritter Kandidat brachte es auf etwas über sechs Prozent. Damit war der Generalfeldmarschall der erste vom Volk direkt gewählte Reichspräsident, auch wenn sein Vorsprung gering war und seine Mehrheit nur eine relative.

Schon bei der Nominierung, erst recht nach der Wahl, meldeten sich warnende Stimmen aus dem Ausland. Was in Deutschland einige hofften, befürchteten sie, nämlich die Wiedereinführung der Monarchie. Tatsächlich wirkte Hindenburg wie ein „Ersatzkaiser“, eine Formulierung, die eigentlich auf die kaiserähnliche, starke Stellung des Reichspräsidenten in der Weimarer Verfassung Bezug nahm. Hindenburg war eine Generation älter als Ebert, sozialisiert im Geist der Monarchie. Er verkörperte die vermeintlich gute alte Kaiserzeit, war Teilnehmer der Kaiserproklamation in Versailles 1871. Demokratie war ihm fremd. Der Bevölkerung begegnete er bei seinen seltenen Auftritten wie ein Vater, der Autorität, Zuverlässigkeit, Geborgenheit und Ruhe ausstrahlte – fast so wie der preußische Ministerpräsident und deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck drei, vier Jahrzehnte zuvor.

In Zivilkleidung und nicht in der erst später üblichen Uniform des kaiserlichen Generalfeldmarschalls erschien er zum Amtsantritt am 12. Mai 1925. Kurz zuvor hatte Hindenburg, dessen Frau Gertrud 1921 verstorben war, seinen Wohnsitz von Hannover nach Berlin verlegt. Dort übte er zur Überraschung vieler sein Amt getreu der Verfassung und weitgehend überparteilich aus. In den politisch und wirtschaftlich stabilen Jahren bis zur Weltwirtschaftskrise 1929/30 gewann der tiefreligiöse Hindenburg auch bei politischen Gegnern an Ansehen.

In der Bevölkerung war er beliebt. Als nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise der Reichstag sich zunehmend als unfähig erwies, sich mehrheitlich konstruktiv auf einen Reichskanzler zu einigen, begann mit dem Zentrumspolitiker Heinrich Brüning als Reichskanzler die kurze Phase der Präsidialkabinette.

An Hindenburgs 80. Geburtstag, am 2. Oktober 1927, wurde ihm gehuldigt wie einem Monarchen. Reichsweit fanden Feiern statt. Straßen wurden nach ihm benannt. Städte verliehen ihm die Ehrenbürgerwürde. Für den am 1. Januar 1927 von ihm eingeweihten und noch heute bestehenden Eisenbahndamm zwischen der Insel Sylt und dem Festland wurde die Bezeichnung „Hindenburgdamm“ üblich. Kurz zuvor war auch das monumentale Tannenbergdenkmal eingeweiht worden. Bei guter Gesundheit hielt Hindenburg die Amtszeit von sieben Jahren durch.

Ernennung des Wahlsiegers Hitler
Eine Wiederwahl kam für den am Ende seiner ersten Amtszeit 84-Jährigen anfänglich nicht in Frage. Doch Hindenburg ließ sich wieder überreden. So paradox es klingen mag: Der Monarchist Hindenburg war nun im Jahr 1932 der Wunschkandidat der Parteien der Weimarer Koalition, also jener Parteien, die ihn sieben Jahre zuvor vereint im Volksblock vehement abgelehnt hatten.

Für den ersten Wahlgang am 13. März 1932 konnten viele bisherige Nichtwähler mobilisiert werden. Die Wahlbeteiligung lag bei 86 Prozent. Doch keiner der fünf Kandidaten erreichte die absolute Mehrheit. Hindenburg verpasste sie nur knapp mit 49,5 Prozent. Der von seiner NSDAP nominierte Adolf Hitler kam mit 30,1 Prozent auf Platz 2. Es folgten der wieder für seine KPD kandidierende Thälmann mit 13,2, der Kandidat der DNVP und des Stahlhelms, Theodor Duesterberg, mit 6,8 und schließlich der für die Inflationsgeschädigten antretende Gustav Winter mit 0,3 Prozent.

Im zweiten Wahlgang am 10. April und bei ähnlich hoher Beteiligung landete Hitler bei 37 und Thälmann bei zehn Prozent. Hindenburg erzielte mit 53 Prozent die absolute Mehrheit. Der Amtsinhaber war zwar wiedergewählt, aber enttäuscht, verbittert: „Mich haben die Sozis gewählt, mich haben die Katholiken gewählt ... Meine Leute haben mich nicht gewählt.“
Der weitere Verlauf der Geschichte ist bekannt. Über Wochen sträubte sich Hindenburg, seinen vormaligen Mitbewerber um das Reichspräsidentenamt zum Reichskanzler zu ernennen. Aus der Sicht des Generalfeldmarschalls hatte der vier Jahrzehnte jüngere „böhmische Gefreite“ keine Herkunft, keine militärische Karriere vorzuweisen.

Nach anfänglichem Sträuben handelte Hindenburg schließlich doch in der für ein Staatsoberhaupt üblichen Weise. Er beauftragte denjenigen mit der Regierungsbildung, dessen Partei bei der vorangegangenen Parlamentswahl die meisten Stimmen errungen hatte und von dem am ehesten zu erwarten war, dass er die meisten Abgeordneten hinter sich und seine Regierung bringen kann. Am 30. Januar 1933 ernannte Hindenburg den Anführer der größten Fraktion im Reichstag zum Reichskanzler.

Die Wege und Irrwege, die in der Diktatur mündeten, zeichnet Wolfgang Niess detailreich und anschaulich nach. Im Vordergrund seines Werkes steht jedoch die als Zäsur empfundene Reichspräsidentenwahl von 1925. In seinem aufschlussreichen Buch zitiert er zahlreiche Memoiren, Presseartikel und Tagebücher, die eine unterhaltsame Zeitreise in die 1920er Jahre bieten.

Bereits frühere Historiker haben sich mit dieser Wahl auseinandergesetzt, sie, wie Sebastian Haffner, als „Glücksfall“ bezeichnet oder, wie Heinrich August Winkler, als einen „Volksentscheid gegen die parlamentarische Demokratie“ gewertet. Niess sieht die Verantwortung für die verhängnisvolle Entscheidung 1933 allein bei Hindenburg, trotz seines Alters und der zunehmenden Abhängigkeit von seinen Beratern, die tatsächlich die Abschaffung der Republik im Sinne hatten.

Wolfgang Niess: „Schicksalsjahr 1925. Als Hindenburg Präsident wurde“, Verlag C.H. Beck, München 2025, 304 Seiten, 20 Abbildungen.


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