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Archäologie

Siegeszug einer ägyptischen Büste

Der Historiker Sebastian Conrad spürt der Faszination nach, welche die berühmte Skulptur der Königin Nofretete weltweit ausgelöst hat

Dirk Klose
31.08.2024

Nofretete ist eine Ikone für zeitlose Schönheit. Die im Jahr 1912 in den am mittleren Nil gelegenen Amarna-Gräbern entdeckte, seit 1924 in Berlin ausgestellte Büste der ägyptischen Königin (Gattin des Pharaos Echnaton im 14. Jh. v. Chr) hat einen Siegeszug um die Welt angetreten wie kaum ein zweites Kunstwerk. Besucher strömen deswegen ins Berliner Neue Museum, und zahllose Pop- und Filmstars benutzen ein ägyptisches Outfit zur Selbstdarstellung.

Der Heidelberger Historiker Sebastian Conrad hat die globale Karriere der schönen Königin nachgezeichnet. Er gliedert sein Buch in drei Themen: Zu Beginn berichtet er über die Entdeckung der Büste am 6. Dezember 1912, nicht durch den deutschen Archäologen Ludwig Borchardt, sondern durch den arabischen Vorarbeiter Amad al-Sanusi. Hat Borchardt getrickst, um den kostbaren Fund nach Deutschland zu bringen? Darüber geht der Streit bis heute. Die Büste stand jahrelang beim Mäzen der Grabungen, James Simon, bis er sie 1924 an die Berliner Museen gab, was sofort eine ungeheure Begeisterung entfachte. Alle Bemühungen Ägyptens, die Büste zurückzubekommen, scheiterten, einmal in letzter Sekunde am Einspruch Hitlers (er sei „verliebt“ in die Büste), dann 1952, obwohl das Auswärtige Amt in Bonn darauf drängte.

Der zweite und wohl aufregendste Teil befasst sich mit der weltweiten Wirkung Nofretetes. Sie wurde zu einem Schönheitsideal, das nicht nur Kunst und Film, sondern auch die Kosmetik- und Textilindustrie beflügelte. Viele Länder bezogen sich auf sie die ägyptische Kultur als Ursprung aller Zivilisation. In Brasilien wurde der Amazonas „unser Nil“, ähnlich sprach US-Präsident Lincoln über den Mississippi. In China sah man Gemeinsamkeiten zwischen Hieroglyphen und chinesischen Schriftzeichen, im indischen Bengalen einen Ursprung von Ägyptern und Hindus. In unseren Tagen streitet die afroamerikanische Kultur, ob Nofretete schwarz oder weiß gewesen sei.

Das vielleicht „gefährlichste“ Thema gilt der Frage der Restitution von Kulturgütern. Erste Anfänge hat auch Deutschland mit der Rückgabe von Benin-Bronzen an Nigeria gemacht. Ob Nofretete noch lange die „älteste Dame von Berlin“ bleiben wird? Sicher scheint das nicht!

Dem Autor ist mit „Die Königin. Nofretetes globale Karriere“ ein Buch gelungen, das wissenschaftlichen Ansprüchen genügt und zugleich ungemein spannend zu lesen ist. Vermutlich hat ihm die schöne ägyptische Königin die Feder geführt.

Sebastian Conrad: „Die Königin. Nofretetes globale Karriere“, Propyläen Verlag, Berlin 2024, gebunden, 378 Seiten, 29 Euro


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