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Susanne Gaschke fühlt dem „Antipolitiker“ Robert Habeck auf den Zahn
Robert Habeck lässt niemanden kalt. Na ja, vielleicht nur die paar Millionen Deutschen, die aufgrund seiner ideologisch motivierten Energiepolitik im Winter frierend in ihren Wohnungen sitzen könnten. Ansonsten aber spaltet sich das Land in Habeck-Verehrer und Habeck-Gegner. In ihrer gut lesbaren Biographie versucht die bekannte Journalistin Susanne Gaschke („Die Welt“, „Neue Zürcher Zeitung“) sich dem Phänomen Habeck möglichst objektiv zu nähern.
Fangen wir mit dem Positiven an. Der kriselnde grüne Superstar blickt auf einen ungewöhnlichen Lebensweg zurück – zumindest für einen Berufspolitiker. Das Faszinosum Habeck bringt die Autorin, die selbst für kurze Zeit SPD-Oberbürgermeisterin von Kiel war, mit folgenden Worten auf den Punkt: „Habecks Reden sind, vielleicht schon wegen der Länge seiner Sätze, auch nicht unbedingt Rockkonzerte, sondern eher Singer/Songwriter-Auftritte – aber er hat Groupies und Fans wie ein Rockstar.“
Sein ungewöhnlicher Lebensweg
Man tritt wohl keinem anderen Mitglied der Regierung Scholz auf die Füße, wenn man feststellt, dass dies ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal sein dürfte. Allerdings hat sein legendäres Interview mit Sandra Maischberger gezeigt, dass faktenfreies Fabulieren in Krisenzeiten weniger gut ankommt. Unter Deutschlands Bäckern dürfte Habeck nach diesem Offenbarungseid in Sachen ökonomischer Unkenntnis deutlich weniger Fans haben.
Doch zurück zum Positiven. Einige Politiker haben ihr Leben lang nichts anderes gemacht als Politik. Hier ist der smarte, zurzeit aber vor allem gestresst wirkende Norddeutsche anders. Er hat studiert (sogar mit Abschluss und anschließender Promotion), schon früh eine recht große Familie gegründet, ein Haus gekauft und mit seiner Frau eine gemeinsame schriftstellerische Karriere aufgebaut. Sein Einstieg in die Politik erfolgte erst relativ spät.
Sein medialer Siegeszug
Habeck sieht gut aus, hat einen Schlag bei vielen Frauen, redet anders als ein „typischer“ Politiker (manche kleben an seinen Lippen, andere nervt sein leicht vernuscheltes Philosophieren) und kommt zumindest optisch nicht wie ein verkniffener Verbotspolitiker rüber. Anders als der frühere Kommunist Kretschmann gönnt er seinen Untertanen nicht nur einen Waschlappen, sondern sogar – allerdings stark gekürzte – Duschzeiten. Hilfreich bei seinem medialen Siegeszug ist sicher die Popularität der grünen Weltanschauung über die Parteigrenzen hinweg – „nicht zuletzt dank der Hilfe von Journalisten, die ungewöhnlich oft mit grünen Politikansätzen sympathisieren“, wie Gaschke schreibt.
Die Biographin nähert sich ihrem Objekt durchaus mit Sympathie, aber nicht unkritisch. Der gebürtige Lübecker, der heute in einem großen Haus in feinster Lage in Flensburg wohnt und wie kein zweiter telegen durchs Watt wandern kann, ist aber vielleicht nicht so harmlos, wie er ausschaut.
Sowohl das grüne Grundsatzprogramm als auch die jüngeren Schriften Habecks, so die Autorin, geben „auch eine argumentative Grundlage für eine radikale Umgestaltung der Gesellschaft her“. Gaschke formulierte 2021 denn auch schon hellsichtig, dass die Union, „ausgezehrt und orientierungslos, wie sie nach 18 Jahren Angela Merkel im Parteivorsitz und 16 Jahren Kanzlerschaft ist“, der „dynamischen grünen Partei“ wenig entgegensetzen könne: „Und Grün-Rot-Rot will ohnehin einen Umbau der Gesellschaft, die wir kennen.“ Heute wissen wir, dass auch Rot-Grün-Gelb einen Umbau unserer Gesellschaft will. Und der spezielle Beitrag der Grünen in dieser dysfunktionalen Koalition könnte zu einer Deindustrialisierung Deutschlands mit massiven Wohlstandsverlusten führen.
„Immer wieder tappt Habeck unvorbereitet in die Falle der mangelnden Detailkenntnis.“ Dieser Satz Gaschkes liest sich 2022 ganz anders als zu der Zeit, in der Habeck noch nicht Minister war. Bei einem Oppositionspolitiker, der cool in den Talkshows rüberkommt, kann man darüber noch mit einem Lächeln hinwegsehen. Bei einem Minister, der zurzeit die wichtigsten Ressorts verantwortet und sein Haus personell mit grünen Ideologen besetzt hat, kommt diese fehlende Kompetenz einem Desaster gleich. Denn jetzt hängen von Habecks Handeln oder auch Nicht-Handeln Millionen Existenzen ab.
Fehlende Kompetenz als Minister
Habeck ist als Minister erkennbar entzaubert worden. Seine Beliebtheit bei den Bürgern hat gelitten. Das Schicksal Habecks wird nun auch davon abhängen, wie sich die Medien verhalten werden. „Journalisti*innen sind in der Regel so glücklich darüber, Robert Habeck interviewen zu dürfen, dass sie ihn kaum jemals mit kritischen Fragen belästigen.“
Genau dies ist das Problem. Wenn Friedrich Merz in unglücklicher Manier vom „Sozialtourismus“ ukrainischer Flüchtlinge spricht, fallen die Medien über ihn her. Wenn Robert Habeck nicht in der Lage ist, das Wort Insolvenz zu erklären, eilen ihm Heerscharen willfähriger Journalisten zur Seite. Wollte man den Habeck-Interview-Modus karikieren, so Gaschke, könnte man wohl sagen: „Die Frage, die alle Fragen an Robert Habeck zusammenfasst, lautet: ‚Warum sind Sie eigentlich nicht noch toller?'“