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Mehr Platz für den großen Raffael – Dresden feiert die Wiedereröffnung der sanierten Sempergalerie
Noch sitzt den Dresdnern der Schock über den Juwelenraub im Grünen Gewölbe tief in den Gliedern. Dafür sorgt nebenan am Zwinger die Wiedereröffnung der Sempergalerie für etwas Erleichterung. Wegen Modernisierungsarbeiten standen den Besuchern sieben lange Jahre immer nur Teilbereiche offen. Nun aber gilt wieder uneingeschränkt der in der Tribuna angebrachte Spruch: „Willkommen im Heiligthume der Kunst.“
Über den kapellenartigen Raum in der Mitte des ersten Obergeschosses werden die Säle und Kabinette der weltberühmten Gemäldesammlung Alte Meister erschlossen. Links erwarten den Besucher die Werke von Rubens, Rembrandt und vielen weiteren niederländischen Malern des 15. bis 17. Jahrhunderts, rechts geht es zu Raffael und zahlreichen anderen italienischen Meistern des 14. bis 17. Jahrhunderts. Treppauf gelangt man zu Bellottos berühmten Ansichten von Dresden und Pirna sowie der weltgrößten Sammlung von Gemälden Lucas Cranachs und seines gleichnamigen Sohnes.
Die Meisterwerke residieren in einem eigens für sie im Stil der italienischen Hochrenaissance errichteten Museumsbau. Den Entwurf des 1855 fertiggestellten Bauwerks lieferte Gottfried Semper, der neben Schinkel bedeutendste deutsche Architekt des 19. Jahrhunderts. Für die grundlegende Sanierung bezahlte der Freistaat Sachsen 49,8 Millionen Euro. Weitere 600 000 Euro gab ein privater Spender dazu. Auf dem neuesten Stand ist nun die Museumstechnik. Erneuert sind das Parkett und die farbigen Wandbespannungen. Hochmoderne Akzentbeleuchtung unterstützt das in vielen Bereichen genutzte Tageslicht, um die Kunstwerke optimal zu präsentieren.
Neben 700 Bildern beherbergt das Museum nun auch 420 Werke aus der Skulpturensammlung bis 1800. Die bereits vom berühmten Kunstgelehrten Winckelmann verehrte „Große Herkulanerin“ und weitere antike Werke sind im Erdgeschoss des Ostflügels versammelt. Der Bildniskopf des Trajan gehört zu den zahlreichen römische Porträtbüsten, die August der Starke von König Friedrich Wilhelm I. von Preußen geschenkt bekam. In den Bilderräumen nehmen Kleinbronzen, Büsten und Marmorwerke den Dialog mit ausgewählten Gemälden auf. So soll die gegenseitige Befruchtung der beiden Gattungen anschaulich werden.
Festhalten an „Dresdner Hängung“
Den Löwenanteil der Gemälde und Skulpturen trugen August der Starke und sein Sohn August III. zusammen. Prunkstück der Erwerbungen Augusts des Starken ist die von Giorgione unter Mitwirkung Tizians gemalte „Schlummernde Venus“ (um 1508). Sie wird als Italiens erstes großformatiges weibliches Aktgemälde beurteilt. August III. verdankt die Sammlung so hervorragende Werke wie Correggios Gemälde „Heilige Nacht“ (um 1528). Es galt lange als das beste Stück der Sammlung. Dann aber machte ihm Raffaels ebenfalls von August III. angekaufte „Sixtinische Madonna“ (1512/13) diesen Rang streitig. Das Hauptinteresse beider Sammler galt der italienischen und niederländischen Malerei, während spanische und französische Bilder weit weniger vertreten sind. Und von den Cranachs abgesehen, spielt auch die altdeutsche Malerei nur eine untergeordnete Rolle.
Zu altbewährten Publikumslieblingen wie Liotards „Schokoladenmädchen“ (um 1744), der von Rubens verführerisch in Szene gesetzten „Bathseba am Springbrunnen“ (um 1635) oder Rembrandts tragikomischem Gemälde „Ganymed in den Fängen des Adlers“ (1635) gesellen sich frisch restaurierte Werke. Das umfangreichste Forschungs- und Restaurierungsprojekt betraf Veroneses „Cuccina-Zyklus“ (um 1571). Die im Auftrag der Kaufmannsfamilie Cuccina gemalten vier Großformate mit Szenen aus dem Leben Jesu erforderten die Sicherung kleinteiliger Farbablösungen auf insgesamt 33 Quadratmetern Bildfläche.
Der überreiche Besitz an Alten Meistern stellte das Team um Generaldirektorin Marion Ackermann vor ein Luxusproblem, nämlich die von ihr so genannte „Inszenierung der schieren Fülle“. Gelöst wurde es auf traditionelle Weise: Die Neuinszenierung hält an der berühmten „Dresdner Hängung“ fest. Und so hängen die Gemälde in den Abteilungen der alten Niederländer und Italiener in bis zu drei Reihen dicht an dicht übereinander, um die Stärken der Sammlung zu zelebrieren und die Museumsgäste in der Opulenz großer Formate schwelgen zu lassen.
Die Fassade des Bauwerks ist reich mit steinernen Schutzpatronen aus Kunst und Christentum geschmückt. Zu ihnen gehört Abraham. Bleibt zu hoffen, dass die Sammlung hier dank der auf den neuesten Stand gebrachten Überwachungstechnik so sicher ist wie in Abrahams Schoß.
Info: Die Gemäldegalerie am Theaterplatz 1 ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt: 14 Euro.
www.skd.museum