12.07.2025

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Als warte es darauf, abgemalt zu werden: Im Atelier des Lauves sind viele Stillleben Paul Cézannes entstanden
Bild: Thomas LuppoAls warte es darauf, abgemalt zu werden: Im Atelier des Lauves sind viele Stillleben Paul Cézannes entstanden

Künstlerleben

Späte Liebe zu einem einst Verschmähten

Die Stadt Aix-en-Provence tat sich mit dem Maler Paul Cézanne lange schwer – Dieses Jahr hat man ihn dort als Werbe-Ikone entdeckt

Helga Schnehagen
12.07.2025

Wenn man einen Grund zum Feiern sucht, findet man ihn. Vor allem in einem Ort, der so viel zu bieten hat. Rund 35 Kilometer nördlich von Marseille liegt Aix-en-Provence.

Allein der Name der knapp 150.000 Einwohner zählenden Stadt klingt verheißungsvoll, war und ist die Provence doch ein Sehnsuchtsziel. Und das seit über 2000 Jahren.

Die Thermalquellen von Aix waren ein entscheidender Grund, warum bereits die Kelten hier ein Oppidum errichteten und die Römer ein Jahr nach dessen Zerstörung unter dem Konsul Caius Sextius Calvinus 122 v. Chr. planmäßig eine Stadt anlegten. Ihr Name Aquae Sextiae Saluviorum nennt den römischen Gründervater, den von ihm besiegten keltischen Stamm der Salluvier sowie das Wasser der heißen Thermalquellen.

Es ist die älteste römische Stadtgründung in Gallien. Bis heute ist Aix eine Stadt im Zeichen des Wassers mit ungefähr 250 öffentlichen und privaten Brunnen. Über den Resten der antiken Thermalbäder befindet sich mit den Thermes Sextius sogar wieder ein luxuriöser Spa samt Schwimmbad und Hotel.

Später wurde Aix Bischofs- und Erzbischofssitz und erlangte ab 1182 als Hauptstadt der Provence, die es bis zur Französischen Revolution blieb, unter den Grafen der Provence zunehmend an Bedeutung. Seit 1409 hat Aix eine Universität, deren heute 40.000 Studenten das Leben der Stadt prägen.

Diesem Status entspricht das kulturelle Erbe mit 36 historischen Stätten und Denkmälern, 160 Stadtpalästen, die sich zwischen klassischer Eleganz und barocker Opulenz bewegen, und rund einem Dutzend Museen und Stiftungen. Unter den vielen thematischen Führungen hat man in Aix die Qual der Wahl.

Spitzenreiter ist Paul Cézanne. Der Stadtrundgang auf den Spuren des prominenten Sohnes ist durch Metallplatten mit einem „C“ im Trottoir in Stein gemeißelt: vom Cours Mirabeau, der Prachtstraße und Lebensader der Stadt, im Süden bis zu Saint-Jean de Baptiste du Faubourg im Westen, wo der Maler und Hortense Fiquet am 29. April 1886 kirchlich getraut wurden.

Über 30 Stätten beleuchten Cézannes Leben: von seinem Geburtshaus in der Rue de l'Opéra, wo der Künstler am
19. Januar 1839 das Licht der Welt erblickte, bis zu seiner letzten Bleibe auf dem Friedhof Saint-Pierre, wo er nach seinem Tod am 22. Oktober 1906 bestattet wurde. Vorbei an Wohnsitzen des Malers und seiner Familie, der Hutmanufaktur des Vaters, der später zum reichen Bankier avancierte, Schulen die Cézanne besuchte, der Juristischen Fakultät, an der er auf Drängen des Vaters kurz eingeschrieben war, Cafés, in denen er seine Freunde und andere Künstler traf.

Anerkennung erst 100 Jahre später
Cézanne erging es wie vielen seiner Kollegen. Zu Lebzeiten blieb ihm wegen seines radikalen Malstils die Anerkennung verwehrt. Doch während der Salon d'Automne bereits ein Jahr nach seinem Tod ihm zu Ehren in Paris eine Gedächtnisausstellung mit 56 seiner Bilder veranstaltete, wurden seine Werke aus Aix verbannt. Der Kurator (1892–1925) am Musée Granet, der Bildhauer Auguste-Henri Pontier, hatte geschworen, zu seinen Lebzeiten kein einziges Bild Cézannes ins Museum aufzunehmen, und er hielt Wort.

Erst 1984 erhielt das Museum acht exemplarische Bilder des Künstlers als Dauerleihgabe aus dem Musée d'Orsay in Paris: „Der Musenkuss“ (um 1860), „Landschaft beim César-Turm“ (um 1862), „Stillleben mit Zuckerdose, Birnen und blauer Tasse“ (1865), „Frauenakt mit Spiegel“ (um 1872), „Bildnis von Madame Cézanne“ (um 1887), „Batseba“ (um 1890), „Badende“ (1890) und „Die Apotheose Delacroix's“ (um 1894). Eine Ansicht des Mont Sainte-Victoire ist nicht darunter, obwohl das Gebirge bei Aix mit 44 Ölbildern und 43 Aquarellen wohl das bekannteste Motiv des Künstlers ist, gefolgt von den „Badenden“ mit fast 200 Versionen und den zahllosen Stillleben.

Erst 100 Jahre nach seinem Tod erteilte Aix dem Verschmähten die Anerkennung, die ihm gebührte. Zur Wiedereröffnung nach 15 Jahren Renovierung und Umbau widmete das Musée Granet Cézanne 2006 eine Großausstellung. Schon damals empfahl man Ausflüge zum Jas de Bouffan, dem Landhaus der Familie von 1859 bis 1899, wo Cézanne mindestens 36 Ölbilder und 17 Aquarelle schuf. Zum Atelier des Lauves oberhalb von Aix, dem Schaffensort seiner letzten Jahre, und zum Steinbruch von Bibémus, wo Cézanne ab 1895 ein kleines Häuschen gemietet hatte. Insbesondere die am Steinbruch entstandenen Bilder bezeugen Cézannes wachsende Hinwendung zur Geometrisierung, die ihn zum „Vater der modernen Kunst“ machte, „zum Vater für uns alle“, wie Picasso sagte.

Inzwischen hat man das wirtschaftliche Potential der Marke „Cézanne“ in Aix erkannt. Die Stadt ließ Jas de Bouffan und Les Lauves renovieren und neugestalten und legte zu deren Wiedereröffnung unter dem Titel „Cézanne 2025“ ein ganzes Kulturprogramm auf. Mittelpunkt ist die noch bis zum 12. Oktober laufende Ausstellung „Cézanne au Jas de Bouffan“ im Musée Granet.

Das Musée du Vieil Aix untersucht bis zum 5. Januar 2026 mit der Ausstellung „Aix et Cézanne“ die konfliktreiche Beziehung zwischen dem Künstler und seiner Stadt: von seiner Ablehnung bis zu seiner Verherrlichung. Dazu wird der künstlerische und kulturelle Kontext von Aix am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts nachgezeichnet, mit dem sich der Maler auseinandersetzen musste.

Das Musée Pavillon de Vendôme erinnert bis zum 2. November mit „L'expo des expos – Cézanne au Pavillon Vendôme en 1956 et 1961“ an zwei historische Ausstellungen. Die Schau von 1956, die anlässlich des 50. Todestages des Künstlers stattfand, präsentierte 90 Werke. Und die gemeinsam mit der Stadt Wien organisierte Ausstellung von 1961 kam auf rund sechzig Arbeiten.

www.cezanne2025.com 


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS