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Londons große Parteien sind tief zerrissen – Flügelkämpfe sowohl bei Labour als auch bei den Tories
Die britische Innenpolitik wird derzeit von Fliehkräften fast zerrissen. Mit einem ungewöhnlichen Kampagnenslogan hat George Galloway die Nachwahl im nordenglischen Rochdale gewonnen: „George kämpft für Gaza. Keir Starmer kämpft für Israel“, behauptete der Sozialist, der Anführer der linksradikalen kleinen „Workers Party of Britain“ (WPB). Und mit dieser Stichelei gegen den Labour-Chef hat er vorige Woche in Rochdale den Parlamentssitz errungen. Man könnte meinen, dass es in der Stadt bei Manchester andere Themen sind, etwa die hohe Armut, Inflation oder geringe soziale Chancen, die Wähler bewegen. Aber nein: Der Krieg im fernen Gaza war offenbar das zündende Thema.
In Rochdale leben viele Muslime. Sie stellen etwa ein Fünftel der Bevölkerung. Dazu kamen weitere Stimmen von pro-palästinensischen Linken, denen der offizielle eher Israel-freundliche Kurs des Vorsitzenden der Labour Party, dessen beide Kinder im jüdischen Glauben, der Religionszugehörigkeit seiner Frau, erzogen werden, nicht gefällt. Die Labour-Linke erhöht den Druck. Sie fordert eine Resolution zu einem sofortigen dauerhaften Waffenstillstand in Gaza und eine Abkehr von Israel.
WPB macht Labour Konkurrenz
Druck kommt auch von der Straße. Von Demonstranten, die Abgeordnete bedrohen und bedrängen, wenn sie sich nicht entschieden „für Gaza“ positionieren. Als das Parlament vor zwei Wochen über einen Waffenstillstandsantrag der Scottish National Party (SNP) abstimmen sollte, zog der Sprecher des Hauses – trotz vehementer Proteste – einen Änderungsantrag von Labour auf der Tagesordnung vor. Er begründete dies auch mit Sicherheitsbedenken. An die Fassade des Parlaments warfen Pro-Palästina-Aktivisten mit einem starken Lichtstrahler die Parole „From the River to the Sea“, die faktisch eine Auslöschung Israels meint. Ein Londoner Tory-Abgeordneter, der als Israel-Unterstützer bekannt ist, wurde Opfer eines Brandanschlags, der sein Wahlkreisbüro verwüstete. Andere berichten von massiver Einschüchterung und Todesdrohungen.
Premierminister Rishi Sunak hat davor gewarnt, dass „die Mob-Herrschaft“ die Demokratie zu verdrängen drohe. Nach dem Wahlsieg von Galloway warnte Sunak noch eindringlicher vor einer Bedrohung durch Islamisten und Extremisten. Er hat 31 Millionen Pfund Sterling (über 36 Millionen Euro) für zusätzlichen Polizeischutz von jüdischen Einrichtungen und Parlamentariern versprochen. Vor allem weibliche Abgeordnete werden nun von Personenschützern begleitet.
Sunaks Konservative Partei ihrerseits ist seit Tagen in Turbulenzen, weil einer ihrer prominentesten nordenglischen Abgeordneten, Lee Anderson, nach einer kritischen Bemerkung über „Islamisten“ und den Londoner Labour-Bürgermeister Sadiq Khan aus der Partei geworfen worden ist. Anderson hatte gesagt, dass „die Islamisten, Extremisten und Antisemiten“ jetzt den Ton angeben und dass der Labour-Bürgermeister „unter ihrer Kon-trolle“ stehe. Er meinte damit, dass Khan zu wenig tue, um gegen die von Islamisten unterwanderten pro-palästinensischen Großproteste vorzugehen.
Aber ihm wurde ein Strick aus der ungelenken Bemerkung gedreht, die als „islamophob“ bezeichnet wurde. Labour hat es geschickt verstanden, die Empörung anzufachen. Statt über den grassierenden Hass auf Juden spricht das Land nun über die „Islamophobie“ in der Conservative Party. Anderson hat indes bekräftigt, dass er sich für seine „ungeschickte Äußerung“ nicht entschuldigen wolle. Er hat zahlreiche Sympathisanten und Unterstützer.
Reform UK fordert die Tories heraus
Noch ist unklar, ob es die Partei vollends zerreißt. Die Tories stehen in Umfragen seit Monaten rund zwanzig Punkte hinter Labour. Während der Labour-Chef sich schon auf der Zielgeraden in die Downing Street sehen kann, droht den Konservativen eine verheerende Niederlage bei den Parlamentswahlen, die vermutlich in diesem Herbst stattfinden werden. Sie kämpfen auf verlorenem Posten. Einige haben auch schon innerlich aufgehört zu kämpfen. 58 Abgeordnete haben bereits angekündigt, dass sie nicht mehr kandidieren werden. Bis zur Wahl könnten es gut hundert werden.
Ein zunehmendes Problem für die Tories ist neben dem großen Labour-Vorsprung die Konkurrenz von rechts in Form der Partei „Reform UK“. Dies ist die umbenannte ehemalige Brexit-Partei, die früher von Nigel Farage geführt wurde. In Umfragen hat Reform UK inzwischen landesweit etwa zehn Prozent Zustimmung erreicht. Ihr Parteichef Richard Tice umwirbt frustrierte Konservative. Bei den Nachwahlen in den Wahlkreisen Kingswood und Wellingborough vor zwei Wochen erzielte Reform UK respektable Ergebnisse. Einige Strategen der Konservativen fürchten, dass eine Zersplitterung des rechten Lagers und zu viele Stimmen für die „rechtspopulistische“ Konkurrenz ihnen bei der Parlamentswahl endgültig das Genick brechen könnten. Sunak kämpft noch und versucht ein allzu schlimmes Ergebnis abzuwenden. Doch es wird um ihn zunehmend einsam.