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Der Historiker Frank Bösch untersucht das Verhältnis demokratischer Staaten zu Diktaturen von der Adenauer-Ära bis zur politischen Wende
Wie sollen sich Demokratien gegenüber Diktaturen verhalten? Sich strikt abzugrenzen oder mit „Wandel durch Handel“ eine Verbesserung der Lage verfolgter Menschen zu erreichen suchen? Fast alle Länder des Westens handelten nach der zweiten Devise, auch Deutschland. Als ein auf Rohstoffe und Exportmöglichkeiten angewiesenes Land stellte es die Ideale der Demokratie oft hinter nüchterne Staatsraison zurück.
Der Potsdamer Zeithistoriker Frank Bösch hat eine umfassende Untersuchung über die Beziehungen der Bundesrepublik zu diktatorisch regierten Staaten vorgelegt, wobei er statt „Diktaturen“ den heute eher üblichen Begriff „Autokratien“ verwendet. Zeitlich reicht sie von der Adenauerzeit bis zur „Wende“. Auch Europa ist dabei, das Spanien Francos, das Portugal Salazars und die griechische Militärjunta von 1967 bis 1974, dann natürlich der Ostblock inklusive der DDR.
Spannend sind die Kapitel zu Ländern der Dritten Welt. In der Ära Adenauer kamen als erste Staatsgäste der Schah von Persien, dessen Ehefrau Soraya und später Farah Diba die die Deutschen verzauberten, dann als Erster der exotischen Glanz vermittelnde Kaiser Haile Selassie aus Äthiopien. Über demokratische Mängel wurde hinweggesehen, die meisten Länder seien eben „noch nicht so weit“.
Mit der Etablierung der Bürgerbewegung Amnesty International änderte sich das allmählich. Gefangenschaft und Folter politischer Gegner rückten in den Vordergrund und zwangen die Politik zu sensibleren Reaktionen. Als der südkoreanische Geheimdienst 1967 den Komponisten Isang Yun aus Berlin verschleppte, war die Entrüstung so einhellig, dass Yun schon bald zurückkehren konnte. Als 1973 in Chile das Militär unter Pinochet putschte, solidarisierten sich Bund und Länder in seltener Einmütigkeit. Andererseits blieb man gegen Mobutu und Gaddafi in Libyen immer wieder tolerant. Das Auswärtige Amt vermittelte, half wohl auch. Es war eine, so schreibt der Autor, „pragmatische, auf Wirtschaftsinteressen bedachte Diktatoren-Diplomatie“.
Mit diesem beispielhaft soliden Buch betritt die Zeitgeschichtsschreibung Neuland. In unseren Tagen sind Wirtschaft und Handel nicht mehr von Menschenrechtsfragen zu trennen, ja die innere Politik fast eines jeden Staates berührt unmittelbar das internationale Geschehen. Als Historiker bringt der Autor eine Fülle von Fakten und lässt nur gelegentlich Kritik am Auswärtigen Amt anklingen. Ein endgültiges Urteil überlässt er dem Leser.
Frank Bösch: „Deals mit Diktaturen. Eine andere Geschichte der Bundesrepublik“, C.H. Beck Verlag, München 2024, gebunden, 622 Seiten, 32 Euro