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Der Usedomer Gesteinsgarten mit Waldkabinett und Waldlehrpfad See begeistert die Besucher
Wer kennt ihn nicht, den Song der Puhdys aus dem Jahr 1976: „Alt wie ein Baum möchte ich werden, genau wie der Dichter es beschreibt“? Weniger bekannt sein dürfte, dass es sich bei dem besungenen Dichter um Louis Fürnberg handelt. Sein Wunsch war: „Alt möcht ich werden wie ein alter Baum, mit Jahresringen, längst nicht mehr zu zählen, mit Rinden, die sich immer wieder schälen, mit Wurzeln tief, dass sie kein Spaten sticht.“
Alte Bäume, deren Jahresringe längst nicht mehr zu zählen sind, gibt es im Amtsbereich des Forstamtes Neu Pudagla nicht, obwohl dieser den gesamten deutschen Teil der Insel Usedom umfasst. Zwar befindet sich im Lieper Winkel „zwischen Himmel und Erde“ die mehr als 700 Jahre alte Suckower Eiche, das Durchschnittsalter der Bäume im Usedomer Forst beträgt jedoch lediglich 75 Jahre. Der Grund für das relativ geringe Alter: Das Gros der dortigen Buchen, Eichen, Kiefern oder Tannen war unmittelbar nach 1945 gefällt und als Reparationsleistung in die Sowjetunion transportiert worden.
Alter Forst – junge Bäume
Wer jedoch nicht nach alten Bäumen, sondern eher nach alten Steinen sucht, der ist beim Forstamt Neu Pudagla, zwischen den Ostseebädern Ückeritz und Bansin gelegen, am rechten Platz. Das Forstamt ist sowohl mit der Bahn als auch mit dem Auto gut erreichbar. Die Usedomer Bäderbahn, die zwischen Züssow und Swinemünde verkehrt, hat die Haltestelle „Neu Pudagla“ eingerichtet. Von dieser Haltestelle aus ist man zu Fuß in fünf Minuten am Ziel. Zudem wird ein großer Pkw-Parkplatz vorgehalten. Der Gesteinsgarten mit seiner gepflegten, parkähnlichen Umgebung ist 8760 Stunden im Jahr – also ständig – kostenfrei geöffnet. Und im dortigen Waldladen gibt es Wildprodukte und einen kleinen Imbiss.
Im Jahr 1997 hatte das genannte Forstamt ein Kooperationsabkommen mit dem Institut für Geographie und Geologie der Universität Greifswald mit dem Ziel abgeschlossen, einen Gesteinsgarten zu schaffen. Von den geistigen Vätern und Pionieren dieser Exposition sind vor allem der heute bereits pensionierte Forstamtsleiter Norbert Sündermann und der Greifswalder Geologe Gösta Hoffmann zu nennen.
Die Geologen mussten zunächst möglichst große, optisch ansprechende Findlinge, deren Herkunftsgebiet mit Sicherheit bestimmt werden konnte, aufspüren, klassifizieren und schließlich publikumswirksam anordnen.
Zurück in die Eiszeit
Mit schwerem Gerät wurden die Findlinge aus entfernten Winkeln der Insel Usedom herangefahren. Im Vergleich mit jenen Strecken, die das Geschiebe vor Jahrtausenden zurückgelegt hatte, war dieser Weg geradezu ein „Katzensprung“. Eiszeitgletscher, die auf dem Territorium des heutigen Norddeutschlands bis zu 1000 Metern mächtig waren, hatten die Steine vor Jahrtausenden auf die Insel transportiert. Der ausgestellte unterkambrische Nexösandstein von Bornholm, der eine Kantenlänge von über zwei Metern hat, liefert den sichtbaren Beweis hierfür: Auf seiner glatt geschliffenen Oberfläche sind deutlich parallele Gletscherschrammen erkennbar.
Bereits die 1999 erfolgte offizielle Eröffnung der Usedomer Exposition war ein Erfolg. Mit seiner Vielfalt an wissenschaftlich dokumentierten Gesteinsarten ist der Gesteinsgarten einzigartig in Deutschland und gar eine Exposition von europäischem Rang. Sylvia Schreiber, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit im Forstamt Neu Pudagla, konstatiert heute: „Wir konnten uns in den vergangenen Kalenderjahren jeweils über 8500 bis 10.000 Gäste dieses besonderen und zugleich seltenen Gartens freuen.“
Auf dem 300 Meter langen Rundweg durch den Gesteinsgarten sind 155 teils sehr große Findlinge ausgestellt, die jeder Besucher anfassen darf, die er jedoch wegen ihres großen Gewichts nicht bewegen kann. Der größte Stein wiegt elf Tonnen. Auf diese Weise wird Vandalismus verhindert. 154 dieser Steine wurden auf Usedom gefunden, sie alle sind jedoch von ihrem Ursprung her Fremde auf der Insel.
Einer tanzt aus der Reihe
Auf dem Rundweg sind die Formationen daher nach ihren Herkunftsgebieten Bornholm, Süd- und Zentralschweden, Finnland und das Ostseebecken angeordnet. Dem Besucher werden hier fast alle Gesteinsarten, die während der Eiszeit die Insel Usedom erreicht haben, präsentiert. Es fehlt lediglich ein Stein: der „Braune Ostseequarzsaphir“. Ihn ersetzt sein roter Bruder. Den 155. Stein, einen „noritischen Gabbro“, bargen im Jahr 1987 Wissenschaftler des Forschungsschiffs „Polarstern“ in der Nähe der Antarktis. Er gelangte auf Umwegen nach Neu Pudagla.
Durch kleine Schilder werden die Besucher über den Fundort, das Alter und die Herkunft jedes einzelnen Exponats informiert. Der älteste Stein zählt zwei Milliarden Jahre, er ist also etwa halb so alt wie unsere Erde, der jüngste ist 80 Millionen Jahre alt.
Geologen benutzen den Äon als Einheit für unvorstellbar große Zeiträume. Das Wort steht in der griechischen Philosophie als Synonym für die Ewigkeit. In Goethes „Faust“ hat es die gleiche Bedeutung. In der Geochronologie ist ein Äon die höchstrangige Einheit für die zeitliche Untergliederung der Erdgeschichte.
2,5 Kilometer Erdgeschichte
Ein Äon umfasst mehrere hundert Millionen bis weit über eine Milliarde Jahre. Die gesamte Erdgeschichte wird so in lediglich vier Äonen gegliedert. Angesichts solcher, für den Menschen schier unvorstellbarer Zeiträume, kann sich der Besucher nach der Besichtigung der uralten Felsbrocken etwas „Zeit nehmen“ für die Besichtigung des Waldkabinetts und den Spaziergang auf dem Waldlehrpfad.
Das Waldkabinett bietet Wissenswertes über die Entwicklung des Waldes als wichtigstes Ökosystem der Erde. Der idyllische Waldlehrpfad beginnt in unmittelbarer Nähe des Gesteinsgartens. Bänke und Picknicktische laden zum Verweilen ein. Der Pfad ist zweieinhalb Kilometer lang und führt schließlich zu dem von großen Lebensbäumen und anderen seltenen Baumarten umsäumten Forstvereinsstein. Dieser war anlässlich der Jahrestagungen des Pommerschen Forstvereins in den Jahren 1898 und 1911 in Neu Pudagla errichtet worden und zeugt von der Bedeutung dieses Forstamtes in der ehemaligen preußischen Provinz Pommern.
Der Rückweg führt schließlich vorbei an der „Fledermausburg“. Das frühere Brunnenhaus dient einem Dutzend unterschiedlicher Arten dieser Tiere als Quartier. Spätestens bei der Beobachtung der überaus lebendigen fliegenden Säugetiere ist der Besucher wieder in der Gegenwart angekommen.
Chris Benthe am 24.04.24, 08:55 Uhr
Es lebe das Gute und Schöne ! Mal die unselige Politik vergessen und sich der Natur hingeben ! Danke für diesen wunderbaren Artikel !