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Muzeum Techniki Stettin

Stoewer – Technikpioniere einst in Stettin

Die Sammlung des Pommern Manfried Bauer ging 2019 von Hessen zurück in die Heimat

Erwin Rosenthal
17.05.2022

Die Stettiner Automarke Stoewer ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Der gekrönte pommersche Greif als Kühlerfigur, jahrzehntelang Statussymbol einer sehr noblen Automobilmarke, ist nur noch in Museen oder bei Oldtimer-Rallyes zu bewundern. Heute existieren noch zirka 240 Stoewer-Automobile.

Auch in Vorpommern gibt es Bemühungen, das Stoewersche Erbe zu erhalten. So hat das Pommersche Landesmuseum in Greifswald den Kühler eines Stoewer D 9 erworben, und in Eggesin gibt es seit 2006 eine Stoewerstraße.

Den Coup hat aber Stettin [Szczecin] gelandet! Die Stoewer-Sammlung von Manfried Bauer aus dem hessischen Wald-Michelbach ist im Jahr 2019 fast komplett nach Stettin gewechselt. Im früheren Stettiner Straßenbahndepot aus Kaiserzeiten wurde ihnen der gebührende Platz eingeräumt.

Der gebürtige Stettiner Bauer hatte sich im Jahr 2002 den Traum vom eigenen Oldtimermuseum erfüllt und in einem ehemaligen Bankgebäude das einzige Stoewer-Museum der Welt eröffnet. Offensichtlich sah sich jedoch das Land Hessen mit der Pflege der pommerschen Industriegeschichte überfordert. Bauer hat daher sieben Stoewer Automobile, acht Fahrräder, 90 Näh- und Schreibmaschinen sowie weitere 800 Stoewer-Exponate an jene – heute polnische Stadt – verkauft, in der vor 160 Jahren die Produktion der Stoewerschen Nähmaschinen, Fahrräder, Schreibmaschinen und etwas später auch der Automobile begann.

Stettins Stadtpräsident Piotr Krzystek begründete seine Kauf-Entscheidung so: „Stoewer kommt nach Hause zurück. Einen besseren Ort auf der Welt zur Ausstellung dieser Marke gibt es nicht. Aus Stettiner Sicht ist diese Sammlung von unschätzbarem Wert. In Stettin produzierte Automobile – das ist schon was. Mercedes hat von Stoewer gelernt, und BMW produzierte die ersten Fahrzeuge erst über 20 Jahre später.“

Technische Innovationen

Und in der Tat ragte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der drittälteste deutsche Automobilhersteller Stoewer (nach Benz und Daimler) unter den mehr als 200 deutschen Automobilbauern als kleine, aber sehr feine und vielleicht innovativste Marke heraus. Das Unternehmen war im Wortsinn ein Hort technischer Innovationen. So gehörten die Gebrüder Stoewer zu den ersten in Deutschland, die in ihre Pkw einen Vierzylindermotor und später einen Achtzylindermotor einbauten. Ein Höhepunkt war auch der im Jahr 1921 vorgestellte, von einem Sechszylinder Stoewer-Flugzeugmotor angetriebene Stoewer D7, zu dieser Zeit das anzugsstärkste Automobil Deutschlands. Mit einem Hubraum von elf Litern leistete der Motor 120 PS. Zu den bleibenden Leistungen der Stoewers gehörte auch die Einführung des Aluminium-Motorblocks, des Frontantriebs und der Schwingachse.

Dabei hatte alles klein angefangen. Der Gründer der Firma, Bernhard Stoewer (1834–1908), geboren im hinterpommerschen Pyritz, war gelernter Mechaniker und Büchsenmacher. Mit 24 Jahren gründete er in Stettin eine Feinmechanische Reparaturwerkstatt. Kurze Zeit später begann er mit der Produktion von Nähmaschinen nach dem System Singer. Die „Nähmaschinen-Fabrik und Eisengießerei Bernhard Stoewer“ war die zweite Nähmaschinenfabrik Deutschlands. Wurden im ersten Jahr nur drei Nähmaschinen ausgeliefert, waren es 1877 zweitausend, 1890 achtzehntausend und 1905 gar siebzigtausend. Ein Großteil der Maschinen ging in den Export.

Fahrräder und Nähmaschinen

1893 begann Bernhard Stoewer mit dem Bau von Qualitätsfahrrädern der Marke „Stoewer's Greif“. Im Jahre 1896 wandelte der Unternehmer das Stammwerk unter dem Namen „Nähmaschinen- und Fahrräder Fabrik Bernhard Stoewer“ in eine Aktiengesellschaft um. Ab 1903 wurden auch Schreibmaschinen produziert. Nach Stoewers Tod leiteten seine beiden Schwiegersöhne das Unternehmen. Als die Firma infolge der Weltwirtschaftskrise 1931 in Liquidation ging, waren insgesamt 1.868.500 Nähmaschinen, 310.000 Fahrräder und 134.600 Schreibmaschinen hergestellt worden.

Die Stoewerschen Patente nutzten fortan andere Firmen. Die Rheinmetall-Werke in Sömmerda in Thüringen übernahmen einen Teil der Schreibmaschinenproduktion, die Bielefelder Falter-Werke erwarben das Recht auf den Namen „Stoewer's Greif“ und produzierten bis 1999 Fahrräder unter diesem Namen.

Das Aus der Nähmaschinen-, Fahrrad- und Schreibmaschinenproduktion bedeutete aber nicht das Ende der Stettiner Firma Stoewer. Vielmehr fügte die Familie Stoewer der „Stadt im Grünen“ ein weiteres Juwel hinzu: Die Stoewer-Automobilproduktion. Stettin, zu dieser Zeit Hauptstadt der preußischen Provinz Pommern, war nach der Fertigstellung der Kaiserfahrt zum größten deutschen Ostseehafen geworden. Der Hafen bildete aber nicht das einzige Standbein der boomenden Stadt. Die Stettiner Werft „Vulcan“ bot zu Beginn des 20. Jahrhunderts Arbeit für 7000 Menschen. Die Firma Stoewer mit ihren 1200 Mitarbeitern befand sich also in guter Gesellschaft.

Ab 1916 firmierte die neue Autoschmiede unter dem Namen „Stoewer-Werke Aktiengesellschaft, vormals Gebrüder Stoewer“. Bereits im Jahre 1899 hatten die Söhne des Firmengründers, Bernhard Stoewer jun. und Emil Stoewer, mit der Produktion von Automobilen begonnen. Das vom Vater übernommene Eisenwerk hieß „Gebrüder Stoewer, Fabrik für Motorfahrzeuge“. Noch im gleichen Jahr wurde das erste Modell, der Große Stoewer Motorwagen, vorgestellt.

Innovationen im Fahrzeug-Sektor

Völlig zu Recht zählen die Gebrüder Stoewer damit zu den Pionieren des Autobaus in Deutschland. Lediglich der Benz Patent-Motorwagen und die Motorkutsche von Gottlieb Daimler entstanden vor dem Stoewerschen Motorwagen.

In den 1920er Jahren spezialisierte sich das Unternehmen auf die Produktion kleiner Serien hochwertiger und sportlicher Luxuswagen, die auf Augenhöhe mit den Marken Horch und Mercedes standen. Auch der Boxweltmeister Max Schmeling, dessen Geburtsort im heutigen Landkreis Greifswald liegt, fuhr einen „Stoewer“. Und: Bei mehr als 70 Autorennen in Europa, Afrika und Australien war man überaus erfolgreich.

Stoewer trat nie auf dem Massenmarkt auf, war aber durch seine solide Finanzausstattung in der Lage, das große Sterben der Autohersteller während der Weltwirtschaftskrise zu überleben. Bernhard Stoewer Junior war bis 1920 Generaldirektor des Unternehmens und dessen Konstrukteur. Sein 1902 entwickeltes Automobil mit Vierzylinder-Motor zählte zu den ersten Pkw mit dieser Motorisierung in Deutschland.

1906 entwickelte Stoewer den ersten Sechszylinder-Motor. 1928 präsentierte er zwei moderne Achtzylinder-Motoren und 1930 mit dem Stoewer V 5, den ersten in Serie gefertigten Kleinwagen mit Vorderradantrieb, der auch als „Volkswagen“ bezeichnet wurde. Die Produktionspalette beschränkte sich jedoch nicht auf Pkw. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden auch Lastkraftwagen, Omnibusse und Traktoren gebaut.

Ab Mitte der 1930er Jahre produzierte Stoewer für die Wehrmacht den Einheits-Pkw (LEPKW) mit Allradantrieb. Mit 11.000 Wagen wurde er zum meistgebauten Stoewer-Fahrzeug. Als Lizenzbau stellte ihn auch das BMW-Werk Eisenach als BMW 325 sowie Hanomag in Hannover (Hanomag 20 B) her.

Nach Kriegsende wurden die Werksanlagen demontiert und in die UdSSR verbracht. Auch der Große Motorwagen, der den Ausgangspunkt aller Stoewer-Automobile bildete, nahm diesen Weg. Das einzige erhaltene Exemplar des Fahrzeuges kann heute im Polytechnischen Museum in Moskau bewundert werden.


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Kommentare

H. Schinkel am 19.05.22, 01:12 Uhr

Soweit mir bekannt ist hat Stoewer 1936 für die Wehrmacht auch den ersten PKW mit Allradlenkung gebaut. Das sollte, wenn ich mich nicht irre, der R180 W gewesen sein.

Chris Benthe am 17.05.22, 12:58 Uhr

Solche Beiträge zum Staunen machen die PAZ so liebenswert. Danke.

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