29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Gesundheit

Storchengang zum Wohlbefinden

Auf Glückswegen zu den Lebensstationen Sebastian Kneipps – Der Seelsorger und Gesundheitsapostel wurde vor 200 Jahren geboren

Veit-Mario Thiede
17.05.2021

Das Allgäu durchzieht ein 876 Kilometer langes Netz von Weitwanderwegen in drei Höhenlagen. Die Etappen der Himmelsstürmer-Route führen durch die Gebirgslandschaft. Die der hügeligen Wasserläufer-Route ziehen sich entlang der Flüsse und Seen.

Am gemütlichsten aber läuft es sich auf den recht flachen Etappen der Wiesengänger Route durchs Voralpenland. Ihr sind die Glückswege zugeordnet. Sie führen zu wichtigen Lebensstationen Sebastian Kneipps, nämlich nach Stephansried, Ottobeuren, Bad Grönenbach und Bad Wörishofen. Allgäu-Tourismus hat den vor 200 Jahren geborenen Heilkundler zum „Helden“ der Glückswege ausgerufen, weil „er den Menschen mit seiner Gesundheitslehre den Weg zum individuellen Glück weist“.

Der spätere Seelsorger und Gesundheitsapostel wurde am 17. Mai 1821 in Stephansried als Sohn eines armen Heimwebers geboren. Trotz dieser bescheidenen Voraussetzungen hatte Kneipp große Ambitionen: Er wollte katholischer Pfarrer werden. Für die Ausbildung hatte er bereits 70 Gulden gespart. Doch dann ging das Elternhaus mitsamt seinen Ersparnissen in Flammen auf.

An der Stelle des Hauses steht seit 1898 ein acht Meter hoher Obelisk zu Ehren Sebastian Kneipps. Die Vorderseite weist unter seinem Reliefporträt eine Tafel mit dem Hinweis auf: „Dieses Denkmal pflegt die Stadt Bad Wörishofen in Dankbarkeit.“ Dort trat er 1855 seinen Dienst als Beichtvater im Kloster der Dominikanerinnen an. Der später zum Seelsorger von Wörishofen berufene Kneipp experimentierte nebenher mit Wasserheilverfahren. Allmählich entwickelte sich die Nebensache jedoch zur Hauptaktivität. Der Pfarrer hielt mit Unterstützung von Ärzten Sprechstunden. Seine Bücher „Meine Wasserkur“ (1886) und „So sollt ihr leben!“ (1889) entwickelten sich zu Bestsellern, die zahlreiche Kurgäste nach Wörishofen zum „Wasserdoktor“ lockten. Bis heute ist der Ort das führende „Kneippheilbad“.

Alljährlich am 17. Mai wandern die Mitglieder des Kneippvereins Ottobeuren und die Kneippfreunde aus Bad Grönenbach auf den Glückswegen nach Stephansried, um dem Gottesdienst im Gedenken an Kneipp beizuwohnen. Beide Orte weisen reichhaltige Angebote für treue „Kneippianer“ und Neueinsteiger auf. Im Jahre 1842 wanderte Kneipp von Stephansried nach Grönenbach, wo er sich die Grundlagen für sein späteres Wirken aneignete. Latein war die Voraussetzung für sein Theologiestudium. Das brachte ihm der katholische Kaplan und spätere Reichstagsabgeordnete Matthias Merkle bei. Kontakt pflegte der junge Kneipp auch zum evangelischen Pfarrer und Botaniker Christoph Ludwig Köberlin, der ihn in die Pflanzenheilkunde einführte.

Auf einem Rundweg durch Grönenbach und Umgebung erfährt man alles Wissenswerte über den Ort und Kneipp. Ein Denkmal vor dem am Marktplatz erbauten „Haus des Gastes“ zeigt den jungen Kneipp auf einem Felsen sitzend, Lateinbücher unter den Arm geklemmt, Hand und Fuß von Wasser überspült.

Kneippscher Espresso für die Arme

Erneut begegnen wir ihm an dem in der Nähe des „Hohen Schlosses“ angelegten Kneipp-Heilkräutergarten. Dort steht seine mit wirklicher priesterlicher Kleidung lebensecht zurechtgemachte Figur in einem Rundpavillon. Den fülligen Pfarrer umgeben Holzstangen, die den Aufschriften zufolge die fünf Säulen von Kneipps Gesundheitslehre symbolisieren: Wasseranwendungen, ausreichend Bewegung, ausgewogene Ernährung, Heilpflanzen sowie die Balance von Körper, Geist und Seele.

Die populärsten Kneipp-Anwendungen sind das Armbad und das Wassertreten. Entlang der Glückswege stehen die entsprechenden Anlagen zahlreich zur Verfügung. Das Eintauchen der Arme, auch „Kneippscher Espresso“ genannt, fördert die Durchblutung des Herzmuskels und regt den Stoffwechsel an. Wer im Wasserbecken richtig treten will, um sich abzuhärten und sein Immunsystem sowie die Selbstheilungskräfte in Schwung zu bringen, hält sich an den „Storchengang“. Bei jedem Schritt wird ein Bein vollständig aus dem Wasser gezogen und mit der Fußspitze nach unten wieder eingetaucht.

Knapp 17 Kilometer ist der Glücksweg von Bad Grönenbach nach Ottobeuren lang. Der dort angelegte „Kneipp-Aktiv-Park“ lädt mit folgenden Worten zu seinem Besuch ein: „Begeben Sie sich auf Kneippschen Spuren zu sich selbst – wir wünschen Ihnen einen glücklichen Weg.“

Das Besondere an dem Park sind seine christlichen Elemente. Ihn durchziehen zwei Pilgerwege und es gibt eine Lourdes-Grotte. Sie ist Ort der Fürbitte und nimmt Bezug auf die zahlreichen Heilungen im französischen Lourdes, dem berühmten christlichen Wallfahrtsort. Neben dem Kneipp-Aktiv-Park erstreckt sich die über 1200 Jahre alte Abtei Ottobeuren. Beim Rundgang durch deren 1737 bis 1766 erbaute Basilika vermittelt die üppige spätbarocke Ausstattung einen überwältigenden Eindruck. In ihr wurde Kneipp getauft, und in ihr zelebrierte er als frisch geweihter Pfarrer seine Primiz genannte erste Heilige Messe.

• Informationen und Reisetipps
www.allgaeu.de und www.wandertrilogie-allgaeu.de 


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS