28.12.2024

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Deckelhumpen aus Danzig waren beliebt: Ein Exemplar von Christian Pichgiel I.
Foto: Jan Samek, Geschichte der Goldschmiedekunst in Polen, Warschau: Interpress, 1993Deckelhumpen aus Danzig waren beliebt: Ein Exemplar von Christian Pichgiel I.

Strahlende Wertanlagen für Notzeiten

Vor allem im 17. und 18. Jahrhundert erlebte Danzigs Edelschmiedekunst eine Blüte. Pars pro toto seien hier Leben und Werk des Johann Rohde I., Christian Pichgiel I., Peter von der Rennen, Johann Gottfried Schlaubitz und Ephraim Wischke vorgestellt

Jörn Barfod
28.12.2024

Von ungemeiner Bedeutung für den deutschen Osten und über dessen Grenzen hinaus, derjenigen Nürnbergs oder Augsburgs vergleichbar, ist Danzigs Edelschmiedekunst. Die land- und seewärtigen Verbindungen und der Einfluss dieses Mittelpunktes scheinen selbst weiter zu reichen als diejenigen des zweiten großen östlichen Goldschmiedezentrums, Breslau.“ Diese Feststellung aus der ersten umfassenden Untersuchung der ost- und westpreußischen Goldschmiedekunst, „Die Edelschmiedekunst früherer Zeiten in Preussen“, deren zwei Bände der Architekt, preußische Baubeamte und Kunsthistoriker Eugen von Czihak 1903/08 veröffentlichte, gilt bis heute.

Allein schon die Tatsache, Danzig hier mit den beiden überragend wichtigen Zentren deutscher Goldschmiedekunst genannt zu sehen, lässt seinen Rang im kunsthandwerklichen Schaffen erkennen. Dies gilt zumindest für die bedeutendste Zeit dieses Gewerks in der alten Hansestadt, im 17. und 18. Jahrhundert. Durch die Gesellenwanderungen und den Zuzug von Meistern stand die Stadt ständig in Verbindung mit anderen großen Handelsstädten, in denen das Kunsthandwerk blühte.

Werke der Danziger Goldschmiede befinden sich heute in Museen in Deutschland, Polen und Russland sowie weiteren internationalen Sammlungen, außerdem in Privatbesitz. Zudem sind in Kirchen des West- und Ostpreußens sowie Polens bemerkenswerte Arbeiten erhalten. Im Kunsthandel sind sie gesuchte Objekte.

Nachdem Danzig 1309 unter die Herrschaft des Deutschen Ordens gekommen war, entwickelten sich rasch das Gemeinwesen und der Handel. Anzeichen dafür ist auch die Entstehung des Luxushandwerks der Goldschmiede an diesem Ort. Die erste Erwähnung eines „Aurifaber“, eines „Goldarbeiters“, findet sich in den Quellen 1357. Schon 1378 werden Älterleute eines Amtes der Goldschmiede genannt. Das Vorhandensein einer Zunft deutet auf eine nicht geringe Zahl von ansässigen Meistern hin. Anlässlich eines Handwerkeraufstands gegen den Rat 1416 werden bereits 24 Goldschmiedemeister genannt. Zur besten Zeit des Amtes im 17. Jahrhundert waren es 45 bis 50 Meister. Mit dem Auf und Ab der wirtschaftlichen Konjunktur stieg oder verringerte sich auch diese Zahl. Um 1800 waren es nur noch 15.

Zunftsatzung von 1409
Die älteste erhaltene Zunftsatzung der Danziger Goldschmiede stammt von 1409 und ist bereits so ausgearbeitet, dass man sicher annehmen muss, es gab im späten 14. Jahrhunderts bereits eine frühere. Viele Bestimmungen der „Rolle“ von 1409 lassen sich noch im 18. Jahrhundert wiederfinden. Erlassen wurden die Satzungen vom Rat der Stadt. Aus ihnen lässt sich einiges über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Meister, Gesellen und Lehrlinge erfahren.

Ein Geselle konnte nach seinen Wanderjahren nur in die Zunft, wenn er ehrlicher Geburt war sowie sowohl einen Lehrbrief über eine vierjährige Lehrzeit vorlegen konnte als auch ein „Dienstbrief“ genanntes Führungszeugnis aus der Stadt, in der er zuletzt wenigstens ein halbes Jahr gearbeitet hatte. Er musste einiges Geld, Kleider, Hausrat und eine Auswahl an Werkzeug besitzen. Ferner musste er nach der Wanderzeit ein ein halbes bis zu vier Jahre dauerndes sogenanntes Mutjahr bei einem Danziger Meister gearbeitet haben und drei Meisterstücke anfertigen: einen Goldring mit einem gefassten Edelstein, einen Kelch und zwei Metallschalen für eine Dolchscheide. Es waren an das Amt weitere Zahlungen fällig, unter anderem für den Unterhalt der Kapelle der Goldschmiede in der Marienkirche und für die Einrichtung der Schmelzhütte, in der die Rohmetalle bearbeitet wurden.

Ein Meister durfte kein „berüchtigtes Weib“ heiraten, es wurde jedoch erwartet, dass er heiratete und das Bürgerrecht erwarb. Er musste eine „offene“ Schmiede haben. Wer seinen Betrieb länger als ein Jahr ruhen ließ, verlor die Meisterwürde. Eine Goldschmiedewitwe durfte mit einem Gesellen noch ein Jahr lang den Betrieb führen. Arbeitszeit im Winter war nicht vor 5 Uhr früh und nach 9 Uhr abends. An Feiertagen durfte nicht gearbeitet werden, nach Fastnacht nicht mehr mit Licht.

Ein Meister durfte nur zwei Gesellen und zwei Lehrlinge haben. Es war ihm nicht erlaubt, fremde Gesellen zu beschäftigen. Hatte er zu viele Aufträge, sollte er an andere Meister abgeben. Die Gesellen durften keinen üblen Leumund haben. Ein Lehrling wurde nach acht Probewochen angenommen und hatte vier Jahre Lehrzeit. Nicht zugelassene Goldschmiede, die dennoch heimlich arbeiteten, sogenannte Bönhasen, wurden verfolgt und bestraft. Der Handel mit eingeführten Goldschmiedearbeiten war streng reglementiert.

13-lötige Silberreinheit
Die in Danzig vorgeschriebene Silberreinheit war die 13-lötige. Das bedeutet 13 Teile Silber und drei Teile anderen Metalls, meist Kupfer. Die Güte des Edelmetalls und die Qualität der Arbeit garantierte der jeweilige Meister mit seinem Zeichen, wie es schon der Deutsche Orden im 14. Jahrhundert vorgeschrieben hatte. Allerdings sind erst seit dem 16. Jahrhundert solche Zeichen wenigstens teilweise Danziger Meistern zuzuordnen. Entscheidend war die Einführung des Stadtzeichens 1621. Mit diesem ist die eindeutige Herkunft der Goldschmiedearbeit aus Danzig gesichert. Es wurde bis ins 19. Jahrhundert gebraucht und zeigt das Stadtwappen. 1730 wurde in Danzig noch ein drittes Zeichen eingeführt, ein sogenanntes Beschauzeichen, das der zum Kontrolleur des Amtes bestimmte Meister zusätzlich einschlagen ließ. Es sollte die Güte des Metalls und der Arbeit zusätzlich garantieren.

Werfen wir nun einen Blick auf einige beispielhafte Danziger Silberarbeiten und ihre Meister. Über sehr viele Meister geben die Quellen Auskünfte. Ihre Kunst zeigen die erhaltenen Werke. Leider haben die Zeitumstände aus dem 15. und 16. Jahrhundert nicht viele Stücke übriggelassen. Denn Edelmetallarbeiten dienten auch als Wertanlage für Notzeiten: Sie wurden eingeschmolzen, zu Geld ausgemünzt oder im Wert des Metallgewichts als Zahlungsmittel verwendet.

In Danzig waren besonders der Aufstand gegen den Rat 1525 und der Kampf gegen den polnischen König Stephan Báthory 1577 die Anlässe, zu denen viel Goldschmiedekunst in den Schmelzofen wanderte. Kriegsverluste anderer Art bescherte schließlich der Zweite Weltkrieg.

Eine besonders schöne Arbeit des 17. Jahrhunderts ist ein Kelch in der Allensteiner Kirche St. Jacob: ganz vergoldet bis auf die schalenartige Halterung des Bechers oben, der Cuppa. Diese zum Kontrast silbern belassene durchbrochene Arbeit ist meisterlich als Ornamentwerk mit Puttenkopf darin ausgebildet. Der Knauf des Kelchschaftes (Nodus) hat eine eigenwillige Form als Kelch, aus dem vier Engelsköpfe mit Flügeln herausschauen. Der hochgewölbte runde Fuß ist mit Ornament und Symbolen für Christi Passion verziert. Diese Arbeit lieferte um 1644/46 Meister Johann Rohde I. Er gehört zu einer großen Handwerkerfamilie, daher die Zählung des Namens. Rohde war 1629 Meister geworden, sein Sohn Peter lernte bei ihm und wurde 1654 ebenfalls Meister in Danzig.

Der bedeutendste Goldschmied Danzigs im 17. Jahrhundert war Peter von der Rennen (1607–1671). Sein Vater Reinhold war aus dem Rheinland gekommen und 1592 Meister geworden. Peter lieferte 1662 für den Dom zu Gnesen einen großen Heiligenschrein des Heiligen Adalbert und 1669/71 einen ebenso großen Schrein des Heiligen Stanislaus für Krakau. Beides sind Goldschmiedearbeiten von einer Größe und Qualität, wie man zu jener Zeit kaum weitere im deutschen Kulturbereich findet. Für die großen Arbeiten ließ der Meister in Danzig eigens eine zweite Schmelzhütte zur Bereitung des Silbers bauen. Mit Sicherheit haben mehrere Meister mit ihren Werkstätten mitgearbeitet. Peter von der Rennen war aber das Haupt der Arbeitsgemeinschaft und der Gesamtunternehmer der Vorhaben.

Als Beispiel der beliebtesten Gefäßformen Danziger Produktion sei ein Deckelhumpen des Meisters Christian Pichgiel I. (1652–1700) gezeigt. Seine Familie stammte aus Konitz, er wurde 1682 Meister. Der um 1685/90 entstandene Humpen zeigt die breite Barockform und barockes Ornament mit kräftig modellierten Früchten, dazwischen symbolische Figuren. Beliebt war auch bei Danziger Humpen die Deckelzier mit einem Schwan.

Für das 18. Jahrhundert ist wohl Johann Gottfried Schlaubitz (1707–1771) der genialste Danziger Goldschmied. Er war Sohn des Goldschmieds Nathanael Schlaubitz, der aus Elbing stammte. 1733 wurde er Meister. Er lieferte viele Arbeiten im Stil des Rokoko. Als Beispiel sei eine Monstranz, um 1760 entstanden, gezeigt, die der Braunsberger Katharinenkirche gehört. In der Strahlenglorie, von Engeln umgeben, wurde die geweihte Oblate, die Hostie, gezeigt. Der Schaft und der Fuß sind in feinsten Rokokoformen gestaltet.

Dass nicht alle Goldschmiede Danzigs bedeutend waren, lehrt uns ein Werk des Ephraim Wischke (1726–1799), der in einer Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs arbeitete. Dieser hier gezeigte Becher entstand um 1770 und ist kaum mehr als handwerklich gut ausgeführte Arbeit. Wischke muss es später schlecht gegangen sein. Er wurde 1780 wegen Silberdiebstahls aus der Schmelzhütte des Amtes bestraft: Er durfte nie Ältermann (Vorsitzer) werden, war zu keiner Wahl im Amt zugelassen und durfte nie zum Einsammeln des Quartalsgeldes für das Amt herangezogen werden – man misstraute ihm.

Im 19. Jahrhundert wurde das Amt aufgelöst. Als bedeutendste Firma dieser Epoche ist die Firma Moritz Stumpf und Sohn zu nennen. Begründet von Moritz Stumpf (1810–1894), dessen Vater Carl aus Riga gekommen war und eine Silber- und Bernsteinwerkstatt gegründet hatte, wurde sie bis 1939 von Familienmitgliedern weitergeführt. Neben vielen gehobenen Gebrauchsgegenständen lieferte sie auch herausragende Arbeiten und durfte sich ab 1862 als eines der größten preußischen Goldschmiedehäuser „Königliches Juwelierhaus“ nennen.


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