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Durch Islamistenmiliz vom Terrorregime Assads befreit – aber eine friedliche Zukunft ist dennoch ungewiss
Am 27. November flammte der syrische Bürgerkrieg nach einer fast fünfjährigen Phase der relativen Ruhe völlig überraschend wieder auf. Die Islamistenmiliz Hai'at Tahrir asch-Scham (HTS) stieß gemeinsam mit kleineren verbündeten Gruppierungen aus ihrem Rückzugsraum an der türkischen Grenze nach Aleppo vor. Die zweitgrößte Stadt Syriens mit momentan 2,3 Millionen Einwohnern stand seit dem 22. Dezember 2016 unter der Kontrolle der Regierungstruppen von Staatspräsident Baschar al-Assad und wurde am 29. November von den oppositionellen Kräften besetzt. Danach marschierte die HTS innerhalb von nur neun Tagen über Hama und Homs bis in die syrische Hauptstadt Damaskus, was letztendlich zum Sturz von Assad führte. Für das Gelingen der Offensive der Islamisten gibt es zahlreiche Gründe.
So war die Syrisch-Arabische Armee (SAA) Assads in völlige Selbstgefälligkeit versunken. Deshalb zog sie im Gegensatz zu den Islamisten auch keine Lehren aus dem Krieg in der Ukraine. Ansonsten obsiegten Desorganisation und die allgegenwärtige Korruption, welche beispielsweise dafür sorgten, dass den Soldaten der Regierung das Benzin ausging. Während der letzten Jahre hatte sich die Führung der SAA immer stärker darauf verlassen, in heiklen Situationen von russischen oder iranischen Kräften Rückendeckung zu erhalten. Doch Moskau und Teheran setzen neuerdings andere Prioritäten, was die HTS geschickt ausnutzte.
Erprobte Taktiken kopieren
Russland, das seit 2015 offen in den syrischen Bürgerkrieg eingriff und Assads Terrorregime sowie die SAA durch Luftschläge unterstützte, wird durch seinen Überfall auf die Ukraine beansprucht, woraus ein schleichender Rückzug aus Syrien resultierte.
Und der Iran als zweiter Verbündeter steckt ebenso in Schwierigkeiten. Dies ist eine Folge der verstärkten israelischen Attacken auf die iranischen Stellungen in Syrien sowie die Nachschubwege durch Syrien in Richtung des Libanon, wo die schiitische Hisbollah-Miliz am Tropf des Mullah-Regimes hängt.
Gleichzeitig agiert die aus der Terrororganisation al-Kaida entstandene HTS heute professioneller denn je. Sie besitzt nicht nur schwere Waffen, sondern verwendet auch in großem Umfang Kampf- und Aufklärungsdrohnen. Ebenso kombiniert sie neue, erprobte Angriffstechniken aus dem Ukrainekrieg mit den Taktiken des Islamischen Staates. Dazu kommt die offene und verdeckte Unterstützung durch andere Mächte.
Interessen ausländischer Mächte
Die Türkei nutzt die HTS und die mit dieser Miliz verbündete Rebellengruppe namens Syrische Nationale Armee als Werkzeug gegen die Kurden und zeigt sich dafür auf vielerlei Weise erkenntlich. Zudem berichtete die englischsprachige ukrainische Wochenzeitung „Kyiv Post“ über ukrainische Soldaten innerhalb der HTS. Diese sollen Spezialeinheiten des Militärgeheimdienstes HUR wie der Gruppe „Khimik“ angehören und in Syrien vor allem russische Kontingente bekämpfen.
Und dann wären da noch die USA, welche bereits seit dem Übergreifen des „Arabischen Frühlings“ auf Syrien im Jahre 2011 auf den Sturz von Assad hinarbeiteten. Der Grund hierfür lag vor allem im Bündnis des syrischen Gewaltherrschers mit Wladimir Putin. Denn dieses barg erhebliche strategische Risiken für die USA. So konnte die russische Marine eine große Flottenbasis in Tartus an der Mittelmeerküste Syriens errichten.
Des Weiteren nahm Putins Luftwaffe den Flughafen von Hmeimin bei Latakia in Beschlag, dessen Störsender und Raketenabwehrsysteme Reichweiten von 400 Kilometern haben. Deshalb unterstützte Washington syrische „Rebellen“, die gegen Assad kämpften, wobei es sich vielfach sogar um Islamisten handelte. Das hinderte die USA indes nicht daran, auch Waffen an Gotteskrieger zu liefern.
Die Folgen des Wiederauflebens des seit März 2011 dauernden syrischen Bürgerkrieges und Sturzes von Assad könnten dramatisch sein. Zwar ist es zu begrüßen, dass nach 50 Jahren die blutige Terrorherrschaft der Assad-Familie beendet ist, doch besteht zugleich die Möglichkeit, dass eine Welle der Gewalt ausbricht, weil zur bisherigen Opposition sehr unterschiedliche Kräfte gehören, die sich jetzt nur schwer werden einigen können. Auch ist völlig offen, wie sich der Anführer der HTS-Miliz, Muhammad al-Dschaulani, verhalten wird, wenngleich derzeit noch alles wider Erwarten geregelt abläuft.
Die Ruhe vor dem Sturm
Zum anderen droht eine neue Flüchtlingswelle. In Syrien leben viele Christen, Alawiten, Drusen, Jesiden und Schiiten, die ins Visier der sunnitisch-dschihadistischen HTS geraten könnten. Besonders stark dürfte die Lage eskalieren, wenn die Terrormiliz die volle Kontrolle über das Land erlangt, so wie die Taliban in Afghanistan. Derzeit befinden sich über fünf Millionen Syrer im Ausland, über eine Million in der Bundesrepublik. Diese Zahlen könnten demnächst deutlich steigen.