15.11.2025

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Auch dieses Foto von Fritz Krauskopf ist in der Ausstellung zu sehen: Thomas Mann in Nidden
bild: Fritz Krauskopf, Thomas Mann mit Familie vor seinem Haus, 1930 © ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf: Fritz Krauskopf / TMA_0203Auch dieses Foto von Fritz Krauskopf ist in der Ausstellung zu sehen: Thomas Mann in Nidden

Ostpreußisches Landesmuseum

Thomas Manns drei Sommer in Nidden

Kabinettausstellung zeigt Fotos von Fritz Krauskopf

Ute Eichler
15.11.2025

Wer kennt nicht die Möglichkeit und die Faszination, mit Hilfe von alten Fotografien in eine vergangene Welt einzutauchen, sich mit einem Bruchstück der Vergangenheit zu beschäftigen?

„Thomas Mann in Nidden. Fotografien von Fritz Krauskopf“, die neue Kabinettausstellung des Ostpreußischen Landesmuseums (OL) in Lüneburg, fordert mit Hilfe von 24 großformatigen Fotografien, fünf Gemälden, einem 1930 entstandenen Porträt und einer Vitrine mit ergänzendem Prospekt- und Bildmaterial die Besucher auf, sich mit den drei Sommeraufenthalten von Thomas Mann und seiner Familie in den Jahren 1930, 1931 und 1932 auf der Kurischen Nehrung, in Nidden, zu beschäftigen.

Das ausdrucksstarke Porträt, das Thomas Mann im Alter von 55 Jahren darstellt, entstand 1930 von einem Meister der Porträtkunst: dem gebürtigen Schlesier Heinrich Wolff, der in den Jahren zwischen 1902 und 1935 an der Kunstakademie Königsberg als Professor für Grafik tätig war.

Die Fotografien sind Fritz Krauskopf zu verdanken. Der 1882 in Rastenburg zur Welt Gekommene betrieb nach seiner Fotografenausbildung ab 1908 ein Atelier in Cranz, später auch in Königsberg (Steindamm 64). Seine Ansichtskarten mit Motiven aus ganz Ostpreußen erfreuen heute Sammler. Seine Fotografien, die Königsberg vor und nach der Zerstörung 1944 abbilden, haben einen hohen Bekanntheitsgrad. Unvergessen ist die im OL 2023 gezeigte Kabinettausstellung „Bilder von Königsberg – Blüte und Untergang“, mit der auch an den 1945 in Königsberg gestorbenen Fotografen erinnert wurde.

Krauskopf hatte freundlichen Kontakt zur Familie Thomas Mann, sodass im Sommer 1930 eine ganze Serie von Aufnahmen entstand. Sie lassen sich unterteilen in typische Nidden-Motive, in Schnappschüsse und in gestellt-repräsentative Fotografien.

24 großformatige Fotografien
Der Blick auf Purwin, das Gasthaus Hermann Blode, der Hafen von Nidden, die Ausfahrt der Kurenkähne, der Dampfer „Memel“ im Hafen von Nidden oder die Ankunft des Doppelschrauben-Motorschiffes „Kurisches Haff“ – das sind Fotomotive, die nicht nur einen Sommer Gültigkeit hatten.

Anders verhält es sich mit Momentaufnahmen, wie beispielsweise dem Ständchen, das litauische Jugendliche im Juli 1930 Thomas Mann vor dem Ferienhaus brachten, oder mit der Szene am Strand, auf der das Ehepaar Mann, fünf Kinder und auch die Ehefrau des Fotografen zu sehen sind.

Am 16. Juli 1930 waren Thomas und Katia Mann, zusammen mit ihren Kindern Monika (20), Michael (11) und Elisabeth (12) sowie einer Köchin und deren Sohn aus München über Berlin, Königsberg und Cranz nach Nidden gekommen. Vom Hafen wurden sie mit einer Kutsche zum rechtzeitig fertiggestellten Sommerhaus gefahren – unter Anteilnahme der Bevölkerung und der Sommergäste.

Die repräsentativen Aufnahmen, wie „Thomas Mann am Kamin“ (mit Brille), „Thomas Mann am Schreibtisch“, „Thomas Mann am Strand“, der „Italienblick“ oder „Villa Thomas Mann in Nidden“, auch „Onkel Toms Hütte“ genannt, sollen in den Sommern 1930, 1931 und 1932 als Fotokarten („Feldpostkarten“) von den Dorfkindern an die Badegäste verkauft worden sein.

Was war dem vorausgegangen? Thomas Mann hatte am 10. Dezember 1929 in Stockholm den Nobelpreis für Literatur verliehen bekommen, für seinen 28 Jahre zuvor erschienenen Roman „Buddenbrooks – Verfall einer Familie“. Mit dieser Ehrung war der Name des Schriftstellers, der bereits europaweit einen hohen Bekanntheitsgrad hatte, durch die internationale Presse gegangen.

Wenn auch leider häufig das Gegenteil behauptet wird, so haben der Erhalt des Literaturnobelpreises und der Plan zum Bau eines Feriendomizils in Nidden nichts miteinander zu tun. Thomas Mann hatte 1929 eine Einladung des Königsberger Goethebundes angenommen, im August desselben Jahres einen Vortrag in Ostpreußens Hauptstadt zu halten.

Mit ihren beiden jüngsten Kindern Michael und Elisabeth verlebten Katia und Thomas Mann um diesen Termin herum einige Ferienwochen an der Samlandküste im Kurhaus des Ostseebades Rauschen. Die letzten Ferientage verbrachten sie aufgrund einer Empfehlung im Gasthaus Hermann Blode in Nidden. Dort gefiel es ihnen tatsächlich so sehr, dass unter Mitwirkung des Künstlers Ernst Mollenhauer recht bald ein passendes Baugrundstück für ein Ferienhaus gefunden werden konnte.

Die die Fotografien ergänzenden Gemälde der Kabinettausstellung veranschaulichen, worin ein großer Unterschied zum Trubel des Ostseebades Rauschen bestand: Hier gab es die große Flotte der Kurenkähne, mit denen die Fischer das Haff befuhren. Hier, in Nidden, herrschte noch eine andere Ursprünglichkeit und Naturverbundenheit als in den Bädern der Ostseeküste. Die sommers in Nidden malenden Künstler Max Lindh, Alexander Kolde und Hans Kallmeyer bildeten auf den 1931, 1932 und 1933 entstandenen Gemälden die Kurenkähne (auch Keitelkähne genannt) ab. Die in Nidden ansässigen Maler Carl Knauf und Ernst Mollenhauer richteten ihren Blick in die (Dünen-)Landschaft.

Nochmals einer Empfehlung folgend wird der Auftrag zum Bau eines Sommerhauses für die Familie dem jungen Architekten Herbert Reissmann erteilt. Dieser, aus Kamenz gebürtig, ist nach seinem Abschluss an der Technischen Universität Dresden seit 1923 bei der Firma A. Nixdorf in Memel als „Hilfskraft für Entwurfsarbeiten“ tätig. Zwischen ihm und vor allem Katia Mann in München gehen die Entwürfe, der Bauplan und schließlich die Einrichtungsvorschläge für das Sommerhaus hin und her, bis alles zur Zufriedenheit der Auftraggeber innerhalb weniger Monate ausgeführt ist.

Fünf Gemälde und ein Porträt
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Reissmann in der sowjetischen Besatzungszone ansässig. Ab 1956 hatte er eine Professur mit Lehrauftrag für ländliches Bauen an der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar inne. Er starb 1961 im Alter von 66 Jahren. Ob es zwischen ihm und Thomas und Katia Mann 1949, als beide anlässlich des Goethejahres in Weimar weilten, oder 1953 dort zu einer Begegnung gekommen ist, ist nicht bekannt.

Bedauernswert ist, dass es in der Kabinettausstellung keinen Hinweis auf Thomas Manns Vortrag „Mein Sommerhaus“ gibt. Er hielt ihn bei der Zusammenkunft des Rotary Clubs München am 1. Dezember 1931. Im Sommer 2003 brachte das Thomas-Mann-Museum den Vortragstext als einfaches, gut lesbares Faltblatt heraus. Auch existiert seit 2009 eine Filmfassung, in welcher der Text von Thomas Manns Enkel Frido Mann gelesen wird. Zumindest als Hörstation hätte der Kurzfilm von Arvydas Barysas diese Ausstellung bereichert.

Thomas Mann hat in den drei Sommeraufenthalten in Nidden 1930, 1931 und 1932 versucht, zurückgezogen und seinen gewohnt strengen Tagesablauf zu leben. Allerdings gab er zahlreiche Interviews. So äußerte er am 15. August 1930 gegenüber dem Wiener Korrespondenten René Kraus: „Dieses kleine Nidden, gestern noch nicht viel mehr als ein kostbares, kleines Ausflugsziel zwischen Königsberg und Memel, ist heute ein literarischer Begriff.“ Sich diesem auf unübliche Weise zu nähern, dafür ist im Ostpreußischen Landesmuseum noch bis einschließlich 4. Januar 2026 Gelegenheit. Auch enthält das umfangreiche Veranstaltungsprogramm des Museums für den Rest des Jahres noch einige Vorträge, die sich auf Nidden beziehungsweise Thomas Mann beziehen (www.ostpreussisches-landesmuseum.de/besuch/veranstaltungen/).

Ostpreußisches Landesmuseum mit Deutschbaltischer Abteilung, Heiligengeiststraße 38, 21335 Lüneburg, Telefon (04131)
75995-0, E-Mail: info@ol-lg.de


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