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Munitionsaltlasten

Tickende Zeitbomben in Brandenburg

Explosionsgefahr bei Waldbränden – Bergung der Kriegshinterlassenschaften ist eine Jahrhundertaufgabe

Hermann Müller
18.06.2023

Ausgedehnte Kiefernwälder, trockene Sandböden und wenig Niederschläge sind der verhängnisvolle Mix, der jedes Jahr zu Hunderten Waldbränden in der Mark Brandenburg führt. In keinem anderen Bundesland brennen Wälder so oft wie dort. Gut ein Drittel aller Waldbrände in Deutschland wird in der Mark registriert. Verschärfend kommt hinzu: Brandenburg ist auch das Bundesland, das am stärksten mit Altmunition belastet ist. Fast 290.000 Hektar der insgesamt knapp über eine Million Hektar großen Waldfläche Brandenburgs gelten als munitionsbelastet.

Wie brisant dieser Mix aus hoher Waldbrandgefahr und Altmunition in den Böden ist, zeigte sich vor Kurzem wieder in der Region um Jüterbog, südlich von Berlin. Anfang Juni brach dort auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz ein Waldbrand aus, der sich über Tage auf Hunderte Hektar ausbreitete.

Das betroffene Gelände diente bereits in der Kaiserzeit als Manövergebiet, später folgten Reichswehr, Wehrmacht und Sowjetarmee. Folge der jahrzehntelangen militärischen Nutzung sind Bomben und Granaten, die überall im Boden liegen. Bricht ein Waldbrand aus, dann können Feuerwehrleute wegen der Explosionsgefahr nur von einigen speziell geschaffenen Wegen aus den Brand löschen. Bereits 2019 war es in der Region Jüterbog zu einem verheerenden Großfeuer gekommen, bei dem am Ende 744 Hektar Wald brannten.

Als Reaktion auf diesen Waldbrand wurden neue Löschwasserbrunnen gebaut und Waldbrandschneisen gepflegt. Weiterhin ungelöst ist allerdings das Problem der Altmunition im Boden. Die Stiftung Naturlandschaften, Eigentümerin des Waldareals, das Anfang Juni bei Jüterbog in Brand geratenen ist, schätzt, dass die Entfernung der Munition aus dem Areal mindestens eine viertel Milliarde Euro kosten würde.

Bund zahlt nur für Beseitigung deutscher Munition
Grundsätzlich gilt noch immer die Regelung, dass der Bund nur für die Bergung deutscher Munition aufkommt. Werden Munitionsaltlasten der Alliierten gefunden, etwa Fliegerbomben aus dem Weltkrieg, müssen die Kommunen oder das Land zahlen. Versuche Brandenburgs, zusammen mit Niedersachsen, den Bund generell und dauerhaft an ihren Kosten der Munitionsbeseitigung zu beteiligen, sind bislang nicht erfolgreich gewesen.

Der Bund war bislang nur bereit, sich nur in einem begrenzten Umfang zu beteiligen. Im Jahr 2019 stellte die Regierung den Ländern einmalig insgesamt 60 Millionen Euro für die Beseitigung alliierter Munition in Deutschland zur Verfügung. Dieser Sondertopf ist mittlerweile leer.

Die Bereitschaft, den Bundesländern nochmals Kosten abzunehmen, dürfte sich in Berlin in Grenzen halten. Auf den Bund kommen nämlich durch die Bergung von Weltkriegsmunition aus Nord- und Ostsee ohnehin hohe Kosten zu. Dieses Altlastenproblem ist so massiv, dass der SPD-Bundestagsabgeordnete Daniel Schneider die Bergung der versenkten Munition als „Jahrhundertaufgabe“ bezeichnet hat.

Experten von Bund und Ländern haben bereits 2011 einen Bericht veröffentlich, demzufolge allein in deutschen Hoheitsgewässern 1,6 Millionen Tonnen Munition auf dem Meeresboden vor sich hin rosten. Nach offiziellen Schätzungen liegen allein in der deutschen Nordsee rund 1,3 Millionen Tonnen Munition aus den beiden Weltkriegen. In der Ostsee sind die Lübecker Bucht und die Kieler Außenförde besonders betroffen. Das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung geht davon aus, dass auf dem Boden der Ostsee auch noch etwa 40.000 Tonnen chemische Kampfstoffe liegen.

Die Gefahr, die von der versenkten Munition ausgeht, nimmt nicht ab, sondern sie wird größer. Nach Jahrzehnten korrodieren die Sprengstoffhüllen immer stärker. Damit steigt die Gefahr, dass Giftstoffe ins Meerwasser und über die Fische auch in die Nahrungskette des Menschen gelangen. Zur Munitionsbergung stellt der Bund nun bis 2025 immerhin 100 Millionen Euro zur Verfügung. Mit dem Geld soll eine Bergungsplattform für die Ostsee gebaut werden.

Bergungsplattform für die Ostsee
Bei einem Treffen des Ostseerats in Wismar verständigten sich Anrainerstaaten zudem darauf, auch privatwirtschaftliche Investoren an den Kosten von Munitionsbergungen zu beteiligen. Im Blick haben die Anrainerländer der Ostsee dabei vor allem Unternehmen, die Windenergieanlagen im Meer bauen wollen. Im Gegenzug für die Nutzung der jeweiligen Fläche sollen die Investoren für die Räumung von Minen und anderen Kampfstoffen aufkommen, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock.

Die Grünen-Politikerin erklärte, dies sei auch für wirtschaftlich schwächere Staaten eine „große Chance“. Bei konkreten Zusagen für finanzschwächere Ostsee-Anrainerstaaten hielt sich Baerbock allerdings zurück. Sie führte fort, trotz des gemeinsamen Interesses sei jedoch jeder Staat für seine Hoheitsgewässer selbst zuständig.


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Kommentare

Dr. Dr. Hans-Joachim Kucharski am 29.06.23, 08:36 Uhr

Nachtrag zu 26.6.:
Der Truppenübungsplatz war während des Krieges noch nicht munitionsbelastet: Er wurde (von uns) auch als Schulsportplatz genutzt, und wir mußten dort Heilkräuter (Birkenblätter, Schachtelhalm, Scharfgabe, Heidekraut) sammeln. Wenn der Platz nicht durch die NVA genutzt wurde, können „tickende Zeitbomben“ also nur von der russischen Armee verursacht worden sein.
Zum Thema „Jüterbog“ wäre noch mehr zu sagen (Stichworte bspw.: moral bombing, mittelalterliches Gepräge in Jüterbog I)

Dr. Dr. Hans-Joachim Kucharski am 26.06.23, 13:43 Uhr

„Fliegerbomben aus dem Weltkrieg“ kann es auf dem Jüterboger Truppenübungsplatz kaum geben, denn, wie erinnerlich, fielen, trotz der vier Kasernen in Jüterbog II und der zwei Fliegerhorste in der Nähe, nur einmal – eher versehentlich – ein paar Bomben, und das nicht auf dem Truppenübungsplatz, sondern in Nähe der inzwischen abgerissenen „Millionenbrücke“.

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