Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Alle Jahre wieder erklingen schmetternde Trompetenrufe tausender Kraniche und der Gesang der Wildgänse und Singschwäne
Flieg, Vogel, flieg! Und schon sind sie wieder da, die Zugvögel aus Skandinavien und dem Baltikum. Sie versammeln sich alljährlich an der vorpommerschen Küste zwischen Darß und Stettiner Haff zur großen Herbstrast.
Allen voran bestimmen abertausende Kraniche das Bild an den Bodden und Buchten sowie auf den Feldern im Hinterland. Sie erfüllen die eher ruhige Herbststimmung in diesem Landstrich mit Kilometer weit zu hörendem Getröte, das sich häufig mit dem Krakeelen zahlloser nordischer Wildgansscharen mischt. Fallen dann noch die Schalmaienchöre der Singschwäne mit ein, ist das visuelle und phonetische Schauspiel perfekt. Es sucht seinesgleichen und zieht deshalb Natururlauber vor allem aus Süddeutschland an, wo es solche Auftritte nicht gibt. Kraniche avancieren zu den Lieblingsvögeln der Touristen, die das Geschehen aus respektvoller Distanz mit Ferngläsern und Teleobjektiv bewehrten Kameras verfolgen.
Die Tagesstunden verbringen die hungrigen Großvögel vor allem auf abgeernteten Äckern, um sich an zurückgebliebenem Erntegut zu bedienen. Auch wenn in den vergangenen milden Wintern manche Trupps kraftsparend im Lande blieben, führt sie der Herbstzug im Normalfall immerhin über Westeuropa bis nach Südspanien. Eine solche Wegstrecke kostet Energie. Die bäuerlichen Gratisgaben werden deshalb rigoros genutzt, um sich Reserven anzufüttern.
Wer die meist eifrig pickenden Herbstgäste in so großer Zahl beobachtet, meint mitunter zwar, dass nach einigen Tagen jedes Maiskorn, jedes Wurmgetier aufgepickt sein müsste, doch finden die stochernden Schnäbel immer wieder neue Nahrung. Zum Ärger betroffener Landwirte, denn die einen Meter großen Vögel beschränken sich keineswegs auf Ernterückstände, sie machen sich auch über frisch bestellte Wintersaaten her. Der Staat gewährt jedoch je nach Umfang der Schäden einen finanziellen Ausgleich.
In der Dämmerung fliegen sie satt, guter Dinge und grandiose Rufkonzerte aufführend direkt an den Küsten ein, wo sie im seichten Wasser stehend, aber doch schlafend die Nächte verbringen. Raubtiere, etwa Füchse, können ihnen dort nichts anhaben. Die viele Kilometer weiten, für Kraniche sicheren Flachwasserzonen und das günstige Nahrungsangebot sind Gründe für die Nordländer, sich an der vorpommerschen Küste in solchen Mengen einzufinden. Allerdings sind auch aus dem Binnenland bemerkenswerte Ansammlungen bekannt, etwa an der unteren Peene bei Anklam, der Trebel- und Peeneniederung unweit der Stadt Demmin sowie an der Müritz.
In Groß Mohrdorf, nordwestlich von Stralsund gelegen, befindet sich seit 1996 das Kranichzentrum des Naturschutzbundes, in dem die Arbeitsgemeinschaft Kranichschutz ihren Sitz hat. Hier beobachten, analysieren und dokumentieren die Wissenschaftler unter anderem das gesamte Zuggeschehen, das durchaus Veränderungen unterliegt. Auch wird mit vielen ehrenamtlichen Helfern die Entwicklung der heimischen und der bundesweiten Brutpopulationen erfasst. Das Zentrum widmet sich zudem der internationalen Forschung, betreibt Öffentlichkeitsarbeit und bietet Führungen zu attraktiven Aussichtspunkten an der nur zwei Kilometer entfernten Boddenküste an.
Wie steht es eigentlich um die Situation der heimischen Brutkraniche im Nordosten Deutschlands? Die Vögel wählen gern möglichst störungsfreie Sümpfe, Brüche und Moore als Fortpflanzungsstätten. Der Stettiner Ornithologe Paul Robin bezeichnete Kraniche in den 1920er Jahren für Vorpommern als eher selten vorkommend. Später, so um 1970, bezifferten Ornithologen den Bestand im heutigen Mecklenburg-Vorpommern allerdings schon auf etwa 300 Paare, womit sich tatsächlich eine positive Tendenz abzeichnete, die in ihrer Intensität kaum jemand unter den Fachleuten für möglich hielt. Gegenwärtig geht man im nordöstlichen Bundesland von einem Brutbestand von sage und schreibe mindestens 5000 Paaren aus. Eine Größenordnung, die nicht annähernd von den Nachbarländern erreicht wird. Die Art hat sich damit zwischen Elbe und Oder zu einem wahren Charaktervogel gemausert.
Ihre Zahl nimmt aber auch in anderen Teilen Deutschlands allmählich zu. Nach Angaben des Kranichzentrums kommen dem Wert von Mecklenburg-Vorpommern am nächsten Brandenburg mit etwa 3300 Paaren und Niedersachsen mit 2000. Sachsen-Anhalt mit knapp 1000, Schleswig-Holstein mit 550 und Sachsen mit knapp 400 Brutpaaren holen inzwischen ebenfalls auf. Der Südwesten Deutschlands gilt dagegen noch als kranichfrei.
NABU-Kranichzentrum: www.kraniche.de