16.07.2025

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Und dem nächsten grünen Herzensprojekt droht das Aus: „Bye-bye H₂“ tönt es aus der Automobilwirtschaft
Bild: shutterstock.comUnd dem nächsten grünen Herzensprojekt droht das Aus: „Bye-bye H₂“ tönt es aus der Automobilwirtschaft

Große Ernüchterung

Tod des Wasserstoffautos

Allein 2025 wurden bisher nur acht Fahrzeuge mit H₂-Antrieb zugelassen

Hagen Ritter
15.07.2025

Trotz zugesagter Fördergelder in Höhe von 1,3 Milliarden Euro hat der Stahlhersteller ArcelorMittal vor Kurzem seine Pläne gestoppt, seine Werke in Bremen und Eisenhüttenstadt auf „grünen“ Wasserstoff umzustellen. Die Absage des Konzerns, hierzulande eine Stahlproduktion aufzubauen, bei der statt fossiler Energieträger Wasserstoff eingesetzt wird, kam überraschend. Bei einem anderen Wasserstoffprojekt ist dagegen zunehmend ein schleichendes Scheitern zu beobachten.

Autos mit Wasserstoff-Brennstoffzellen als Antrieb galten in der Autoindustrie und auch in der Politik jahrelang als Hoffnungsträger für eine emissionsfreie Mobilität. Inzwischen schwindet aber unübersehbar das Interesse. Wie das „Handelsblatt“ Ende Juni berichtete, werden überall in Deutschland Wasserstofftankstellen geschlossen. Laut dem Bericht sind seit Jahresanfang bis Ende Juli 22 Tankstellen für Wasserstofffahrzeuge geschlossen worden: „Von einst fast 100 sind nur noch 69 in Betrieb, jederzeit kann eine weitere für immer gesperrt werden“, so das „Handelsblatt“. Der Grund ist einfach und einleuchtend: Der Betrieb einer solchen Tankstelle lohnt sich schlicht weg nicht. Zum Vergleich: Bundesweit existieren rund 14.400 Tankstellen, die Benzin, Diesel und Autogas anbieten und denen geht es wirtschaftlich gut.

Weit hinter den Erwartungen
H₂-Mobility, Europas größter Betreiber von Wasserstofftankstellen, reagiert mit der Schließung von Standorten in Deutschland auf eine längere Entwicklung. Zum Teil sind die Tankstellen bereits vor rund zehn Jahren aufgebaut worden, sodass mittlerweile Modernisierungsbedarf besteht. Auf der anderen Seite ist aber die Nachfrage nach Wasserstoff weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Personenkraftwagen mit dieser speziellen Brennstoffzellentechnik sind ein zu guter Letzt dann doch ein Nischenprodukt geblieben.

Laut einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hatten zum Jahresbeginn von über 49 Millionen hierzulande zugelassenen Autos nur etwa 1800 eine Wasserstoff-Brennstoffzelle. Im ersten Quartal 2025 wurden lediglich acht neue Modelle mit dieser Antriebstechnik neu zugelassen.

Die geringe Nachfrage nach Wasserstoff trifft zudem auf hohe technische Anforderungen an die Tankstellen. Personenwagen tanken den Wasserstoff mit einem Druck von 700 bar. Lkw, Busse und andere schwere Nutzfahrzeuge tanken zwar den gleichen Wasserstoff, aber mit einem Druck von 350 bar. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Reifendruck für Pkw liegt in der Regel zwischen zwei und drei bar. H₂ Mobility musste zudem feststellen, dass ein Teil der älteren Wasserstofftankstellen baulich gar nicht von schweren Nutzfahrzeugen angefahren werden kann. Angesichts der geringen Zulassungszahlen von Pkw mit Brennstoffzelle sind aber schwere Nutzfahrzeuge mittlerweile die wichtigsten Kunden für die Wasserstofftankstellen – und demnächst wohl auch die einzigen. Folgerichtig hat H₂ Mobility angekündigt, sich in Zukunft vor allem auf die Versorgung von Nutzfahrzeugen konzentrieren zu wollen.

Kosten verhindern Durchbruch
An der geringen Bedeutung von Brennstoffzellen-Pkw wird sich auf absehbare Zeit auch nichts ändern. Fast alle deutschen Autobauer haben ihre Pläne, Wasserstoff-Autos in Serie zu produzieren, mittlerweile wieder aufgegeben. Von den deutschen Autobauern hält einzig noch BMW an Plänen zur Serienfertigung von Wasserstoff-Pkw fest. Der bayerische Hersteller will in Kooperation mit dem japanischen Autobauer Toyota ab dem Jahr 2028 ein Serienfahrzeug mit Brennstoffzellenantrieb auf den Markt bringen. Das Fahrzeug soll auf der bereits hinreichend erprobten Technologie des BMW iX5 Hydrogen basieren.

Die Technik der Wasserstoffautos ist zwar ausgereift, allerdings verhindern hohe Kosten den Durchbruch. Gleichzeitig sind die Preise für E-Autos mit Batterie in den letzten Jahren gesunken, zeitweise hat der Staat den Kauf solcher E-Fahrzeuge sogar noch subventioniert. Wasserstoffautos kosten häufig noch immer 70.000 Euro oder mehr, der durchschnittliche Anschaffungspreis für ein Elektroauto lag in Deutschland 2024 bei etwas über 56.000 Euro. Als Michael Rath, der Leiter Wasserstofffahrzeuge bei BMW, den Plan zur Serienproduktion vergangenes Jahr vorstellte, sprach er davon, 2028 sei der richtige Zeitpunkt dafür, da sich bis dahin auch die nötige Infrastruktur deutlich weiterentwickelt habe.

Der Konzern selbst kündigte 2024 noch an, nicht selbst in großem Maßstab Infrastruktur für die Betankung von Wasserstofffahrzeugen aufbauen zu wollen. Der Rückbau des ohnehin dünnen Netzes von Wasserstofftankstellen könnte diesen Plan nun total obsolet werden lassen.


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