03.08.2025

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Verzweiflung eines scheiternden politischen Milieus: Die Rufe nach einem Verbot der AfD
Bild: picture alliance/dpa | Fabian SommerVerzweiflung eines scheiternden politischen Milieus: Die Rufe nach einem Verbot der AfD

Töricht weiter auf dem Weg nach unten

Seit Jahren erleben die etablierten Parteien in Form der AfD ihr blaues Wunder. Doch anstatt sich damit zu befassen, warum ihnen die Wähler die Zustimmung verweigern und entsprechend die eigene Politik zu ändern, setzen sie ihren Kurs unbeirrbar fort

Werner J. Patzelt
03.08.2025

Was will man machen, wenn ein Trinker nicht von der Flasche lassen mag, obwohl er sich absehbar zugrunderichtet – und man ihm doch nichts Böses will, wenn man vom Fusel abrät? Ungefähr so geht es Leuten, die die etablierten Parteien seit vielen Jahren vor Torheiten beim Umgang mit der AfD warnen.

Töricht war es, Sorgen um finanzielle und wirtschaftliche Verwerfungen innerhalb der Euro-Zone als Gespensterseherei abzutun. Gewiss, Griechenland ist inzwischen wieder auf gutem Kurs. Doch der wurde ihm aufgezwungen – gerade von Deutschland, dessen Koalitions- und (!) meisten Oppositionsparteien sich inzwischen daran machen, Griechenlands einstige Fehler zu wiederholen: lustvolle Schuldenmacherei, um nicht dort sparen zu müssen, wo es weh tut. Doch wer könnte Deutschland auf einen vernünftigen Kurs zurückzwingen, wenn seine etablierte Politikerschaft diesen einfach nicht mehr fahren will?

Töricht war es, Warnungen vor den Folgen unkontrollierter Masseneinwanderung nach Deutschland auch dann noch in den Wind zu schlagen, als unübersehbar vor allem junge, niedrig qualifizierte Männer kamen, doch kaum jene Ärzte und Pflegekräfte, die den Wählern doch zur Sanierung unseres Gesundheitssystems in Aussicht gestellt worden waren – und noch weniger von jenen Ingenieuren, die als Gegengewicht zum deutschen Akademikerproletariat unsere Wirtschaftskraft gewährleisten sollten.

Das törichte Ignorieren der Lage
Töricht war es, das bald sich einstellende Empfinden, unsere Sicherheitslage habe sich verschlechtert, auch dann noch als Ausdruck von Rassismus hinzustellen, als Messerstechereien und sexuelle Belästigungen sich sogar in der Polizeistatistik niederschlugen – freilich erst, nachdem man diese um früher unnötige Tatbestände erweitert hatte und sich aufraffte, die Prozentanteile von erst kürzlich zu uns gekommenen Tätern mit denen von „länger schon im Land Lebenden“ zu vergleichen.

Töricht war es, sich nicht öffentlich auf unseren bislang dafür üblichen Debattenforen mit denen inhaltlich auseinanderzusetzen, welche die Sicht-, Denk- und Bewertungsweisen der damaligen Mehrheit im Land bestritten, sondern so zu tun, als verflüchtigten sich die Themen und Positionen von Protestorganisationen wie PEGIDA und AfD, wenn man sie nur lange genug wie näherer Beachtung nicht wert behandelte.

Töricht war das Kleinreden dessen, dass die Zuwanderung von Millionen überwiegend in unsere Sozialsysteme erfolgt, die ihrerseits – trotz mancher Integrationserfolge – vor allem von den länger schon im Land Lebenden finanziert werden. Oder dass der allseits gefühlte Mangel an bezahlbarem Wohnraum damit zu tun haben mag, dass nun lange schon jährlich „mehr als eine Großstadt einwandert“, also mehr als – „nur“ – hunderttausend Leute, für welche die erforderliche Infrastruktur erst einmal geschaffen und immer wieder erweitert werden muss. Könnte es gar sein, dass diese Gelder nun für unser Bildungssystem oder sonstige wichtige Staatsaufgaben fehlen? Und dass dies den Leuten auch nicht verborgen bleibt? Und sie deshalb die Vernunft auf ihrer Seite fühlen, wenn sie die für solche Politik verantwortlichen Parteien abwählen?

Töricht waren auch Warnungen dahingehend, man dürfe niemals Diagnosen der AfD übernehmen, sondern müsse ihnen alternative Deutungen entgegensetzen. Doch es hängt der Wert einer Diagnose nicht davon ab, ob sie einem gefällt, sondern allein davon, ob sie zutrifft und womöglich sogar zielführende Therapien anleiten kann. Wenn also die AfD erklärt, Deutschlands Energiewende gefährde die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes als Wirtschaftsstandort: Ist es dann wirklich die klügste Reaktion, noch mehr Windräder aufzustellen oder durch teure Subventionspolitik dasjenige auszugleichen, was man durch fehlerhafte Sachpolitik überhaupt erst zum Problem gemacht hat?

Der Ausweg der Wähler
Und töricht ist es erst recht, den Leuten im Land einreden zu wollen, das alles sei ganz einfach so gekommen und lasse sich jetzt auch nicht mehr ändern. So gut wie alles, was sich wirkungsvoll unternehmen ließe, wäre entweder mit der deutschen oder der europäischen Rechtslage unvereinbar; und ihrerseits die Rechtslage ändern zu wollen, widerspräche schlicht europäischen Werten oder den Geboten der Menschlichkeit. Ganz ernsthaft mutet ein Großteil unserer Politikerschaft den Leuten im Land als lächerliche Kindereinsicht zu: Recht geschieht uns, wenn wir frieren – denn niemand gibt uns Handschuhe.

Irgendwann liegt dann der Entschluss nahe, sich selbst nach welchen umzusehen. In einer auf Parteienkonkurrenz gegründeten Demokratie meint das: Man sucht sich neue Parteien, die den etablierten Parteien ihr gewohntes Spiel verderben. Gerade so entstand vor über einem Jahrzehnt die AfD, und gerade so wächst sie seither von Jahr zu Jahr – abgesehen von kleineren Dellen demoskopisch gemessener Unterstützung, wie sie innerparteiliche Führungskonflikte stets nach sich ziehen. Inzwischen hat die AfD im Osten der Republik jede andere Partei weit überholt und geht in dortigen Landtagen auf absolute Mehrheiten zu. Bundesweit liegt sie immerhin gleichauf mit der Union.

Nimmt in den etablierten Parteien wohl allmählich die Einsicht zu, dass eben die eigene Politik während des letzten Jahrzehnts die AfD großgemacht hat? Dass man es vielleicht besser unterlassen hätte, an so vielen – und auch unüberhörbar lauten – Willensbekundungen aus den Reihen der Bevölkerung schlicht vorbeizuregieren? Und dass es besonders töricht war, einen Großteil der alltäglichen Leistungsträger lustvoll immer weiter zu provozieren, nämlich nach dem Muster: „Wenn ihr dies und das nicht wollt, dann machen wir es erst recht – bis ihr euch dem von uns bestimmten Schicksal ergebt!“ Also: bis ihr endlich eine bunte Gesellschaft seid, in der so etwas wie eine deutsche Kultur – nach Ansicht von Linksgrünen ohnehin nicht vorhanden – keine Rolle mehr spielt.

Wie herrlich schön dieses Land dann werden wird, das erleben Lehrerinnen und Lehrer jetzt schon täglich an ihren Schulen. Und was im Land der Shoah möglich wird, wenn eine Mehrheit sich nicht mehr der Pflicht von Deutschen stellt, jeglicher Form von Judenhass als wahrscheinlicher Wegweisung hin zum Holocaust entgegenzutreten, das führen die längst regelmäßigen Anti-Israel-Demonstrationen vor Augen, desgleichen der sich human dünkende „Antizionismus“ an deutschen Universitäten.

Das „Haltung zeigen“ der Verkniffenen und Vernagelten
Und was fällt der Speerspitze unserer ewig Guten und stets „anständig Gebliebenen“ im Lande dazu ein? Also den Grünen und Linken? Sie hoffen auf das Verschwinden unserer Kulturkämpfe und innenpolitischen Polarisierung dank eines Verbots der AfD! Natürlich muss man dazu erst einmal die Richterschaft am Bundesverfassungsgericht hin zu einer „richtigen“ Mehrheit verändern – also in etwa so, wie man bereits die Ämter für Verfassungsschutz „auf Linie gebracht“ hat. Die nämlich scheinen sich weniger für den Schutz unserer Verfassung gegen eine Re-Autoritarisierung des Staats im Dienst von Gutmenschen einzusetzen als vielmehr für die Bekämpfung unangenehmer politischer Rivalen. Wie töricht muss man auch sein, um nur eine Minute lang zu glauben, die revolutionserfahrene Bevölkerung Ostdeutschlands würde es tatenlos hinnehmen, wenn nach der politisch gewollten Entziehung der AfD-Mandate in fast allen deutschen Parlamenten Rot-Grün die absolute Mehrheit hätte! Und wie unverzeihlich dumm ist es, seine Verbotsforderungen nicht erst einmal bis zu diesem Ende zu durchdenken – wenn es einem schon egal ist, dass auch das jüngste „tausendseitige Gutachten“ des Verfassungsschutzes durchaus nicht nachgewiesen hat, es gehe die AfD auf die Beseitigung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung aus.

Oder kommt es unserer Politikerschaft, die in manchen politischen Spektren großenteils aus Leuten mit abgebrochenem Studium oder gar keiner Ausbildung besteht, ohnehin nicht darauf an, was wirklich der Fall ist? Und welche Wirkungszusammenhänge tatsächlich bestehen? Die zwar Angst hegen vor einem Klimawandel, der den Deutschen auch zu Hause solche Temperaturen beschert, deretwegen sie jahrzehntelang zum Urlaub „in den Süden“ fuhren, doch die keinerlei Sorgen darüber hinnehmen wollen, wie viel gesellschaftlichen und kulturellen Wandel unsere Gesellschaft ohne große Begleitschäden aushalten kann – und ab welchem Grad an Gängelung, Bürokratiepflichten und Besteuerung wir unsere Wirtschaft ruinieren. Denen es anscheinend auch weniger darauf ankommt, ihre Ziele – etwa: eine friedliche, freundliche, froh feiernde Gesellschaft – wirklich zu erreichen, als unbedingt „Haltung zeigen“ zu wollen. Leider ist das meist die Haltung von Verkniffenen und Vernagelten, von Arroganten und von Aggressiven.

Solche Leute werden eine Demokratie ganz gewiss nicht retten können, in der die Mehrheit der Bürger sich sachlich fehlerhaft regiert empfindet und das Land samt seinen Leuten in eine Richtung getrieben fühlt, die Widerwillen auslöst. Wem nützt es eigentlich, dass Homosexuelle nicht nur – wie es sich gehört – geachtet und mit Freundschaft bedacht werden, sondern wenn man obendrein glauben soll, dass es ohnehin keine anderen als rein willkürlich fabrizierte Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt? Oder dass Europas Christentum außer Scheiterhaufen, der Unterdrückung von Frauen und dem Missbrauch von Jugendlichen durch Priester gar nichts geleistet habe? Dass unser Land gar besser werde, wenn Muslime ihren Glauben hier nicht nur praktizierten, sondern mit ihm auch die Öffentlichkeit so prägen könnten wie einst das Christentum?

Was wirklich helfen würde
Verlieren wir uns da wohl in Nebensächlichkeiten? Wer das glaubt, der soll das Gespräch mit „Woken“ suchen oder deren Meinungsbekundungen einfach zuhören. Und anschließend sich die Frage stellen: Mit welchen Parteien geht Deutschland weiterhin den Weg in eine genau solche kulturelle und gesellschaftliche, auch wirtschaftliche und politische Zukunft? Natürlich darf jeder seine eigene Antwort haben. Doch klar ist: Den Aufstieg der AfD versteht nur, wer sich die Größe jenes Personenkreises klarmacht, der die umrissenen Sorgen und die beschriebene Empörung teilt. Und Gutes für unser Land tut anschließend nur, wer die Ursachen jener Sorgen und Empörungsbereitschaft endlich kleinarbeitet, anstatt sie immer nur kleinzureden.

Prof. Dr. Werner J. Patzelt war von 1991 bis 2019 Inhaber des Lehrstuhls für Politische Systeme und Systemvergleich an der TU Dresden und ist derzeit Forschungsdirektor des Mathias Corvinus Collegiums in Brüssel. Zu seinen Werken gehören „Ungarn verstehen“ (2023) und – soeben erschienen – „Deutschlands blaues Wunder. Die AfD und der Populismus“ (beide Langen Müller). www.wjpatzelt.de 


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