10.10.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Nordböhmen

Tour zum „Enthaupteten Major“

Bizarre Felsformationen auf der tschechischen Seite des Elbsandsteingebirges – Ein winterlicher Ausflug in die Böhmische Schweiz

Wolfgang Kaufmann
03.02.2024

Die Sächsische Schweiz, also der deutsche Teil des rund 700 Quadratkilometer großen Elbsandsteingebirges, hat in den letzten zehn Jahren erheblich an Attraktivität verloren. Das resultiert unter anderem aus der Vielzahl der gesperrten oder wegen Totholz unpassierbar gewordenen Wege sowie dem erbärmlichen Anblick der sterbenden Fichtenplantagen im Nationalpark Hintere Sächsische Schweiz rund um den Großen und Kleinen Winterberg. Dazu kommt die Gängelung der Besucher durch oft nicht mehr nachvollziehbare Einschränkungen beziehungsweise Vorschriften. Ganz abgesehen davon, dass die unkomplizierter zu erlebenden Teile des Gebirges stark überlaufen sind. Vor diesem Hintergrund lohnt ein winterlicher Blick über die Grenze nach Tschechien, wo sich das Elbsandsteingebirge in der Böhmischen Schweiz fortsetzt.

Diese geriet im Sommer 2022 in die Schlagzeilen, weil in der Nähe des Prebischtores ein großer Waldbrand ausbrach, der dann wegen des Funkenfluges auch auf die deutsche Seite übergriff. Es traf auch das wichtigste Wahrzeichen der Böhmischen Schweiz. Die natürliche Felsbrücke aus Sandstein mit einer Spannweite von fast 27 Metern ist die größte ihrer Art in Europa und das Ziel zahlloser Besucher, welche in einem steten Strom von Herrnskretschen hinaufpilgern. Insofern gleicht das „Naturerlebnis“ dem auf der übervölkerten Bastei oberhalb des bundesdeutschen Kurortes Rathen.

Hiermit erschöpfen sich die Ähnlichkeiten aber auch schon, denn nur wenige Meter weiter führt der Gabrielensteig unter den beeindruckenden Felstürmen des Großen Prebischkegels, Zuckerhutes und Becksteins durch eine wesentlich weniger frequentierte Landschaft. Leider hat der Waldbrand auch in dieser gewütet. Allerdings bemüht sich die tschechische Nationalparkverwaltung um eine möglichst schnelle Wiederfreigabe des einzigartigen Weges – und Versprechen solcher Art wurden in der Vergangenheit stets eingehalten.

Inzwischen ist es erneut uneingeschränkt möglich, die benachbarte Felsenwelt von Dittersbach und Hohenleipa zu erkunden. Dort warten unter anderem der Marienfelsen und der Rudolfsstein sowie die Burgruinen Schauenstein und Falkenstein auf Besucher. Ein Erlebnis der besonderen Art bietet der extrem steile und mit einigen spannenden Engstellen versehene Leiteraufstieg auf den Schauenstein, zumal auch die Aussicht von der Befestigungsanlage aus dem 14. Jahrhundert auf den nahebei liegenden Basalthügel des Rosenberges und das in der Ferne aufragende Lausitzer Gebirge phänomenal ist.

Ähnlich lohnenswerte Ziele wie auf der rechtselbischen Seite finden sich links des Flusses. Dort ragt der sogar von Dresden aus sichtbare Hohe Schneeberg auf, welcher mit seinen 723 Metern über Normalnull die höchste Erhebung des gesamten Elbsandsteingebirges darstellt und einen fast alpinen Panoramablick in alle vier Himmelsrichtungen erlaubt – wobei die zahlreichen früheren Vulkankegel im angrenzenden Böhmischen Mittelgebirge und der bei klarem Winterwetter sichtbare Kamm des Riesengebirges die tiefsten Eindrücke hinterlassen.

Im „Stiefel des Napoleon“
Ansonsten fällt auch angenehm auf, dass hier kein „Fichtenmikado“ die Wege versperrt, weil nach dem Waldsterben der 1980er Jahre infolge der Schwefeldioxid-Emissionen der nordböhmischen Braunkohlekraftwerke mit Bedacht aufgeforstet wurde. Statt kränklicher Nadelbäume wachsen auf dem Tafelberg, dessen markanter steinerner Aussichtsturm ab 1864 als Hauptorientierungspunkt für die Landvermesser in Sachsen, Preußen und Österreich-Ungarn diente, jetzt vor allem kerngesunde Birken und Ebereschen.

Unweit des Hohen Schneeberges liegt das ungemein vielgestaltige Sandsteinlabyrinth von Tyssa, durch das ein Rundweg führt, in dessen Verlauf solch bizarre Gebilde wie der „Hagere Doktor“, „Enthauptete Major“ und „Stiefel des Napoleon“ zu bestaunen sind. Dafür lohnt es sich, am Kassenhäuschen zwischen Januskopf und Elefant ein paar Tschechische Kronen Eintritt zu entrichten, zumal es dann auch noch eine Karte gibt, welche die Orientierung erleichtert und die Namen aller 75 Felsobjekte verrät.

Ein sehenswerter kleinerer Zwilling der Tyssaer Wände kann nahe der zwei Kilometer weiter nördlich gelegenen winzigen Ortschaft Raitza an der Grenze zur Bundesrepublik besucht werden. Dorthin verirren sich nur wenige Touristen, während die Kletterer die Herausforderungen am Falkenturm und Ameisenturm suchen, die zu den anspruchsvollsten Gipfeln der gesamten Böhmischen Schweiz zählen.

Das Himmelreich von Eiland
Auf dem Weg von Tyssa nach Rajtza passiert man dabei unter anderem auch die Reste des Neuberturms in den Bürschlitz­wänden, der 1981 aufgrund der Felsverwitterung zusammenstürzte und ein kleines Erdbeben in der Umgebung auslöste.

Das schönste Kleinod der Böhmischen Schweiz ist das Gebiet von Eiland [Ostrov u Tisé] in der Verlängerung des deutscherseits gelegenen Bielatals. Hier ragen über einigen malerischen kleinen Seen, die im Elbsandsteingebirge ihresgleichen suchen, mehr als 400 pittoreske Felsen in die Höhe, auf die mittlerweile rund 3800 Aufstiege führen. So wie die Kletterwege an der extrem schwer zu erklimmenden Empornadel, der Henkerkante am Galgenstein und der Königslinie auf den tatsächlich gigantischen Riesenturm.

Das Herz des Gebietes von Eiland bildet das sogenannte Himmelreich rund um die Fabriksteigtürme. In dessen oberem Teil haben tschechische Bergsteiger eine würdige Gedenkstätte für ihre tödlich verunglückten Kameraden eingerichtet. Dazu gehört unter anderem Miloš Matras aus Teplitz [Teplice], einer der wichtigsten Erschließer von Eiland, der am 31. Mai 1970 bei einem Erdbeben in den Anden ums Leben kam.

Außerdem wird hier auch an das ebenfalls aus Teplitz stammende Ausnahmetalent Emanuel Strubich erinnert. Der beste Bergsteiger seiner Zeit, der 1918 mit der Westkante am Wilden Kopf die erste Route im Achten Schwierigkeitsgrad im Elbsandsteingebirge eröffnete, starb im Winter 1922 in den Alpen.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS