03.10.2024

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Nachruf

Trauer um Jewgenij Tschernyschew

Der Verstorbene war PAZ-Mitarbeiter, Teilnehmer am Deutsch-Russischen Forum der LO und ein verlässlicher Freund des Hauses

Manuela Rosenthal-Kappi
03.07.2024

Jewgenij Tschernyschew, der Sohn des erst Anfang Februar verstorbenen langjährigen PAZ-Mitarbeiters Jurij Tschernyschew, ist tot. Nur viereinhalb Monate nach seinem Vater ist der in seinem 42. Lebensjahr stehende Wissenschaftler am 16. Juni in Berlin infolge einer schweren Erkrankung verstorben.

Alles begann im Jahr 2008, als ein hochgewachsener sympathischer junger Russe die Räume der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) in Hamburg betrat, um für den Vertrieb der Postkartenbücher von Königsberg zu werben, die sein Vater herausgegeben hatte. Während des Gesprächs mit dem aufgeschlossenen jungen Mann entstand die Idee einer Mitarbeit beim Ostpreußenblatt, die sich als äußerst fruchtbar erweisen sollte.

Ab Februar 2008 lieferte Jewgenij gemeinsam mit seinem Vater Jurij Tschernyschew, einem erfahrenen Journalisten und Fotografen, Woche für Woche Artikel über das politische, wirtschaftliche und kulturelle Leben Königsbergs und des nördlichen Ostpreußens.

Jewgenijs Interesse an deutscher Geschichte wurde früh durch die Großmutter geweckt, die zur Zeit der Grenzöffnung in Königsberg einen Kiosk mit Souvenirs betrieb, und so in Kontakt mit Heimattouristen aus der Bundesrepublik kam. Der Enkel studierte Geschichte an der Albertina, wo er promovierte und später als Dozent arbeitete.

Jewgenij Tschernyschew war Historiker, Politikwissenschaftler und Journalist. Seine erste Promotion verteidigte er 2008 am Institut für Auslandsgeschichte und internationale Beziehungen der Russischen Baltischen Föderalen Immanuel-Kant-Universität. Er war einer der ersten Absolventen der Stipendienprogramme der „Zeit Stiftung Bucerius“. Im Jahr 2015 verteidigte er seine zweite Dissertation am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität in Berlin. Das Thema seiner auf Englisch verfassten Arbeit lautete: „Kaliningrad – eine ambivalente transnationale Region in einem europäisch-russischen Rahmen“.

Nach dem Abschluss des Studiums in Berlin baute Tschernyschew seine beruflichen Fähigkeiten weiter aus. So war er als Fachmann für IT und die digitale Entwicklung sowie strategisches Management für namhafte Firmen tätig. Der Wissenschaftler sammelte berufliche Erfahrung neben der Bundesrepublik in den USA, in Schweden und in der Schweiz.

Der Verstorbene bestach sowohl durch seine vielseitigen Interessen, seine Intelligenz als auch durch seine zwischenmenschlichen Fähigkeiten. Er bekleidete als Ehemaliger in der Humboldt-Universität zu Berlin Ämter als Präsidiumsmitglied und im Rat der Doktoranden.

Neben seiner freien Mitarbeit bei der PAZ war Jewgenij Tschernyschew mehrfach Teilnehmer des von der LO veranstalteten Deutsch-Russischen Forums, in dessen Rahmen Vertreter der Kreisgemeinschaften mit Heimatforschern, Museumsmitarbeitern und Archivaren einen regen Austausch pflegten. Jewgenij Tschernyschew trat unter anderem als Referent zum Thema „Die Entwicklung des Tourismus im Kaliningrader Gebiet“ auf.

Die Nachricht von Jewgenij Tschernyschews viel zu frühem Tod hat die Redaktion der PAZ völlig unerwartet getroffen . Sie hat Trauer und Entsetzen ausgelöst. Die Zusammenarbeit mit Jewgenij war angenehm, zuverlässig und von einem freundschaftlichen Umgang geprägt. Als sein Vater am 1. Februar verstarb, erklärte sein Sohn sich sofort bereit, dessen Arbeit fortzuführen – doch seine Erkrankung ließ ihm keine Zeit mehr. Die Stimme des stets freundlichen, immer zu Scherzen aufgelegten jungen Mannes ist für immer verstummt. Sein Tod ist ein schmerzlicher Verlust für die PAZ.

Die Redaktion und die LO werden Jewgenij Tschernyschew nicht vergessen und ihm ein ehrendes Andenken bewahren.


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Kommentare

Valentina Selge am 04.07.24, 23:20 Uhr

Ein Andenken an einen Menschen, der zur Völkerverständigung beigetragen hat in Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen stimmt nachdenklich. Ein Familiendrama.
Schon seit Jahrtausenden ziehen Völker von Ost nach West von Nord nach Süd und beschäftigen sich mit den Hinterlassenschaften der Vorfahren.
Derzeit scheint nur eine unschöne Hinterlassenschaft, die des Nationalismus zu dominieren und es tauchen Banden auf, die Kulturgüter zerstören und Menschen, die andere Menschen, welche Kultur pflegen, nicht wertschätzen.
Russische Musiklehrer in Österreich mussten sich einem Gesinnungstest unterziehen.
Inzwischen wird fast jeder in Deutschland einem Gesinnungstest unterzogen.
Irgendwann weiss man gar nicht mehr, was man sagen soll.
Die russische Kultur ist wirklich voller Seele. Ich wüsste nicht, warum man die nicht schätzen dürfen sollte.
Die Ostpreußen haben auch in der Zeit, in denen sie dort waren, und das nicht freiwillig, sondern es waren Vertriebene, eine hohe Kultur aufgebaut.
Und dazwischen steht jetzt aufgrund eines unsinnigen Krieges die Gesinnungsfrage.
Aber danke für den Artikel, um das Andenken von Jewgenij Tschernyschew zu bewahren.

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