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Interview

Trostpreis für Midori

Die japanische Stargeigerin erhält den Brahmspreis, würde aber viel lieber vor einem deutschen Publikum spielen

Andreas Guballa
25.06.2020

Jetzt im Sommer hätte die Musikfestivalsaison beginnen sollen, bei der Weltstars auch einmal außerhalb der gewohnten Konzertsäle zu erleben sind. Ende August sollte die japanische Stargeigerin Midori beim Schleswig-Holstein-Musikfestival (SHMF) im dänischen Sonderburg und in der Reithalle von Elmshorn das Violinkonzert von Jean Sibelius aufführen. Daraus wird nun nichts. Das Festival, das am 4. Juli eröffnet werden sollte, ist wegen Corona abgesagt. Dafür kann sich Midori mit dem mit 10.000 Euro dotierten Brahmspreis trösten, den ihr die vom SHMF-Initiator Justus Frantz und dem Geiger Sir Yehudi Menuhin 1987 gegründete Brahms-Gesellschaft für dieses Jahr zuerkannt hat. Bei der Gelegenheit erzählte die 48-Jährige der PAZ, wie stark sie von der Pandemie betroffen ist.

PAZ: Wie geht es Ihnen? Sind Sie sicher und gesund?
Midori: Mir geht es gut, vielen Dank. Ich wohne momentan im Haus meiner Mutter in New York und gehe nur vor die Tür, um die notwendigsten Dinge zu erledigen. In meinem eigenen Apartment bin ich seit sechs Wochen nicht gewesen.

Was tun Sie während der Ausgangsbeschränkungen?
Ich übe ziemlich konsequent und regelmäßig. Das ist meine heilige Zeit, in der mich niemand stören darf. Seit Oktober unterrichte ich am Curtis Institute of Music in Philadelphia. Wir sind seit vier Wochen verpflichtet, Online-Vorlesungen abzuhalten und nicht darauf zu warten, bis sich ein normaler Lehrbetrieb einstellt. Die meisten meiner Schüler sind zurzeit in Asien, weil sie ihre Länder nicht verlassen dürfen. Deshalb unterrichte ich wegen der Zeitverschiebung oft sehr spät in der Nacht oder am frühen Vormittag. Außerdem nutze ich die Ausgangssperre zum Üben, zum Lesen, zum Schreiben oder zum Telefonieren mit Freunden.

Viele Kollegen nutzen die Krise und streamen Wohnzimmerkonzerte im Internet. Ist das für Sie eine Option, um mit Fans und Freunden in Kontakt zu bleiben?
Mir fehlen im Haus meiner Mutter dafür leider die technischen und räumlichen Möglichkeiten. Aber ich habe mit Hilfe von Freunden übers Internet kurze Animationsfilme für Kinder entwickelt, die über das Coronavirus und die wichtigsten Hygieneregeln informieren sowie Tipps geben, was man zu Hause machen kann. Diese sind auf YouTube zu sehen. Außerdem plane ich gerade mit ehemaligen, langjährigen Studenten ein Online-Klassentreffen, das wir in einigen Wochen abhalten wollen. Es gibt also mindestens eine positive Sache in der Krise, die Menschen via Internet zusammenbringt.

Wann glauben Sie, wieder auf der Bühne stehen zu können?
Das kann momentan niemand sagen. Die Zahl der Infizierten in den USA, insbesondere in New York, steigt täglich dramatisch. Wir müssen abwarten, wann die Behörden die Kontakt- und Ausgangssperre aufheben.

Was machen Sie als Erstes, wenn alles vorbei ist?
Der gesellschaftliche Erholungsprozess, der hoffentlich sehr bald eintreten wird, wird für alle schmerzhaft und nicht reibungslos verlaufen – weder in psychischer, spiritueller, gesundheitlicher noch finanzieller Hinsicht. Es gibt viele Menschen, die ihren Job oder Angehörige verloren und großes Leid erlebt haben. Ich möchte den Menschen etwas zurückgeben, die während der Krise unermüdlich geholfen haben, dieses Leid zu lindern. Und zwar durch meine Musik, zum Beispiel durch Live-Auftritte. Dafür möchte ich mich fit halten und das ist meine Motivation, jeden Tag fleißig zu üben.

Anfang Mai hätten Sie in die schleswig-holsteinische Provinz nach Dithmarschen kommen sollen, um den Brahmspreis entgegenzunehmen. Was bedeutet die Auszeichnung für Sie?
Ich fühle mich geehrt, denn besonders das Violinkonzert von Brahms und sein Doppelkonzert für Violine und Cello sind für uns Streicher monumentale Werke. All seine Kompositionen sind bedeutend, alle einzigartig und verschieden, aber dennoch unbestreitbar typisch Brahms. Ich hoffe, den Preis so bald wie möglich persönlich entgegennehmen und vor deutschem Publikum auftreten zu können.

 

SHMF „Sommer der Möglichkeiten“

Vom 4. Juli bis 30. August hätte das Schleswig-Holstein-Musikfestival stattfinden sollen, musste aber coronabedingt abgesagt werden. Dafür gibt es das im Fernsehen, Radio und Internet übertragene Ersatzprogramm „Sommer der Möglichkeiten“ ohne Konzertpublikum.

Am 5. Juli um 20.15 Uhr übertragen 3sat und NDR Kultur das Eröffnungsfest unter anderem mit der Cellistin Sol Gabatta und Werken von Bach bis Grieg.

Im Radio auf NDR Kultur zu hören sind am 26. Juli um 11 Uhr das Mahler Chamber Orchestra, am 9. August um 11 Uhr ein Harfenkonzert mit Xavier de Maistre, am 16. August und 13. September die „Carl Nielsen-WG“ mit Werken des dänischen Komponisten sowie auf NDR1 Welle Nord „Das SHMF singt“ (9.7., 16.7., 23.7., 30.7., 13.8., 20. und 27.8. jeweils um 19.20 Uhr).

www.shmf.de

 


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