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Fröhliche Begebenheiten und Erlebnisse in schwierigen Zeiten, die Mut machen und Zuversicht schenken
Unermüdlich warnt das Auswärtige Amt vor Reisen in die Russische Föderation und damit auch nach Königsberg. Aber dennoch bieten deutsche Busunternehmen Reisen dahin an und ermöglichen es vielen Menschen, ihre Verwandten und Freunde zu besuchen. Direktflüge aus der Bundesrepublik sind derzeit nicht möglich; also fahren die Menschen mit dem Bus nach Königsberg und fliegen von dort in Städte Russlands. Die Busunternehmen haben sich spezialisiert und sorgen für die Anschlüsse zum Flughafen.
Eine solche Busreise ist anstrengend und lustig. Anstrengend, weil die Busse bis auf den letzten Platz besetzt sind und man wenig Beinfreiheit hat. Lustig, weil die Fahrer hilfsbereit sind und die Durchsagen mit Kommentaren versehen, die Gelächter hervorrufen. Darin können allerdings nur die Gäste einstimmen, die Russisch verstehen. Zwei Sitznachbarinnen verständigen sich ebenso auf Russisch, bis sich herausstellt, dass beide Deutsche sind. Das geschieht meist durch ein Ärgernis. „Verflixt, ist das eng hier!“ Oder: „Dass ich den Bus noch mitgekriegt habe! Ich bin fix und fertig.“
Im Laufe der letzten langen Monate ist Königsberg nicht mehr nur der Umsteigeort geworden. Die Leute haben entdeckt, dass man sich dort auch mit seinen Lieben treffen und sich ein paar schöne Tage machen kann. Eine Reisekameradin berichtet über „Interessante Familienverhältnisse“ in akzentfreiem Deutsch, denn sie hat 35 Jahre als Krankenschwester im Rheinland gearbeitet. 1985 ist die Familie aus Kasachstan nach Deutschland gekommen, aber einer der beiden Söhne hat später in Moskau studiert, dort geheiratet und ist dort geblieben. Der andere wohnt mit seiner Familie zwei Straßen von der Mutter entfernt in Bonn.
Früher war alles einfach. Da kamen die „Moskauer“ jedes Jahr zu Besuch oder die „Bonner“ flogen nach Moskau. Aber nun diese Probleme. „Ich habe meine Enkelkinder vier Jahre nicht gesehen.“, klagt die Großmutter, die jetzt zum ersten Mal nach Königsberg fährt. Doch nun wendet sich alles zum Guten. Die Familie aus Moskau fliegt ebenfalls dorthin, der Sohn hat eine Ferienwohnung in Rauschen gemietet, und alle freuen sich auf einen schönen Urlaub an der See.
Eine andere Dame hat die Möglichkeit entdeckt, endlich Freundinnen zu treffen. Sie lebt seit 1994 in Deutschland, aber die Studienfreundschaften aus Irkutsk sind geblieben. Inzwischen leben die Germanistikstudentinnen von damals weit voneinander entfernt, eine in Archangelsk und zwei in St. Petersburg, doch Besuche bei wichtigen Ereignissen wie runde Geburtstage oder die Hochzeit der Kinder blieben ein Muss. Schwierig unter den jetzigen Verhältnissen. Schließlich kam die Idee: Königsberg. „Wir haben im Internet eine Wohnung gemietet, mitten in der Stadt“, berichtet die Busreisende. „Ich komme morgen früh in Königsberg an. Sonntag früh kommen die beiden aus St. Petersburg und Sonntagabend Valentina aus Archangelsk. Wir haben uns fünf Jahre nicht gesehen.“ Die Mitreisenden nehmen alles schweigend zur Kenntnis und stellen sich vielleicht das Geschnatter vor, das in der Vaterstadt des großen Philosophen Kant losgehen wird.
Die Busreise bietet noch mehr Unterhaltung. Immer wieder lustig sind die Sprachbarrieren. Mindestens einer der Busfahrer spricht Deutsch, sagt das aber nicht. Wenn der Fahrgast ein verwundertes Gesicht macht oder etwas nachfragt, kommt die Frage auf Russisch: „Sprechen Sie kein Russisch?“ Der oder die Angesprochene antwortet auf Russisch, dass er oder sie nur wenig Russisch spreche. Sofort kommt das bekannte Kompliment, auch auf Russisch, dass das Gegenüber sehr gut Russisch sprechen würde, und dann kommen die Infos auf Deutsch.
An der polnisch-russischen Grenze gibt es keine Probleme. Die Busfahrer kennen die Grenzbeamten und umgekehrt. Die Zeiten, als eine ausführliche „Deklaratsiya“ ausgefüllt werden musste, sind vorbei. Nach mitgeführtem Geld wird nicht gefragt. Es wird nur nach dem Reiseziel gefragt. Bei der Einreise in die Oblast müssen die Koffer aus dem Bus heraus und der Bus wird durchleuchtet. Bei der Ausreise das gleiche Procedere. Die Pässe werden mehrmals unter verschiedenen Aspekten kontrolliert. Bei der Ausreise wird gern der „Duty Free Shop“ zwischen der russischen und der polnischen Seite besucht. Es dürfen nur zwei Päckchen Zigaretten und ein Liter Alkohol pro Person in den Westen mitgenommen werden. Bei der letzten Passkontrolle auf polnischer Seite ist das die einzige Frage.
In Königsberg selbst sind die Parkplätze am Busbahnhof voll mit Autos mit deutschen Kennzeichen. Am Flughafen soll es genau so sein. Lange Autoschlangen stehen an der Grenze. Es fährt nicht jeder in dem engen Bus. Mit dem Auto ist es wohl bequemer, aber nicht so lustig. Da steigt auf der polnischen Seite eine Grenzbeamtin mit einem Gerät ein, das wie ein Fotoapparat aussieht. „Damit misst sie die Temperatur und kann Gedanken lesen“, erklärt einer der Busfahrer. „Und ich habe einen Schalter, damit kann ich dann auch die Gedanken lesen.“
Oder auf der russischen Seite steigt ein junger Zollbeamter ein, der schüchtern und verlegen fragt, ob die Reisenden Wertgegenstände oder Elektrogeräte in die Föderation einführen wollen. „Das ist nur ein Vorwand“, tönt es aus dem Lautsprecher. „In Wirklichkeit sucht er eine Frau. Alle ledigen Damen unter Fünfzig bitte die rechte Hand heben.“ Die Heimat bleibt uns nicht verschlossen, wie man sieht. 46 Jahre Sperrgebiet haben das auch nicht geschafft.