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Gewerkschaften schlagen Alarm – Immer öfter muss die Feuerwehr den Notstand ausrufen
Mit der Aktion „Berlin brennt“, haben Feuerwehrmänner bereits im Jahr 2018 gewarnt, dass das Rettungswesen in der Hauptstadt wegen hoher Einsatzzahlen am Ende seiner Kapazitäten angelangt ist. Gebessert hat sich die Lage in den vergangenen vier Jahren nicht, wie sich vor Kurzem auf einer außerordentlichen Personalversammlung der Berliner Feuerwehr gezeigt hat.
Zu dem Krisentreffen am 11. Juli war neben Personalvertretern, Gewerkschaftern und Feuerwehrleuten auch Torsten Akmann, Staatssekretär der Senatsverwaltung für Inneres, gekommen. Bereits im Vorfeld des Krisentreffens hatte Lars Wieg, der Vorsitzende der Berliner Feuerwehrgewerkschaft, erklärt, er erwarte von der Senatsinnenverwaltung klare Zusagen und praktikable Lösungen „Sonst wird es sehr laut auf der Versammlung“. Wieg zufolge sind die Berliner Feuerwehrleute „unglaublich sauer“.
Ein Hauptthema des Treffens war die hohe Zahl von Einsätzen der Notfallsanitäter in der Millionenmetropole. Nach Informationen der Berliner Feuerwehr gab es im Jahr 2020 Jahr im Schnitt jeden Tag 1280 Einsätze. Seit dem Mai vergangenen Jahres ist die Zahl der täglichen Einsätze sprunghaft auf durchschnittlich 1430 angestiegen.
In Spitzenzeiten rücken Feuerwehr und Rettungsdienst inzwischen sogar rund 1700-Mal pro Tag aus, wie der Leiter der Berliner Feuerwehr, Karsten Homrighausen, mitteilte. Er sagte, es sei nicht klar, ob die „hohe Zahl der Einsätze dauerhaft auf diesem Niveau bleibt oder in absehbarer Zeit wieder zurückgehen“. Eine offene Frage sind ebenso die Gründe für die deutliche Zunahme von Rettungseinsätzen. Als eine mögliche Ursache führte der ärztliche Leiter der Feuerwehr auf ein wachsendes und alterndes Berlin an. Landesbranddirektor Homrighausen verwies zudem auf die Corona-Pandemie.
Schon seit einigen Jahren macht Berlins Feuerwehr das Phänomen der sogenannten Bagatelleinsätze zu schaffen. Gemeint ist damit die Anforderung der Rettungssanitäter in leichteren Fällen, bei denen eigentlich der kassenärztliche Notdienst der richtige Ansprechpartner ist, oder aber auch ein Arztbesuch am Folgetag genügen würde. Laut Daten der Berliner Feuerwehr enden 20 bis 25 Prozent der Rettungseinsätze nicht damit, dass die Patienten ins Krankenhaus gefahren werden. Bei beachtlichen vier Prozent der Einsätze finden die angeforderten Rettungssanitäter am genannten Einsatzort sogar niemanden vor.
Der Landesverband der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft (DFeuG) wies zudem auf ein generelles Problem hin, bei dem der Gesetzgeber seinen Anteil hat. Laut dem Berliner Rettungsdienstgesetz haftet der Ärztliche Leiter der Feuerwehr für die Disposition von Rettungsmitteln. Dieses Amtsdeutsch heißt aus Sicht der Notfallsanitäter, dass sie im Zweifelsfall lieber eine Person mitnehmen und ins Krankenhaus einliefern, als dass sie bei einer medizinischen Fehleinschätzung eine Haftungsklage gegen die Feuerwehr riskieren. Verschärft wird diese Lage nun auch noch durch einen hohen Krankenstand infolge von Corona-Fällen unter den Feuerwehrleuten.
Als Folge aller dieser Faktoren muss Berlins Feuerwehr immer öfter den Ausnahmezustand ausrufen. Ein solcher liegt vor, wenn die Rettungswagen zu 80 Prozent ausgelastet sind und die Rettungssanitäter es nicht mehr schaffen, innerhalb von zehn Minuten bei den Patienten zu sein. Im Jahr 2020 wurde dieser Ausnahmezustand 64-Mal erreicht. Im darauffolgenden Jahr 2021 musste schon 178-Mal ein Ausnahmezustand erklärt werden. Im Schnitt befand sich das Rettungswesen der Hauptstadt damit fast an jedem zweiten Tag in einer Extremlage. Im laufenden Jahr zeichnet sich abermals eine Verschärfung ab. Die Rekordzahl von 2021 war in diesem Jahr bereits zur Jahresmitte annähernd erreicht.
Wieg wies im rbb-Inforadio darauf hin, dass nicht nur die Häufigkeit der Ausnahmezustände alarmierend ist, sondern auch die Dauer: „Dass wir einen Ausnahmezustand über 16 Stunden hatten, da ist dann schon die Frage: Ist das noch ein Ausnahmezustand?“
Wieg spielte damit auf das letzte Juni-Wochenende an, an dem die Berliner Feuerwehr an ihre Belastungsgrenze gestoßen war. Der Personalmangel bei den Rettungskräften, sommerliche Hitze, viele Touristen und Partys sowie ein Großeinsatz bei Abiturabschlussfeiern am Columbiadamm hatten am Ende dazu geführt, dass die Feuerwehr zeitweise kaum noch Einsatzkräfte zu neuen Notfällen losschicken konnte.
Im Rückblick auf dieses Wochenende schätze der Feuerwehrgewerkschafter Wieg ein: „So eine katastrophale Situation hatten wir in Berlin noch nie“.