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Das Ostholstein-Museum in Eutin zeigt in der Ausstellung „Faszination Nidden. Eine Künstlerkolonie zwischen Ostsee und Kurischem Haff“ 83 Ölbilder und Arbeiten auf Papier aus der Hamburger Privatsammlung Bernd Schimpkes
Es ist schon sehr erfreulich, wenn plötzlich mehrere Ausstellungen zur ostpreußischen Kulturgeschichte auch außerhalb der dem Thema ohnehin gewidmeten Museen stattfinden. So gab es bis zum 10. September im Kunstmuseum Schwaan eine Sonderausstellung zur Künstlerkolonie Nidden. Gleich im Anschluss folgt nun im Ostholstein-Museum in Eutin eine weitere große Präsentation zum gleichen Thema: „Faszination Nidden. Eine Künstlerkolonie zwischen Ostsee und Kurischem Haff“. Sie ist noch bis zum 12. November zu sehen.
In dem großzügigen Sonderausstellungsraum sind dort 83 Arbeiten ausgestellt, dazu einiges an zusätzlichem Dokumentationsmaterial. Es ergibt sich ein guter Eindruck von der faszinierenden Landschaft der Kurischen Nehrung, die sehr viele Künstler begeistert und inspiriert hat. Ausdruck dieser Faszination sind die künstlerischen Arbeiten mit den Motiven von Nidden und seiner Umgebung, dazu kommen Arbeiten, welche die samländische Steilküste schildern. Diese liegt in der Nähe der Kurischen Nehrung. Auch die Steilküste war ein recht beliebtes Motiv für viele Künstler.
Der Kreis allein der bildenden Künstler, die Nidden aufsuchten, geht in die Hunderte. Hinzu kommen Schriftsteller, Musiker, Schauspieler, Tänzer und so weiter, allen voran der Schriftsteller Thomas Mann, der sich 1929 in Nidden ein eigenes Sommerhaus errichten ließ und es bis 1933 nutzte. Die Ausstellung zeigt ausschließlich Arbeiten einer großen Hamburger Privatsammlung. Daher spiegelt sie auch die Schwerpunkte dieser Sammlung wider. Die drei motivischen Hauptgruppen der gezeigten Werke sind auch in der Hängung berücksichtigt. Es handelt sich um die Landschaft der großen Nehrungsdünen, um das Fischerdorf mit seinen typischen Häusern und um die für das Kurische Haff charakteristischen Fischerkähne, die sogenannten Kurenkähne.
Auf eine Gruppierung nach den Künstlern beziehungsweise Künstlerinnen oder nach der Entstehungszeit der Werke wurde verzichtet. Dies war angesichts der Auswahl auch folgerichtig. Doch kommt ein Künstler in allen großen Motivgruppen vor und zieht auch viel Aufmerksamkeit auf seine Arbeiten.
Großzügiger Ausstellungsraum
Es handelt sich um Carl Knauf (1893–1944), der als Soldat 1914 das Memelland kennen- und lieben gelernt hatte und seitdem jährlich zum Malen auf die Kurische Nehrung kam. 1931 ließ er sich in Nidden ein Haus bauen. Dort war er der meistgefragte Maler bei den Sommergästen, und seine Arbeiten fanden durch die eifrigen Käufe weite Verbreitung. Seine impressionistische Darstellungsweise der Nehrung beeindruckt durch ihre stimmungsvolle Farbigkeit bis heute. Allein dieser Werke wegen würde sich schon allein ein Besuch der Ausstellung lohnen.
Die einsamen Dünen unter hellem Sonnenlicht, die großen Kurenkähne, die dunkel und schwer am Strand liegen, die Landschaft mit den verstreut darin liegenden romantisch-idyllischen Fischerhäusern und den durch das Wasser des Haffs dahinziehenden Fischerkähnen – solche Sommeranblicke, wie sie die Gäste in Nidden hatten, wollten sie gern auch als Erinnerung für sich mit nach Hause nehmen. Und Knauf lieferte ihnen diese schönen Momente in warmen Farben als Gemälde für das großbürgerliche Wohnzimmer.
Die Geschichte der Künstlerkolonie beginnt gegen 1890 im Fischerdorf Nidden in der Mitte der rund hundert Kilometer langen Kurischen Nehrung, im ostpreußischen Kreis Memel. Zur gleichen Zeit entstanden in Norddeutschland weitere solcher besonderen Treffpunkte für Maler, so beispielsweise in Worpswede, Schwaan oder Ahrenshoop. Das Naturerlebnis lockte die Künstler heraus aus den Städten und den Ateliers. Aus der Frühzeit ist von den Niddenern nicht viel erhalten.
Die Ausstellung bringt eine herrliche Memelland-Landschaft mit Kühen von Fritz Behrendt aus Memel (1863–1946), die man fast verpasst, weil sie direkt am Eingang zur Ausstellung bei der Museumskasse hängt. Von Ernst Bischoff-Culm (1870–1917) stammt ein großes Gemälde von 1900 mit einem fröhlichen jungen Fischerpaar am Nehrungsstrand. Diese beiden Künstler gehören zum ersten festeren Kreis der Künstlerkolonie, der sich im Gasthaus von Hermann Blode traf. Auch an diese Stätte erinnern einige Dokumente in Vitrinen.
Bischoff-Culms impressionistische Werke mit Motiven der Fischerbevölkerung der Nehrung machten Nidden bald auch in Berlin bekannt. Ein ergreifendes Bild in der Ausstellung zeigt eine Fischersfrau auf dem Niddener Friedhof bei Gräbern trauernd. Ein weiterer langjähriger „Niddener“ wurde der Tiermaler Hans Kallmeyer (1882–1961), der später vor allem mit seinen Elch-Gemälden berühmt wurde.
Max Pechstein (1881–1955) kam 1909 zum ersten Mal nach Nidden. Von ihm gibt es in Eutin jetzt eine Reihe von Lithographien zu sehen. Mit ihm zog allmählich der Expressionismus in Nidden ein, vollends nach dem Ersten Weltkrieg. Waren in den ersten Jahrzehnten sehr viele Künstler noch aus Königsberg, Kunstzentrum schon wegen seiner Kunstakademie, und Ostpreußen gekommen, begann nach der Mitte der 1920er Jahre durch die wachsende Bekanntheit ein großer Zustrom an Künstlern aller Art, allerdings mehr noch an wohlhabenderen Bürgern aus Berlin und anderen Zentren Deutschlands.
Motivgruppen
Nach dem Frieden von Versailles von 1920 wurde das Memelland allerdings vom Deutschen Reich abgetrennt und war seit 1923 litauisch. Diese Tatsache, zusammen mit der Wirtschaftskrise von 1922/23, führte fast zum Erliegen der Künstlerkolonie. Doch war es nicht zuletzt dem Bemühen des Malers Ernst Mollenhauer (1892–1963) zu verdanken, des Schwiegersohns des Hoteliers Hermann Blode, dass der Gästestrom im Sommer bald wieder zunahm. Durch die vielen Maler hielten nun auch die neuen Kunstrichtungen Einzug, voran die Neue Sachlichkeit, zum Beispiels bei Fritz Burmann (1892–1945) oder Richard Birnstengel (1881–1968).
Hatten ab 1933 viele Besucher es geschätzt, in Nidden nicht im Machtbereich des Dritten Reiches zu sein, so änderte sich dies nach der vertraglichen Rückgliederung des Memellandes ans Reich im März 1939. Mit knapper Not konnte Ernst Mollenhauer Pläne verhindern, die Nidden zu einem „Kraft durch Freude“-Badeort machen wollten.
Das Ende der Künstlerkolonie Nidden kam Ende Januar 1945 mit der vordringenden Roten Armee. Die reiche Kunstsammlung des Gasthofs Blode und das Atelier Mollenhauers wurden vernichtet. Diese Aspekte eher historischer Art konnten in der Ausstellung nicht berücksichtigt werden. Ein weiterer kommt zwar vor, wird aber nicht recht deutlich: Nach 1945 hat sich eine ganze Reihe vornehmlich ostpreußischer Maler weiter mit dem Thema Nidden beschäftigt, allen voran die Expressionisten Ernst Mollenhauer und Karl Eulenstein (1892–1981), die auch mit bemerkenswerten Arbeiten der Nachkriegszeit in der Eutiner Präsentation vertreten sind.
Ein Besuch der Nidden-Ausstellung im Eutiner Ostholstein-Museum ist sehr anzuraten. Wer weiß, wann einmal wieder eine so umfangreiche Präsentation zu diesem „Wunderland“, wie es auch von seinen Verehrern benannt wurde, zu sehen sein wird?
Nähere Infortmationen erteilt das Ostholstein-Museum Eutin, Schlossplatz 1, 23701 Eutin, Telefon (04521) 788-520,
E-Mail: info@oh-museum.de.