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Kultur

Und immer wieder Goethe

Das neue Romantik-Museum in Frankfurt ehrt den Klassiker – und mit einer Sonderschau den ostpreußischen Romantiker E. T. A. Hoffmann

Veit-Mario Thiede
24.01.2023

Seine zweite große Sonderausstellung nach „Zeichnen im Zeitalter Goethes“ widmet das im September 2021 eröffnete Deutsche Romantik-Museum in Frankfurt am Main E. T. A. Hoffmann. Die Schau präsentiert den Königsberger Erzähler als Juristen und Richter – vor allem aber als Universalkünstler. Mit unheimlichen und phantastischen Romanen und Erzählungen wie „Die Elixiere des Teufels“ und „Der Sandmann“ schwang er sich zu einem Hauptvertreter der Schwarzen Romantik auf. Er verfasste mit „Das Fräulein von Scuderi“ den ersten deutschsprachigen Krimi und komponierte die erste romantische Oper: „Undine“. Obendrein betätigte er sich als Zeichner und Karikaturist.

Auch in der Dauerausstellung sind Hoffmann zwei Stationen gewidmet. Die eine handelt von seinem Märchen „Meister Floh“. Die Geschichte um den entflohenen Floh spielt in der Mainmetropole. Hoffmann beweist bemerkenswerte Ortskenntnisse, obwohl er nie in Frankfurt war. In der anderen Station betätigt sich Hoffmann als Musikkritiker, der Beethoven mit Bezug auf die 5. Sinfonie zum Romantiker erklärte: „Beethovens Musik bewegt die Hebel des Schauers, der Furcht, des Entsetzens, des Schmerzes, und erweckt jene unendliche Sehnsucht, die das Wesen der Romantik ist.“

Die Dauerschau belegt das zweite und dritte Stockwerk des Romantik-Museums. Im ersten Stock residiert die Goethe-Galerie. Sie zeigt Gemälde aus der Goethezeit. Auf Porträts tritt Goethe selbst in Erscheinung. Im „Tempel der Freundschaft“ sind Bildnisse zu sehen, die Wieland, Schiller, Herder und viele weitere Persönlichkeiten aus Goethes Umkreis zeigen. Der Landschaftsmaler Johann Philipp Hackert ist mit Ansichten von Italien vertreten.

Andere Gemälde zeigen Goethes literarische Figuren, zum Beispiel „Tasso“ und den „Erlkönig“. Prunkstück der Sammlung ist die zweite Fassung von Johann Heinrich Füsslis gespenstischem Gemälde „Der Nachtmahr“ (1790/91): Auf der Brust einer in verrenkter Stellung schlafenden Frau hockt ein Kobold, während ein mit weiß leuchtenden Augen ausgestatteter Schimmel den Kopf durch die Vorhänge schiebt.

Besitzer der Gemäldesammlung und Träger des Romantik-Museums sowie des benachbarten Goethe-Hauses am Großen Hirschgraben ist das 1859 von 56 Bürgern gegründete Freie Deutsche Hochstift für Wissenschaft, Künste und allgemeine Bildung. Die Gründerväter wollten das Streben nach der deutschen Einheit durch die Besinnung auf die gemeinsame kulturelle Identität bestärken. Das „Hochstift“ sah sich als geistigen Mittel- und Sammelpunkt für die ganze Nation. Es erwarb 1863 Goethes Geburtshaus. Das wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und in den 50er Jahren originalgetreu rekonstruiert.

Bläuliche Himmelstreppe

Unmittelbar links davon steht nun das Romantik-Museum. Von der Straßenseite aus betrachtet erweckt der von Christoph Mäckler entworfene Neubau den Eindruck, es handele sich nicht etwa um ein einziges Gebäude, sondern um drei schmale Häuser. Dafür sorgen unterschiedliche Höhen und Putzfarben.

Für die Verwirklichung des Projekts wendeten der Bund und das Land Hessen jeweils vier Millionen Euro auf. Die Stadt Frankfurt stellte das Grundstück zur Verfügung und gab 1,8 Millionen Euro. Über 1500 Einzelpersonen und Institutionen brachten fast neun Millionen Euro auf. Das neue Gebäude kostete zwölf Millionen, der Ausbau und die Dauerschau rund 6,5 Millionen Euro. Der Fußboden des zweigeschossigen Foyers ist mosaikartig aus wiederverwendeten rötlichen Weltkriegstrümmer-Ziegeln zusammengesetzt. Diejenigen der zu den Ausstellungsetagen führenden Himmelstreppe schimmern bläulich.

Sowohl die auf Goethe als auch die auf die Romantik bezogenen Exponate gehören zu den Sammlungen des Freien Deutschen Hochstifts. Dessen Direktorin Anne Bohnenkamp-Renken erklärt deren engen Zusammenhang: „Goethe gilt in Deutschland vor allem als Vertreter des Sturm und Drang und der Klassik, im europäischen Ausland dagegen als wichtigster deutschsprachiger Dichter der Romantik.“

Die 35 Stationen zur deutschsprachigen Romantik erweisen, dass diese sich einer klaren Festlegung entzieht. Sie zeigen vielmehr, was Romantik alles sein kann. Dabei ist jede unter Beteiligung von Künstlern anders gestaltet. Statt auf einen festgelegten Rundgang begibt man sich auf eine labyrinthische Entdeckungsreise.

Auf jeder Station steht ein Werk im Mittelpunkt. Dessen lichtempfindliches Original, sei es ein Manuskript, ein Brief oder der Erstdruck einer Schrift, ist in einem individuell gestalteten Ausstellungsmöbel untergebracht, das der Besucher öffnen muss, um den Inhalt zu sehen. Drumherum gibt es erläuternde Texttafeln, regelrechte Klangduschen oder per Kopfhörer vernehmbare Märchen, Briefe und Gedichte.

Eine „poetische Mobilmachung“

Die präsentierte Vielgestaltigkeit der Romantik ist erstaunlich. Novalis romantisiert den preußischen König Friedrich Wilhelm III. und seine Ehefrau Luise zum idealen Herrscherpaar. Achim von Arnim und Clemens Brentano veröffentlichen die von Goethe hoch gelobte Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“, der sie auch eigene Liedtexte untergeschoben haben. Die Brüder Grimm präsentieren die Sammlung der Kinder- und Hausmärchen, die in der Ausstellung zum „wirkmächtigsten Werk der deutschen Romantik“ erklärt wird. Das von Heinrich von Kleist geschriebene, zu Beginn der Freiheitskriege veröffentlichte Lied „Germania an ihre Kinder“ wird uns als „poetische Mobilmachung“ vorgestellt.

Die von Wilhelm Wackenroder und Ludwig Tieck verfassten „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ erklären mit bis heute anhaltender Wirkung Dürer, Michelangelo und Raffael zu Kultfiguren. Der von Goethe mit einem Kunstpreis bedachte Caspar David Friedrich ist mit dem Gemälde „Der Abendstern“ vertreten. Die Vollendung des Kölner Doms wird als von Goethe unterstütztes romantisches Bauprojekt gefeiert. Robert Schumanns Kompositionsentwürfe zu seinen „Szenen aus Goethes Faust“ beschließen den Rundgang.

• Deutsches Romantik-Museum, Großer Hirschgraben 21, Frankfurt am Main. E.T.A. Hoffmann-Schau bis 12. Februar, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr, Eintritt: 10 Euro.
www.freies-deutsches-hochstift.de


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