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Weltgesundheitsorganisation

Uneins über Pandemieabkommen

Afrikanische Länder legten Veto ein – Änderungen in einer Nacht- und Nebel-Aktion beschlossen

Wolfgang Kaufmann
12.06.2024

Die Weltgesundheitsversammlung ist das höchste Entscheidungsgremium der Weltgesundheitsorganisation WHO. Auf deren diesjähriger Tagung in Genf, die am 27. Mai begann und am 1. Juni endete, sollten ein Internationales Übereinkommen zur Pandemievorsorge sowie wichtige Änderungen der seit 2005 geltenden Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) zur Verhütung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Ausbreitung von Krankheiten beschlossen werden.

Allerdings kam keine Einigung über das Pandemieabkommen zustande. Das lag zum einem an der massiven Ablehnung unter anderem durch Großbritannien, die Niederlande, die Slowakei, den Iran, Argentinien und Costa Rica. Diese Staaten befürchteten die Aushöhlung ihrer Souveränität, wenn die WHO – so wie es vorgesehen war – in die nationale Gesetzgebung eingreifen und damit quasi eine weltweite Gesundheitsdiktatur etablieren kann. Zum anderen scheiterte das Ganze aber auch am Veto etlicher afrikanischer Länder. Denen missfiel, dass sie künftig Informationen über Erreger und Virusvarianten innerhalb ihrer Grenzen liefern sollen, aber dafür keine Gegenleistungen in Form von kostenlosen oder verbilligten Medikamenten und Impfstoffen zugesichert bekamen.

Massive Ablehung auch seitens europäischer Staaten
Kritiker des Pandemieabkommens gaben daraufhin Entwarnung, welche jedoch zu früh erfolgte. Denn kurz vor dem Ende der Genfer Konferenz, nämlich um 21 Uhr am Abend des 1. Juni, billigte die Versammlung plötzlich etliche Neuregelungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften und integrierte damit Teile des gescheiterten Pandemieabkommens in die IGV, wobei diese Nacht-und-Nebel-Aktion quasi auf einen Putsch hinauslief, weil sie gegen das Legalitätsprinzip verstieß. Immerhin schreiben die Regeln der WHO vor, dass die Texte von Beschlüssen vier Monate vor deren geplanter Verabschiedung vorliegen müssen, was hier nicht der Fall war.

Nun beinhalten die IGV etliche brisante Passagen. Dazu gehört eine reichlich schwammige Definition des Pandemienotfalls infolge des Auftretens „einer übertragbaren Krankheit, die sich geografisch weit in mehreren Staaten ausbreitet oder bei der ein hohes Risiko besteht, dass sie sich in mehreren Staaten ausbreitet. Eine Pandemie, welche die Kapazitäten der Gesundheitssysteme in diesen Staaten übersteigt oder bei der ein hohes Risiko besteht, dass sie diese übersteigt; die erhebliche soziale und/oder wirtschaftliche Störungen verursacht oder bei der ein hohes Risiko besteht, dass sie erhebliche soziale und/oder wirtschaftliche Störungen verursacht, einschließlich der Störung des internationalen Verkehrs und Handels.“

Des Weiteren schreiben die neuen IGV vor, dass jedes WHO-Mitglied eigene nationale Behörden zur „wirksamen Umsetzung“ der Regelungen schaffen muss. Ebenso besteht nun die Pflicht, gegen angebliche „Fehl- und Desinformationen“ zu Gesundheitsthemen vorzugehen, was faktisch auf eine Zensur hinausläuft. Außerdem können auf der Basis der IGV Reisebeschränkungen verhängt werden, die vor allem für jene gelten, welche sich Impfungen oder „anderen erforderlichen Maßnahmen“ entziehen. Gleichzeitig kann jeder Staat, der Einreisende im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand für „gefährlich“ hält, diese zur Isolation oder Quarantäne zwingen.

Neue IGV enthalten etliche brisante Passagen
Andererseits gibt es aber auch Lichtblicke. Denn viele weitere Wunschregelungen der WHO bezüglich des Pandemievertrages fanden keinen Eingang in die neuen IGV. Dazu zählen vor allem die Streichung des Verweises auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Menschenrechte bei der Pandemiebekämpfung sowie der erhoffte Blankoscheck an die WHO, was Vorgaben im Hinblick auf Impfstoffe und Medikamente sowie das Recht betrifft, auch andere Notfälle von angeblicher gesundheitlicher Relevanz wie den Klimanotstand auszurufen.

Allerdings hat der WHO-Generalsekretär Tedros Adhanom Ghebreyesus bereits angekündigt, den Kampf um den Pandemievertrag fortzusetzen, was der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit den hoffnungsvollen Worten quittierte: „Die Vernunft wird siegen.“ Außerdem sandte Tedros eine explizite Drohbotschaft an alle Impfkritiker und -skeptiker rund um die Welt, welche er für das Scheitern des Pandemievertrages maßgeblich mitverantwortlich macht: „Die Impfgegner stellen eine ernsthafte Herausforderung dar, und ich denke, wir müssen eine Strategie entwickeln, um wirklich zurückzuschlagen ... Ich denke, es ist an der Zeit, aggressiver gegen die Impfgegner vorzugehen.“ Die Zukunft wird zeigen, was der ambitionierte Äthiopier damit meinte.


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