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Die Glühbirne sei ein „offensichtlicher Misserfolg“, das Fernsehen werde „nicht lange überleben“ und das Internet bleibe ein kurzer „Hype“: Wie sich Fachleute über die Zukunft geirrt haben
In seiner Grundsatzrede anlässlich des einhundertjährigen Bestehens des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) beklagte der Berliner Virologe Christian Drosten kürzlich den mangelnden Respekt vor der Wissenschaft und den Fachleuten.Dabei haben nicht nur die Fehlleistungen von Drosten selbst dafür gesorgt, dass die Skepsis der Allgemeinheit mit ihrem „Alltagsverstand“ gegenüber Experten tiefe Wurzeln schlagen konnte. Spektakuläre Fehlleistungen akademischer Forscher oder ausgewiesener Experten auf ihren Gebieten sind kein neues Phänomen. Schon in der Vergangenheit irrten Fachleute auf haarsträubende Weise.
So schrieb der irische Mathematiker, Physiker und Naturphilosoph Dionysius Lardner im Jahre 1830, also fünf Jahre nach der Eröffnung der ersten Eisenbahnlinie zwischen den englischen Ortschaften Stockton and Darlington: „Zugfahrten mit einer erhöhten Geschwindigkeit sind ein Ding der Unmöglichkeit. Denn die Menschen könnten dabei gar nicht atmen und müssten ersticken.“ Ebenso errechnete der Professor am University College London 1835, dass Dampfschiffe niemals größere Entfernungen als 2500 Seemeilen zu bewältigen vermögen, weil es absolut unmöglich sei, genügend Kohle für längere Reisen mitzuführen. Dies wurde schon drei Jahre später durch die Fahrt des von dem Ingenieur Isambard Kingdom Brunel konstruierten Raddampfers „Great Western“ von Bristol ins 3314 Seemeilen entfernte New York widerlegt.
Neben der Eisenbahn rief auch das Telefon sogleich Skeptiker auf den Plan. Zu diesen zählte der Chefingenieur des British General Post Office, Sir William Henry Preece, welcher 1876 sagte: „Die Amerikaner haben Bedarf für das Telefon, wir haben ihn nicht. Denn wir verfügen über genügend Laufburschen.“
„Wer will sprechende Schauspieler?“
1880 wiederum wetterte der Chemieprofessor Henry Morton: „Jeder, der dieses Ding schon einmal gesehen hat, merkt sofort, dass es ein offensichtlicher Misserfolg ist.“ Damit meinte der Gründungspräsident des Stevens Institute of Technology, einer der ältesten und renommiertesten technischen Hochschulen der Vereinigten Staaten, die eben gerade von Thomas Alva Edison zum Patent angemeldete Glühbirne. Jedoch wurden bis zum Ende des 19. Jahrhunderts weltweit mehrere Millionen solcher Leuchtkörper hergestellt.
Und 1902 gab der kanadische Astronom Simon Newcomb, welcher Ehrenmitglied von acht Akademien der Wissenschaften rund um die Welt und Präsident der American Mathematical Society war, die folgende Stellungnahme ab: „Mit Maschinen fliegen zu wollen, die schwerer als Luft sind, ist ein äußerst unpraktisches und unbedeutendes Vorhaben. Ja, wenn nicht gar ein unmögliches.“ Genau 18 Monate später hob der Doppeldecker der Brüder Wilbur und Orville Wright zum ersten bemannten Motorflug der Geschichte ab. Allerdings zählte auch Wilbur Wright selbst noch 1901 zu den Pessimisten: „Es wird wohl 50 Jahre dauern, bis der Mensch fliegt.“
Die nächste Fehlprognose eines Fachmanns stammt aus dem Jahre 1911. Damals behauptete kein Geringerer als der Elektroingenieur und Erfinder Edison: „Das Haus des kommenden Jahrhunderts wird vom Keller bis zum Dachboden mit Stahl ausgestattet sein. Das Baby des 21. Jahrhunderts wird in einer Stahlwiege geschaukelt; sein Vater wird auf einem Stahlstuhl am stählernen Esstisch sitzen, und das Boudoir seiner Mutter wird üppig mit Stahlmöbeln bestückt sein. Diese werden dann vielleicht durch raffinierte Technik den Anschein erwecken, aus edlem Holz zu sein.“ 1927 stellte der erfolgreiche Filmproduzent und Präsident der Firma Warner Bros. Pictures, Harold Warner alias Hirsch Moses Wonsal, eine aus heutiger Sicht absolut kurzsichtige Frage, die da lautete: „Wer zur Hölle will schon sprechende Schauspieler?“ Eine erste Antwort hierauf gab der kommerzielle Erfolg des von Warner schließlich doch trotz aller Zweifel aus finanziellen Erwägungen produzierten ersten Tonfilms der Geschichte „The Jazz Singer“.
Ein Computer zu Hause? Niemals!
Nur 19 Jahre später lag dann der nächste Hollywood-Mogul meilenweit daneben. 1946 prophezeite der Vizepräsident von 20th Century Fox und Oscar-Preisträger Darryl F. Zanuck: „Das Fernsehen wird nicht lange überleben. Die Leute werden es früh genug satt haben, jeden Abend in eine Sperrholz-Kiste zu glotzen.“ Im Dezember 1950 verfasste die Associated-Press-Journalistin Dorothy Roe einen Artikel mit dem Titel „Was Experten denken, wie wir im Jahr 2000 leben werden“, in dem sie Aussagen von Wissenschaftlern über die durchschnittliche Weiblichkeit der Zukunft zusammenfasste: „Die Frau des Jahres 2000 wird mehr als 1,83 Meter groß sein, sie wird mindestens die Schuhgröße 43 tragen, sie wird Schultern wie ein Wrestler und Muskeln wie ein Lastwagenchauffeur haben.“
Und auch was Computer betraf, lagen selbst die Insider falsch: 1977 meinte Kenneth Harry Olsen, der Präsident der Digital Equipment Corporation, welche dann in den 1980er Jahren zum zweitgrößten Computerhersteller nach IBM avancierte: „Es gibt keinen Grund dafür, dass jemals jemand einen Computer bei sich zu Hause haben will.“ Im Gegensatz dazu sagte der Gründer des Microsoft-Konzerns Bill Gates 1993 voraus, dass 2010 in jedem Haushalt ein Computer stehen werde. Gleichzeitig hielt er aber das Internet, das damals lediglich 130 Seiten zu bieten hatte, für einen „Hype“ ohne Zukunft. Deshalb ermahnte er seine Mitarbeiter, sich auf „wichtigere Dinge“ zu konzentrieren. Genauso wenig visionär reagierte der langjährige Vorstandsvorsitzende von Microsoft, Steven Ballmer, als Apple-Chef Steven Jobs im Januar 2007 mit dem iPhone 1 das erste massentaugliche Smartphone vorstellte. Damals mäkelte Ballmer: „Das ist das teuerste Telefon der Welt, und es spricht Business-Nutzer überhaupt nicht an, weil es keine Tastatur hat.“
Die Liste solcher Fehleinschätzungen aus eigentlich berufenem Munde ließe sich noch um einiges verlängern. Dabei täte es gut, sie der Öffentlichkeit in regelmäßigen Abständen zu präsentieren, um ein Gegengewicht zu den teilweise schon an Größenwahn grenzenden Aussagen mancher Fachleute zu schaffen. Denn wie man unschwer erkennen kann, sind Wissenschaftler und Experten alles andere als unfehlbar!