06.08.2025

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Wegen der plumpen Form auch „Bügeleisen“ genannt: Das erste ganz in Stahl auf der Vulcan-Werft in Stettin gebaute Kriegsschiff, „Oldenburg“, auf dem Franz Schwarz Dienst tat, auf vielen weiteren Schiffen sollte er später die Weltmeere befahren
BilD: Bundesarchiv, Bild 134-C0079 / CC-BY-SA 3.0Wegen der plumpen Form auch „Bügeleisen“ genannt: Das erste ganz in Stahl auf der Vulcan-Werft in Stettin gebaute Kriegsschiff, „Oldenburg“, auf dem Franz Schwarz Dienst tat, auf vielen weiteren Schiffen sollte er später die Weltmeere befahren

Maritim

Unterwegs auf allen Meeren

Aus dem Leben des pommerschen Seefahrers Franz Schwarz erzählen seine Seefahrtsbücher

Ute Eichler
06.08.2025

Seit Jahren findet auf dem Sportplatzgelände von Kasnevitz auf Rügen von Mai bis Oktober ein Antik- und Trödelmarkt statt. Jeweils am Mittwoch und am Sonnabend ist von 9 bis 15 Uhr eine Vielzahl von Ständen aufgebaut. Jede Woche ist dort ein gut durchmischtes Angebot von alten Dingen aus Haushalten und weniger alten Dingen aus DDR-Zeiten zu entdecken.

An einem dieser Tische stieß eine Besucherin auf ein Konvolut, das für sie, weil aus einer Seefahrer- und Fischerfamilie stammend, von besonderem Interesse war. Es bestand aus einem Militärpass der Kaiserlichen Marine von 1886, zwei Seefahrtsbüchern, beide ausgestellt in Bremerhaven, einem Reisepass des Deutschen Reiches, ausgestellt 1924, und der Abschrift eines Taufscheins. Dieser klärt uns auf: „Nach Angaben der Taufregister des hiesigen Kirchenbuches wurde zu Klein Machmin am Neuen Strande dem Seefahrer Friedrich Schwarz von seiner Ehefrau Johanna, geborene Leisring, am
1. Mai 1863 ein Sohn geboren, welcher in der Heiligen Taufe am 7. Juni des Jahres die Namen Franz Albert Otto erhalten hat. Solches wird unter Beidrückung des Kirchensiegels amtlich bescheinigt. Weitenhagen, Krs. Stolp, den 5. April 1902. Das evangelische Pfarramt – Hentschel – Kgl. Superintendent.“

Die hier vorliegenden Seefahrtsbücher des Franz Schwarz sind seine Seefahrtsbücher Nr. 2, ausgestellt 1883, und Nr. 3, 1893 ausgefertigt. Die darin eingetragenen Reisen geben Auskunft über einen jungen Mann, der zielstrebig seinen Weg gegangen ist: Vom Matrosen zum 2. Steuermann (beziehungsweise Untersteuermann) und innerhalb weniger Jahre zum 1. Steuermann. Der Reisepass verrät seinen Berufsstand 1924: Lotse a.D. in Stolpmünde.

Zwischen der Heuer als Matrose und der als Steuermann lag die Ableistung des Militärdienstes als „1-jähriger Freiwilliger“ mit dem Dienstantritt 1. Februar 1886 in Kiel und dem Dienstende zum 1. Februar 1887 ebenda. Infolge erfüllter Dienstpflicht wurde er mit dem Dienstgrad „Obermatrose zur Reserve“ nach Stolpmünde entlassen. Wichtiger war jedoch der Eintrag: „Ab nach Elsfleth“! In Elsfleth war 1832 auf Betreiben der Reeder eine Navigationsschule gegründet worden. Diese war ab 1871 von überregionaler Bedeutung zur Ausbildung von Unter- und Obersteuerleuten. Seit 1916 wurde sie Seefahrtsschule genannt. Heute existiert sie als Fachhochschule unter der Bezeichnung Jade Hochschule.

Stets lange Zeit auf See
Franz Schwarz brachte Erfahrung mit vom Dienst auf Segelschiffen genauso wie auf Dampfschiffen. Während seines Militärdienstes lernte er zwei besondere Schiffe kennen. Er war auf Fahrt mit der S.M.S. „Oldenburg“ von Anfang April bis Ende September 1886 unter Korvettenkapitän Karl Eduard Heusner. Es handelte sich um das erste in Deutschland ganz aus Stahl gebaute Schiff. Dieses Panzerschiff war 1884 auf der Vulcan-Werft in Stettin fertiggestellt worden und wurde umgangssprachlich wegen seiner plumpen Form „das Bügeleisen“ genannt. Es war allerdings schon bei seiner Fertigstellung veraltet, verfügte aber über relativ gute Seeeigenschaften.

Franz Schwarz' zweite Seereise auf einem Kriegsschiff erfolgte auf der Panzerkorvette S.M.S. „Hansa“, die 1872 in Dienst gestellt worden war. Er und 398 weitere Besatzungsmitglieder waren von Oktober 1886 bis Ende Januar 1887 auf See. Im Jahr darauf wurde dieses Schiff wegen starker Schäden am Rumpf außer Dienst gestellt.

Schwarz war vor Ableistung seines Militärdienstes als Matrose auf dem Segelschiff „Sebastian Bach“, Heimathafen Bremen, von Bremen nach Philadelphia und zurück gefahren. Danach auf dem Dampfschiff „Braunschweig“, das die Route Bremen–Baltimore und zurück über die La-Plata-Staaten fuhr. Hier handelte es sich um ein Auswandererschiff, das 903 Passagiere an Bord hatte. Auch die Segelschiffe „Dora“, Bremen, und „Diamant“, Bremen, auf denen er ebenfalls fuhr, hatten als Ziel Nordamerika, vor allem New York. Nach Militärdienst und Besuch der Navigationsschule Elsfleth war die erste Heuer als 2. Steuermann auf dem Segelschiff „Dora“ unter Capt. H. Meyer, der Auswanderer nach New York brachte. Statt 50 Mark monatlich als Matrose betrug die Heuer jetzt 68 Mark. Mit dem Segelschiff „Atlantic“, Heimathafen Elsfleth, ging Schwarz auf große Fahrt: Von Amsterdam nach Java und weiter. Reisedauer von Dezember 1887 bis Februar 1889, abgemustert in Marseille.

Auch die nächste Reise sollte über ein Jahr dauern: Von Marseille nach Tarragona, Malaga, Guayaquil und Manta/Ecuador und zurück nach Hamburg mit dem Segelschiff „Aeolus“, Heimathafen Elsfleth. Es schloss sich eine Reise mit dem Segelschiff „Bremen“ an nach Newport, Liverpool, Honolulu, San Francisco, Falmouth, Fleetwood und Liverpool. Wieder viele Monate auf See – als 2. Steuermann. Es folgten Fahrten mit dem Dampfschiff „Rolandseck“, laut Musterrolle „in europäischer Fahrt“.

Das nachfolgende Seefahrtsbuch, ausgefertigt 1893, beginnt mit dem Eintrag: „Inhaber hat sich zum Schiffsdienste auf dem Dampfschiffe ,Sophie', Heimathshafen Geestemünde, geführt von Capt. Georg von Hugo, auf zwei Jahre verheuert und verpflichtet sich, zur Anmusterung nach St. Louis du Rhone zu reisen ...“ – als 2. Steuermann für eine Heuer von monatlich 100 Mark. Die Reise führte von Savona und Venedig nach Batumi (damals: Russland) und nach Nordamerika. Eine zweite ähnliche Reise absolvierte Schwarz gleich anschließend wieder auf der „Sophie“, die jetzt vom Capt. Gustav von Boltenstern geführt wurde.

Mit dem Dampfschiff „Arensburg“ kam Schwarz in den kommenden Jahren wiederholt nach Nord- und Südamerika. Mit dem Dampfschiff „Lipsos“, geführt von Capt. G. Kunzendorf, ging es „nach der Levante“, das heißt, Häfen des Schwarzen Meeres und der Türkei wurden angelaufen. „Nach Aussage des Captains P. Bradhering vom Dampfer Gutrune hat obengenannter F. Schwarz in Rotterdam nicht abmustern können ...“ – so eingetragen in seinem Seefahrtsbuch vom Kaiserlich Deutschen Consulat, Malmö, den 24. Dezember 1900. Und nun klafft eine Lücke. Es ist zu vermuten, dass Schwarz noch mindestens ein weiteres Seefahrtsbuch hat ausstellen lassen.

Er lernte die Häfen der Welt kennen
Unbeantwortet muss zum jetzigen Zeitpunkt die Frage bleiben: Wie wurde er und seit wann war er Lotse in Stolpmünde? Der Reisepass, den er 1924 in Stolp beantragte und den er einen Tag vor seinem 61. Geburtstag ausgestellt erhielt, ist zwei Jahre gültig, gilt für das In- und Ausland und kostete drei Goldmark. Leider wurde das Passfoto entfernt. Wir erfahren nur, seine Gestalt wird als „mittel“ bezeichnet, sein Gesicht als „rundlich“, die Farbe der Augen ist „grau“, die Haarfarbe, die im Militärpass noch als „blond“ bezeichnet wurde, ist ebenfalls „grau“. Besondere Kennzeichen: „Keine“. Und wie schon im Militärpass vermerkt: keine Ehefrau, keine Kinder. Interessant ist der rot eingestempelte und handschriftlich in roter Tinte ergänzte Vermerk des Finanzamtes Stolp: „Ausreiseverzeichnis Nr. 46. Gebührenfrei für eine Reise nach Memel, Auslandsaufenthalt ein Monat. Gegen die einmalige Ausreise des Paßinhabers über eine amtlich zugelassene Grenzübergangsstelle bestehen keine steuerlichen Bedenken.“

Schwarz musste seinen Aufenthalt in Memel bei der Polizeiverwaltung anmelden. Das machte er am 7. Mai 1924, nachdem er am 5. Mai die Grenze nach Litauen in Tilsit passiert hatte (Stempel der Passkontrolle Tilsit Bhf.) Damit war er seiner Meldepflicht nachgekommen, was auch – in litauischer Sprache – mit Stempeln, Einträgen und Gebührenmarken dokumentiert wurdw. In Memel meldete er sich ab am 14. Mai 1924. Der amtliche Eintrag lautet: „Abgemeldet auf Seereise“. Der letzte Stempel in seinem Reisepass ist der der Passkontrolle Pillau.

Der weitere Lebensweg des Franz Schwarz liegt im Dunkeln. Hat er den Zweiten Weltkrieg noch erlebt? Gut denkbar, bei Geburtsjahrgang 1863. Hat er auf die Flucht gehen müssen oder hat er die Vertreibung nach Kriegsende erlebt? Auch das ist denkbar, denn: Wie oder durch wen sind diese Dokumente seines Lebens auf die Insel Rügen gekommen? Und wer hat sie dort so viele Jahre gehütet?


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS