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Der Historiker Andreas Rödder zeigt auf, wie es zur Verhärtung der internationalen Beziehungen in den letzten Jahren kommen konnte
Es waren kurze Flitterwochen, als sich nach der politischen Wende von 1989/90 die Gegensätze zwischen Ost und West auflösten und liberale Ordnungsvorstellungen sich weltweit durchzusetzen schienen. Heute mutet das wie eine ferne Zeit an, denn längst befindet sich die Welt, wie der Historiker Andreas Rödder konstatiert, in einem neuen Ost-West-Konflikt. Und dieser sei fast noch gefährlicher als der frühere; statt damals zwei großer Kontrahenten stünden heute mehrere aggressiv-autoritäre Länder wie Russland, China oder der Iran gegen den Westen.
Rödder beschreibt in „Der verlorene Frieden“ die historischen Ursachen dieses Wandels und nennt Möglichkeiten, diesem angemessen zu begegnen. Wenn er zeigt, wie die Verhärtung der internationalen Beziehungen vor allem durch Wladimir Putin provoziert wurde, hält er auch dem Westen Versäumnisse vor.
Die glücklichen Jahre nach der „Wende“ dauerten nur kurz. Wetterleuten waren schon in den 1990er Jahren die Irakkriege. Zum Kipppunkt wurde die Zeit zwischen 2001 und 2008: Nine-Eleven in den USA, die Bekämpfung der Taliban, Russlands Krieg gegen Georgien, Putins „Wutrede“ 2007 auf der Münchner Sicherheitskonferenz und die nur halbherzig dementierte Absicht, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, was Russland vollends zur Konfrontation trieb.
Die Finanzkrise 2008 ließ den Westen schwächeln, was Russland und das zur zweitstärksten Wirtschaftsmacht aufgestiegene China zu Fehlschlüssen verleitete, vor allem was den Krieg gegen die Ukraine und Chinas Spiel mit dem Feuer um Taiwan betrifft. Der Krieg in Nahost führte zu einer Konfrontation mit dem Iran.
Das Buch endet mit einem Kapitel über „wertebasierte Realpolitik“, was für den Autor bedeutet: historische, auch vorausschauende Fantasie in der Politik (woran es gerade dem Westen mangele); Politik mittelfristig anlegen, also nicht so sehr kurzfristige Effekte berücksichtigen und dabei auf eintretende Veränderungen reagieren; glaubwürdig und konsequent handeln und dabei nicht – oft ein Fehler des Westens – überheblich sein. Für Europa hieße das: Festigkeit nach außen und innen, solidarisch handeln mit den USA, wozu in Europa eine deutsche Führungsverantwortung gehöre.
Rödder, der an der Universität in Mainz lehrt, schreibt angenehm nüchtern und gut lesbar, bringt viele Überlegungen zur Politik und sieht den Westen kritisch, aber nicht mutlos. Eine lesenswerte Analyse zur heutigen Lage der Welt.
Andreas Rödder: „Der verlorene Frieden. Vom Fall der Mauer zum neuen Ost-West-Konflikt“, C.H. Beck Verlag, München 2024, gebunden, 250 Seiten, 26 Euro