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Bettina Müller zeichnet ein Lokalkolorit im Umbruch von der Kaiser- bis zur Weimarer Zeit in der Hauptstadt des Deutschen Reichs
In „Dandys, Diebe, Delinquenten“ begeben wir uns mit PAZ-Autorin Bettina Müller auf eine Zeitreise durch das kriminelle Berlin der 30er Jahre. In einer etwas langatmigen Einleitung schlägt sie den Bogen vom beschaulichen kaiserlichen Berlin bis in die chaotischen Jahre der Weimarer Republik. Die unübersichtlichen Verhältnisse brachten es mit sich, dass ein bunter Haufen von Verbrechern ihrem kriminellen „Metier“ nachgehen konnte. Aus der Fülle von Vergehen hat die Autorin 14 spektakuläre Fälle herausgepickt, die sich seinerzeit im „Chicago“ des Reiches ereigneten.
Ein Mann mit dem klingenden Namen Georges Manolescu, dem man den Ehrentitel „Fürst der Diebe“ ans Revers heftete, eröffnet den Reigen. Er wechselte je nach Gusto seine Identität, „befreite“ die Reichen auf seinen Raubzügen von allem Kostbaren, landete im Kittchen und fand schließlich in Menton an der Côte d'Azur seine letzte Ruhestätte. Ein weiterer „Gentleman-Verbrecher“ führte jahrelang die Berliner Polizei an der Nase herum. Sein Vorbild war offensichtlich der Hauptmann von Köpenick. Er zwängte sich zwar nicht in eine preußische Uniform, trug dafür aber einen gestutzten Schnurrbart à la Wilhelm II. und präsentierte sich stets in feinem Zwirn. Auch einen berüchtigten Juwelendieb hatte das Berliner „Milljöh“ zu bieten, der während eines Raubzugs vor der Inhaftierung aus dem Fenster stürzte und sich dabei das Bein brach.
Eine der skurrilsten Erscheinungen jener Verbrecherriege war der Fassadenkletterer Fritz Wald, ein Dandy, der seinem riskanten Beruf stets in Smoking und Lackschuhen nachging. Man nannte ihn das „Nachtgespenst“, das nicht nur seine Opfer bestahl, sondern auch den in tiefem Schlummer befindlichen Damen des Hauses einen zarten Kuss auf die Lippen drückte, bevor er sich abseilte. Ein gefundenes Fressen für den bekannten Schauspieler und Sänger Kurt Gerron, der dichtete: „Ick bin dein Nachtgespenst. Ick weck dich, wennde pennst.“
Dieses spannend geschriebene Buch enthält neben unblutigen Vergehen auch grauenvolle Verbrechen. Da ist der Fall eines Polizisten, der sich 1924 vor dem Schwurgericht wegen brutaler Morde an zwei älteren Frauen zu verantworten hatte. Ein Gutachter bescheinigte ihm eine schwere psychische Störung und sorgte dafür, dass er in einer psychiatrischen Anstalt landete. Eine humane Entscheidung. Diese Einstellung änderte sich schlagartig, als wenig später die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Für die waren alle Delinquenten „Ungeziefer“, von denen sehr viele umgehend deportiert wurden.