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Provinz Preussen

Verheerende Feuerbrünste von Marienburg 1899

Der Sommer war heiß, trocken und gefährlich, als mehrere Brände schwere Schäden am Stadtbild verursachten

Jürgen Ehmann
28.10.2024

Die Stadt Marienburg erlebte in der Vergangenheit schon viele Brände. Im Januar 1862 brannten sechs Wohnhäuser mit zwei Hintergebäuden in den Niederen Lauben ab mit ihrem alten, damals hölzernen Arkadenbau nach der Schlossseite zu. Man erzählte sich fortan, dass bei der Bauart der Lauben und der dahintergelegenen Gebäude ein dort aufkommender Brand für den ganzen Stadtteil verhängnisvoll werden würde.

Im Juli 1899 wurde aus der Befürchtung Realität. Es herrschte eine dreiwöchige Hitze, welche das Holzwerk der Bauwerke extrem austrocknete. Am 26. Juli 1899 um 5 Uhr morgens brach in der Speichergasse im Stall- und Scheunengebäude des Wurstfabrikanten Brünlinger, welche zusätzlich eine Räucherkammer beinhaltete, ein Feuer aus. In dem Speicher lagerten große Mengen Wurst und Speck, die das Feuer zusätzlich anfachten. Beim Öffnen des Stallgebäudes drang eine Stichflamme aus dem Speicher hervor. Man fand später zwei Pferde und mehrere Schweine verendet. Als gegen sieben Uhr der Wind nach Osten umsprang, erfassten die Flammen die gegenüberliegende Straßenseite und sprangen über auf das Brünlingersche Grundstück auf den Hohen Lauben, gegenüber dem Rathaus. Später drehte der Wind nach Norden. Die Flammen wurden nun zur Marienburg getrieben und setzten etwa 15 Marktgrundstücke in Brand, berichteten Zeitzeugen.

Dem Wind ausgeliefert
Nach telegraphischen Meldungen waren bis 12.15 Uhr 20 Häuser in der Speichergasse und 15 Häuser in der Hauptstraße an den Hohen Lauben niedergebrannt. Das Feuer erreichte das im gotischen Stil errichtete Rathaus und zerstörte den Dachstuhl sowie den Rathausturm. Die auf der Rathaus-Marktecke gelegenen Häuser konnten nur durch permanentes Bespritzen geschützt werden.

Zur Unterstützung der Löscharbeiten kamen der Marienburger Feuerwehr Einsatzkräfte aus der Umgebung, aus Elbing, Dirschau und Danzig zur Hilfe. Die letztgenannte schickte eine Dampfspritze, zwei Druckwerke und zwei Wasserwagen mit der Bahn nach Marienburg. Um 13 Uhr waren bereits 40 Häuser vom Brand ergriffen. Große Ausnahmen: das Hochmeisterschloss und das Postgebäude.

Am Nachmittag wurde das Feuer dann endlich eingedämmt, welches erst etwa 300 Meter von dem Hochmeisterschloss entfernt Halt gemacht hatte. Das Schloss selbst war in Folge des entgegengesetzten Windes niemals gefährdet. 50 Wohngebäude und Stallungen, darunter das alte Gymnasium, die Töchterschule, die Leistikow-Apotheke, die Rathaus-Apotheke und die Druckerei der „Nogat-Zeitung“ wurden ein Raub der Flammen. Personen wurden nicht verletzt. Der Schaden belief sich auf mehrere Millionen Mark, war zumeist durch die Versicherung gedeckt.

Historische Fenster platzten
Die abgebrannten Häuser stammten zumeist aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Ein merkwürdiger Bau war die frühere lateinische Schule, das jetzige Wohnhaus des Lederhändlers Janzen in der Speichergasse. Das Gebäude stammte aus dem 13. Jahrhundert und hatte Umfassungsmauern von dreiviertel Meter Stärke, sowie kolossale Balkenlagen. Trotz des starken massiven Baues ist es vollständig zerstört worden. Durch die Thorner Pioniere wurden die noch stehengebliebenen Mauern gesprengt. Der Luftdruck war derart, dass fast sämtliche Fenster und Schaufenster unter den Niederen Lauben und in den angrenzenden Straßen zertrümmert wurden. Auch die historischen Scheiben des Rathauses wurden zerstört. Der Knall der Sprengungen war meilenweit zu hören.

Laut der „Kölnischen Zeitung“ vom 31. Juli 1899 sollen Schaulustige aus Danzig, Dirschau, Marienwerder, Stuhm und Elbing mit Personenzügen gekommen sein, um diesem grausigen Schauspiel beizuwohnen. Die Marienburger Schankwirte sollen angeblich infolge der Hitze selten so gute Einnahmen gehabt haben.

Ein weiteres Feuer brach im selben Sommer am 11. August 1899 um Mitternacht im Haus des Kaufmanns Kohrtmann in den Niederen Lauben aus. Trotz eines fünfstündigen Einsatzes der Feuerwehr brannten zwei Häuser ab, ein drittes wurde in Mitleidenschaft gezogen. Danach erfolgten mehrere Brandstiftungen und anonyme Brandandrohungen an angesehene Personen mit Bemerkungen, „dass die Stadt nächstens an allen Ecken brennen werde“. Man vermutete, dass die Brandstifter einer Diebesbande angehörten, welche die entstehende Verwirrung zum Stehlen benutzen wollte.

Aufbau auf Wunsch des Kaisers
Als am Nachmittag des 27. August 1899 die auf dem Rathaus angebrachte Notglocke sowie die Glocken der katholischen Kirche ertönten, brannte es diesmal auf dem Grundstück des Musikdirektors Pelz unter den Hohen Lauben. Es war eins von den wenigen Grundstücken, die nach dem großen Brand am 26. Juli noch übrig geblieben waren. Da die Freiwillige Feuerwehr am Morgen eine Übung abgehalten hatte und alle Geräte in tadellosem Zustand waren, gelang es schnell, die Gefahr einzudämmen. Und das, obwohl sich in unmittelbarer Brandnähe Speicher befanden, in denen viele Fässer Spiritus, Petroleum und Öl lagerten. Die Bewohner der Nachbarhäuser fingen daher bereits an, ihr Hab und Gut zu retten, da das Nebengebäude brannte.

Anzumerken ist, dass die berühmten „Hohen Lauben“ nach ihrer Zerstörung auf Wunsch des Kaisers möglichst in der ursprünglichen Form wiederhergestellt wurden und am 6. Dezember 1902 nach einem Feuer im Haus Hohe Lauben 35 erneut sechs Häuser mit der Front nach den Hohen Lauben und fünf mit der Front nach der Speichergasse abbrannten sowie das historische Marienburger Tor in Gefahr war, abzubrennen.


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