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Die Stadtführerin Małgorzata Urlich-Kornacka hat sich auf Streifzüge durch die Filmgeschichte der Stadt konzentriert
Am liebsten mag es Małgorzata Urlich-Kornacka, wenn um sie herum viel los ist. Deshalb fühlt sich die gebürtige Friedebergerin [Mirsk] in Breslau pudelwohl. Die Metropole bietet ihr immer wieder Neues zum Entdecken. „Man kann nie sagen, man kenne Breslau wie seine Westentasche. Dafür ist Breslau einfach zu groß“, sagt die Germanistin, Fremdenführerin und Autorin, die gerade einen Reiseführer „Unterwegs durch Breslau“ herausgebracht hat. „Die deutsche Fassung ist bereits in Arbeit“, sagt sie. Darin bietet sie unter anderem eine Route auf den Spuren des filmischen Breslaus an. Den Anlass gab ihr ein besonderes Filmjubiläum: 100 Jahre „Phantom“ von Friedrich Wilhelm Murnau.
„Der Film war quasi ein Geschenk Friedrich Wilhelm Murnaus zum 60. Geburtstag Gerhart Hauptmanns, dessen gleichnamiger Roman als Vorlage diente“, sagt sie. „Das Besondere dabei ist, dass der Zuschauer in den ersten Sekunden des Stummfilms Gerhart Hauptmann persönlich sieht, wie er auf einem Feldweg seinen, wie er sagte, produktiven Spaziergang macht“, berichtet Urlich-Kornacka, die darüber auch in ihrer speziellen Führung „Filmisches Breslau“ erzählt. Täuschend echt erscheint im Stummfilm „Phantom“ das Wahrzeichen Breslaus – das Rathaus, „obwohl es nur aus Pappe ist und in den Ufa-Studios Potsdam-Babelsberg nachgebaut wurde. Im Film fällt kein einziges Mal das Wort Breslau, denn die Filmemacher wollten eine universelle Großstadt zeigen. Trotzdem lag ihnen daran, die Atmosphäre Breslaus wiederzugeben. Schließlich besuchte das Filmteam die schlesische Metropole, um sich vor Ort ein Bild zu machen“.
Zoogelände als Filmstudio
Die Gattung Film genoss in den 1920er Jahren noch nicht den Status der hohen Kunst und „es war ein kluger Schachzug Friedrich Wilhelm Murnaus gewesen, gleich zu Beginn seines Phantoms den berühmten Nobelpreisträger Hauptmann zu zeigen“, meint Professor Andrzej Gwóźdź. Er ist Kenner der deutschen Filmgeschichte und Dozent an der Schlesischen Universität Kattowitz, mit dem Urlich-Kornacka genauso vernetzt ist wie mit Andrzej Dębski von der Universität Breslau, der Mitte Juni das erstmals stattfindende Filmfestival „Niederschlesien im Film“ organisierte.
Die Fremdenführerin und Schlesienexpertin führt Breslaubesucher gerne an Orte, die Filmgeschichte machten. Dazu gehören auch ungewöhnliche wie der Breslauer Zoo. „Vor 101 Jahren wurde dieser nämlich aus wirtschaftlichen Gründen bis 1927 geschlossen. Das Gelände wurde an die Filmproduktionsfirmen Matador-Filmwerke, Rochus-Gliese-Film und Eulag vermietet“, berichtet Urlich-Kornacka. Es seien dort zwar keine nennenswerten Filme entstanden, aber solche, die für die heutigen Filmforscher wichtig seien: „Im Drama ,Hyänen des Glücks' spielte Alfred Abel mit, der später in Murnaus Phantom groß rauskam“. Zwischen 1921 und 1924 beherbergte das Zoogelände mehrere Ateliers und Studios, berichtet sie: „Darunter eines im Elefantenpavillon. Das Affenhaus wurde zur Kopieranstalt umgewandelt und andere Gehege wurden als Unterkünfte genutzt“, sagt sie und zählt etwa sechs oder sieben Filme auf, die auf dem Zoogelände gedreht wurden, darunter das Liebesdrama „Brüder“, das „Drama zwischen Himmel und Erde“ von Rochus Gliese, der Spionagefilm „Im Namen des Königs“ von Erich Schönfelder und ein Hochgebirgsdrama „Winterstürme“ von Otto Rippert.
Bei ihren Recherchen fand Urlich-Kornacka heraus, dass in diesen Filmen Breslauer Schauspieler vom Lobe- und Thaliatheater mitwirkten.
Große Regisseure starteten ihre Karriere in Breslau
„An einen gewissen Herrn Bloch erinnerte sich der Regisseur Rochus Gliese“, berichtet sie. Urlich-Kornacka stieß in Archiven auf Glieses schriftliche Aufzeichnungen, in denen zu lesen war: „Herr Bloch sieht zwar gut aus, aber nur dann, wenn er ausgeschlafen ist.“ „Meistens war es aber nicht der Fall, weil Herr Bloch ein intensives erotisches Leben führte und die Ehefrauen reicher Männer oder die der Produktionsleiter verführte. Und wer weiß, vielleicht lag es an Herrn Bloch, dass sich Breslau der Vorkriegszeit doch nicht zu einer Filmmetropole entwickelte“, lacht die resolute Reiseleiterin und Autorin. Diesen Sprung schaffte Breslau nach Kriegsende. 1954 entstand in der Nähe der Jahrhunderthalle, am Vier-Kuppel-Pavillon von Hans Poelzig, ein selbstständiges Breslauer Filmstudio. Bis in die 90er Jahre wurden dort 460 Filme produziert.
Große Regisseure wie Andrzej Wajda oder Roman Polanski haben in Breslau ihre Karrieren gestartet, berichtet sie. „Um zu sparen, drehten die Regisseure gerne in der Umgebung und zu diesen Orten führe ich und versuche die Atmosphäre wiederzugeben.“