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Wie sich die Pandemie auf den Abschluss von Risiko-Policen auswirkt
Die Folgen der Corona-Pandemie und des durch sie bedingten Lockdowns sind noch nicht vollumfänglich absehbar, so auch im Bereich Versicherungen. Weitgehend ungeklärt ist nämlich, ob Corona ein versicherbares Risiko ist.
Der „Stern“ berichtete kürzlich über eine 26-jährige Frau aus Berlin, die wegen einer kurzen Corona-Erkrankung im vergangenen März mit leichtem Verlauf bei ihrem Versicherungsmakler keine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen konnte. Denn Vorerkrankungen wie eine Infektionskrankheit müssen bei jeder Personenversicherung – dazu gehören neben der Berufsunfähigkeits- auch die Kranken-, Lebens-, Unfall-, Sterbegeld- und Pflegeversicherung – angegeben werden. Handelt es sich hier um einen Einzelfall oder werden Menschen, die eine Corona-Erkrankung überstanden haben, generell benachteiligt beim Abschluss einer der genannten Versicherungen?
Der Bund der Versicherten (BdV), der als Verbraucherschutzorganisation die Interessen von Versicherten gegenüber den Gesellschaften vertritt, teilt auf seiner Internetseite mit, dass ihm bislang keine derartigen Beschwerden vorliegen.
Auf Anfrage der PAZ, ob Verbraucher grundsätzlich keine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen können, wenn sie zuvor an Corona erkrankt waren, schrieb der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV): „Ist ein an COVID-19 Erkrankter wieder vollständig genesen, steht dem Abschluss einer Berufsunfähigkeits-Versicherung (BU) grundsätzlich nichts im Wege. Sollten sich im Einzelfall Spätfolgen der Erkrankung ergeben (denkbar wäre zum Beispiel eine dauerhafte Lungenschädigung), so wird dies in aller Regel im Rahmen der Gesundheitsprüfung relevant sein.“ Eine allgemeingültige branchenweite Aussage lasse sich allerdings nicht treffen.
Eine ganze Reihe von Vorerkrankungen führt generell – ganz abgesehen von der aktuellen Pandemie – zu Schwierigkeiten beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung, Krankenzusatzversicherung oder Risikolebensversicherung. Bei diesen wird bereits bei der Antragsstellung nach früheren Erkrankungen gefragt. Es handelt sich um die sogenannte vorvertragliche Anzeigepflicht. Sollte die Frage nach Vorerkrankungen falsch beantwortet sein und die Versicherungsgesellschaft findet im Schadensfall heraus – beispielsweise durch eine Arztanfrage –, dass die Krankheit bereits vor Vertragsabschluss bestand, ist sie berechtigt, die Leistung abzulehnen und schlimmer noch: Sie kann rückwirkend vom Vertrag zurücktreten.
In der Regel wird nach Erkrankungen in den letzten fünf Jahren gefragt. Bei chronischen Krankheiten, zum Beispiel Asthma, kann es vorkommen, dass die Versicherer sich schwertun mit einem Vertragsabschluss. Deshalb sei es ratsam, so der GDV, möglichst frühzeitig eine BU abzuschließen, die eine Vielzahl von Risiken, durch die man berufsunfähig werden kann, absichert. Auch wenn jemand aufgrund der Folgen einer COVID-19-Erkrankung berufsunfähig werde, zahle die Versicherung.
Die Versicherungsgesellschaften arbeiten mit verschiedenen Modellen der Risikobewertung. Für viele sind schwere Vorerkrankungen wie Asthma, Herzinfarkt, Multiple Sklerose ein Ausschlusskriterium. Menschen, die einmal wegen einer psychischen Störung behandelt wurden, haben keine Chance, eine BU abzuschließen, da psychische Erkrankungen als nicht versicherbares Risiko gelten.
Bei Erkrankungen wie Allergien, Bandscheibenvorfall oder auch Fehlsichtigkeit oder Schilddrüsenunterfunktion hängt es von der Schwere der Vorerkrankung ab, ob eine Gesellschaft einen Antrag annimmt oder Risikozuschläge erhebt. Für rund ein Zehntel der abgeschlossenen BU-Anträge wird ein solcher erhoben. Dieser kann im Einzelfall bis zu 50 Prozent betragen. In nur weniger als fünf Prozent lehnen Versicherer dagegen komplett ab.
Bei der Württembergischen Versicherung ist COVID-19 laut Aussage eines Fachmanns in der Unfallversicherung eingeschlossen. Vor Abschluss einer BU müsse die Infektionserkrankung wie jede andere Vorerkrankung angegeben werden, führe jedoch nicht zum Ausschluss, heißt es auf PAZ-Nachfrage.
Der BdV rät, vor Abschluss einer Versicherung eine anonymisierte Anfrage zu stellen, denn die Versicherer tauschen ihre Informationen über das Hinweis- und Informationssystem der deutschen Versicherungswirtschaft (HIS) aus. Auch abgelehnte Anträge werden neben Angaben zu Versicherungsnehmern dort gespeichert.
Die Benachteiligung psychisch Kranker bei den Personenversicherungen geht an der Realität weit vorbei angesichts der Tatsache, dass in den vergangenen zehn Jahren die Statistiken immer mehr psychische Krankheiten registrieren und sie für die Arbeitswelt erheblich an Bedeutung gewonnen haben. Die Corona-Maßnahmen haben die Probleme verstärkt.
Die Krankenkasse KKH verzeichnet für das erste Halbjahr 2020 eine Zunahme von psychischen Erkrankungen um
80 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Existenzängste durch Jobverlust und Kurzarbeit sowie die Furcht vor der Krankheit sowie die Kontaktbeschränkungen führten dazu. Erkrankte, die bereits vor den Corona-Maßnahmen unter Depressionen litten, trifft es besonders hart. Für Menschen in komplizierten Lebensverhältnissen führen Einsamkeit und fehlende Tagesstrukturen häufig zu einer Verschlimmerung ihrer Symptome.
Die Anfrage der PAZ beim Bundesgesundheitsministerium, ob es Gespräche oder Verhandlungen zwischen dem Ministerium und der Versicherungswirtschaft darüber gibt, wie mit Menschen mit dem Virus SARS-COVID-19 umgegangen werden soll, blieb unbeantwortet.