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In Berliner Amtsstuben fehlt es massiv an Personal und Technik – Politik macht alles nur noch schlimmer
Spätestens seit der Pannen-Wahl im Herbst 2021 ist der Zustand der Berliner Verwaltung sogar international ein Thema. Der rot-grün-rote Senat hat nun eine grundlegende Reform der Berliner Verwaltungsstrukturen angekündigt. Ein wichtiger Teil des Plans soll die Einführung eines „politischen“ Bezirksamts sein. Bislang sind in den Bezirksämtern der Hauptstadt alle großen Fraktionen anteilig nach ihrem Wahlergebnis vertreten. Mit der Verwaltungsreform soll stattdessen das Bezirksamt durch die Mehrheit der Bezirksverordnetenversammlung gewählt werden. Mit dieser Änderung sollen die Bezirksbürgermeister zudem auch eine Richtlinienkompetenz erhalten.
In der Berliner Wirtschaft kommen diese Pläne gut an. Sebastian Stietzel, Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer, erklärte: „Endlich lässt der Senat Mut zu einer echten Verwaltungsreform erkennen und nimmt die Berliner Landesverfassung mit in den Blick.“
Empfängerkreis verdreifacht
Die Bemühungen des Senats, die Verwaltung der Hauptstadt leistungsfähiger zu machen, kommen aber vermutlich zu spät. Bevor sich die Zustände bessern, droht Berlins Verwaltung zunächst einmal eine Phase der extremen Überbelastung. In den Amtsstuben fehlt Personal, gleichzeitig muss die Verwaltung immer mehr Arbeit bewältigen. Allein durch das neue Wohngeld-Plus-Gesetz, das zum 1. Januar 2023 in Kraft treten soll, wird sich in Berlin der Empfängerkreis von Leistungen von 25.000 auf mindestens 75.000 Haushalte erhöhen.
Schon jetzt aber warten Bürger in einigen Bezirken bis zu vier Monate, bis über ihren Wohngeldantrag entschieden ist. Der Senat hat den Bezirken nun 200 zusätzliche Stellen zur Bearbeitung von Wohngeldanträgen zugesagt. Bis das neue Personal dabei helfen kann, die ab Januar erwartete Antragsflut abzuarbeiten, können jedoch Monate vergehen.
Einige Behörden in den Bezirken sind bereits so stark überlastet, dass sie zeitweise für den regulären Publikumsverkehr schließen müssen. So geschehen in Neukölln (die PAZ berichtete). Dort sah sich der Sozialstadtrat Falko Liecke (CDU) gezwungen, das Sozialamt im November für 14 Tage für die Bürger zu schließen. Zur Begründung sagte Liecke: „Es ist der absolute Notfall. Die Kolleginnen und Kollegen brauchen die Zeit, um die Rückstände abzuarbeiten, weil wir völlig unterausgestattet sind.“
Bei der Überlastung spielen gleich mehrere Faktoren eine Rolle. Nach Angaben des Neuköllner Sozialstadtrats fehlt Personal. „Wir brauchen mindestens 40 Stellen“, so Liecke. In den Bezirken trifft der ohnehin chronisch knappe Personalstand nun auch noch auf einen sprunghaft steigenden Bedarf von Seiten der Bürger. Durch die rasant gestiegene Inflation benötigen mittlerweile Menschen Hilfe, die bislang mit ihrem Einkommen zurechtgekommen sind.
Dabei haben die Versuche der Ampel-Koalition im Bund und auch des Berliner Senats, mit „Entlastungspaketen“ den Bürgern zu helfen, eine Kehrseite: Die Verwaltung muss die schiere Zahl von Empfangsberechtigten bewältigen, zudem sorgt die Politik für komplizierte Regelungen. Im Fall der steuerlichen Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung auf die hohen Energiepreise reagiert hat, schlägt die Deutsche Steuergewerkschaft (DSTG), die das Personal der Finanzverwaltung vertritt, nun Alarm und warnt vor einer Überlastung.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft, Florian Köbler, warnt, dass in den Finanzbehörden schon jetzt „Land unter“ herrsche. Nach Angaben von Köbler müssen zur Bewältigung der Anforderungen der Politik IT-Systeme komplett neu programmiert werden. Dafür fehle aber das Personal oder es müsse an anderer Stelle abgezogen werden.
Ukrainer wundern sich
Berlins Verwaltung muss derzeit noch weitere Belastungen stemmen. Seit Februar haben sich allein rund 85.000 Menschen aus der Ukraine offiziell in Berlin registrieren lassen. Schätzungen gehen dahin, dass möglicherweise sogar 100.000 ukrainische Bürger mittlerweile in der deutschen Hauptstadt leben. Mitunter stellen diese Flüchtlinge fest, dass die deutsche Verwaltung gerade im Bereich der Digitalisierung ihrem Heimatland deutlich hinterherhinkt. Egal ob es um den Ausweis, die Studentenkarte, einen Impfnachweis oder Führerschein ging, war für die Ukrainer bis zum Kriegsausbruch der digitale Behördengang eine Selbstverständlichkeit. Das Land gilt als Vorreiter der Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen. Berlin liegt bei der Digitalisierung der Verwaltung wiederum extrem zurück.
Mit der vom Landesverfassungsgericht angeordneten Wahlwiederholung haben die Bezirksverwaltungen schließlich noch weitere Aufgaben aufgebürdet bekommen: Laut Recherchen des rbb werden die Berliner die Mehrbelastung für die Bezirksämter im Alltag auch ganz konkret bemerken. Mehrere Bezirksämter werden nämlich einige Bürgerämter zeitweise komplett schließen, um Personal für die Wahlvorbereitung frei zu bekommen.