19.02.2025

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Gerade höherpreisigen Lokalen geht die Luft aus: Restaurantsterben in Berlin
Bild: imago/Rüdiger WölkGerade höherpreisigen Lokalen geht die Luft aus: Restaurantsterben in Berlin

Mittelstand

„Viele haben keine Reserven mehr“

Berlin ist von Restaurantsterben heimgesucht – Auch die Politik hat ihren gewichtigen Anteil daran

Hermann Müller
10.02.2025

Gleich drei Berliner Restaurants sind in der neuen Ausgabe des Gastronomieführers „Gault&Millau“ mit der besten Bewertung ausgezeichnet worden. Deutschlandweit haben insgesamt nur 15 Restaurants die begehrte Auszeichnung als kulinarische Spitzenadresse erhalten. „Gault&Millau“-Herausgeber Jochen Rädeker lobt: „Die absolute Spitze in Deutschland ist noch besser und größer geworden – 20 Prozent mehr Auszeichnungen mit vier oder fünf Hauben sind ein eindrucksvoller Qualitätsausweis für die deutsche Gastronomie.“

Lob und Auszeichnungen für die Berliner Spitzenrestaurants sind geeignet, ein täuschendes Bild von der Lage der Gastronomie insgesamt zu liefern. Immer mehr Restaurantbetriebe kämpfen nämlich ums Überleben. Schon seit einiger Zeit verschwinden in Berlin immer mehr Adressen, die bislang für gute Küche standen. Betroffen sind alle Arten von Gastronomiebetrieben – vom hochgelobten Nobelrestaurant bis hin zum Lokal mit solider gutbürgerlicher Küche.

Deutsche Küche immer seltener
Erst zum Jahreswechsel hat im Stadtteil Kreuzberg nach 14 Jahren das Restaurant „Volt“ für immer geschlossen. Die Edelgaststätte in einem ehemaligen Umspannwerk war noch 2017 vom „Gault&Millau“ ausgezeichnet worden. Vor Kurzem gab auch das Restaurant „Breslau“ in Pankow bekannt, dass nach zehn Jahren im Februar Schluss sein wird.

Bei vielen anderen Speiselokalen ist es den Hauptstadtmedien nicht einmal mehr eine Meldung wert, wenn sie aufgeben. Gerade regelmäßigen Berlin-Besuchern fällt allerdings auf, wie insbesondere Restaurants mit traditioneller deutscher Küche in der Hauptstadt immer seltener werden. Auf den Speisekarten werden damit Gerichte wie Königsberger Klopse, Sauerbraten oder ein simpler Eintopf langsam zur Rarität.

Die Rede ist mittlerweile davon, dass in Berlin ein großes Restaurantsterben eingesetzt hat. Als Ursachen nennen Betreiber und Küchenchefs neben gestiegenen Lebensmittelpreisen, höheren Mieten und Personalkosten auch immer wieder die massiv gestiegenen Energiekosten. Hinzu kommen viel Bürokratie, der Mangel an Küchen- und Servicepersonal sowie die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer. Zur Entlastung der Gastronomie während der Corona-Zeit hatte die Bundesregierung die Mehrwertsteuer auf Restaurantbesuche zeitweise auf sieben Prozent gesenkt. Laut dem Versprechen von Kanzler Scholz sollte dies auf Dauer so bleiben. Doch seit Anfang 2024 gelten wieder 19 Prozent.

Dieses Bündel an Belastungen für die Gastronomiebranche ist nur eine Seite des Dilemmas. Auf der anderen Seite haben auch die potentiellen Gäste oftmals mit Lebenshaltungskosten zu kämpfen, die auf breiter Front drastisch gestiegen sind. Der Verzicht auf einen Restaurantbesuch ist damit für viele eine naheliegende Möglichkeit, Geld zu sparen.

Mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl hatte eine Reihe von Berliner Gastronomen unlängst Vertreter verschiedener Parteien geladen. Der Einladung gefolgt waren unter anderem Wolfgang Kubicki (FDP) und die Unions-Politikerin Anja Karliczek. Auf der Veranstaltung beklagte der Gastronom The Duc Ngo, dass die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer für Speisen im Lokal für viele Betriebe nur der letzte Tropfen gewesen sei.

Politiker versprechen Hilfe
Aus Sicht des erfolgreichen Restaurantbetreibers haben viele in der Branche noch nicht begriffen, dass es nicht reicht, die Preise nur um den Betrag der Mehrwertsteuererhöhung anzuheben. Eigentlich würden es die gestiegenen Lebensmittelpreise und Personalkosten erforderlich machen, die Preise um mehr als ein Viertel zu erhöhen: „Das hat sich noch kein Restaurant getraut“, so der Betreiber mehrerer Restaurants mit vietnamesisch-chinesischen Wurzeln.

Tatsächlich scheuen zahlreiche Gastronomen vor drastischen Preiserhöhungen zurück, weil sie Angst haben, Kunden zu verlieren. Als Folge bleibt unterm Strich immer öfter nichts übrig. Auf eine Folge dieser Entwicklung machte Arne Anker, Inhaber des Charlottenburger Restaurants Brikz, auf dem Gastronomentreffen aufmerksam: Es werde finanziell auf Kante genäht. Wenn dann zusätzlich zu den auf breiter Front gestiegenen Betriebskosten auch noch außerordentliche Kosten anfallen, etwa weil plötzlich ein Herd oder ein Kühlschrank kaputtgeht, seien keine finanziellen Reserven vorhanden.

Die anwesenden Politiker von CDU, FDP und SPD signalisierten, dass sie sich nach der Bundestagswahl dafür einsetzen wollten, die Mehrwertsteuer in der Gastronomie wieder auf sieben Prozent abzusenken. Aus Sicht einiger Restaurantbetreiber kommt diese in Aussicht gestellte Lösung allerdings zu spät, da viele Läden keine Reserven mehr haben, um noch einige Monate durchhalten zu können.


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Kommentare

Stefan Stulle am 10.02.25, 09:54 Uhr

Kleine Ergänzung: Die Grünen folgten der Einladung nicht, die AfD wollte, durfte aber nicht teilnehmen.

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