15.12.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Ordensburg Balga

Vom Aufstieg und Verfall einer frühen Festung

Erste Burg des Deutschen Ordens im Land der Prußen – Jahrzehntelanges Schicksal als Ruine

Wolfgang Kaufmann
04.06.2024

Während der Eroberungszüge des Deutschen Ordens im heutigen Ostpreußen unternahmen die beiden Schiffe „Pilgrim“ und „Frideland“ 1238 Erkundungsfahrten durch das Frische Haff. Dabei entdeckten die Ordensritter eine zungenförmige Halbinsel, deren 30 Meter hohes Steilufer von einer Burg des prußischen Stammes der Warmier gekrönt wurde.

Der Versuch, diese zu erobern, misslang. Daraufhin schickte der Orden im Folgejahr mehr Leute aus, die unter dem Kommando von Friedrich von Bernheim standen. Und die vermochten die Burg nun mit Hilfe des prußischen Verräters Kodrone einzunehmen. Seither trug die Befestigungsanlage den Namen Balga – entweder abgeleitet vom prußischen „Balgnan“ (Sattel), weil sie auf einer sattelförmigen Anhöhe stand, oder vom niederdeutschen „Balge“ für „Wasserrinne“.

Aufgrund der günstigen Lage am Frischen Haff konnte die Besatzung der Burg den Schiffsverkehr auf dem Küstengewässer kontrollieren. Außerdem eignete sich Balga hervorragend als Sprungbrett für die weitere Eroberung der Stammesgebiete der Warmier, Natanger und Barten. Deshalb starteten die Prußen noch 1239 einen Versuch zur Rückgewinnung von Balga, der aber Ende des Jahres scheiterte, als Herzog Otto von Braunschweig und Lüneburg Verstärkungen heranführte.

Anschließend baute der Deutsche Orden Balga zur ersten Ordensburg im Land der Prußen aus. Wegen deren großer militärstrategischer Bedeutung residierte hier zwischen 1250 und 1499 ein Komtur, also Statthalter des Ordenshochmeisters. Der kontrollierte das gesamte Gebiet zwischen dem Frischen Haff und den Ordensburgen in Lyck, Johannisburg, Rastenburg und Barten.

Im Verlauf des großen Prußenaufstandes von 1260 bis 1273 erwies sich die Burg als uneinnehmbares Bollwerk des Deutschen Ordens. Dennoch verstärkte dieser Balga massiv. Ab dem Jahre 1300 war die Befestigungsanlage auch der Ausgangspunkt für Siedlungsaktivitäten, in deren Rahmen zahlreiche deutsche Zinsbauerndörfer und Städte wie Heiligenbeil, Zinten und Landsberg gegründet wurden.

1426 bildete sich in der Frischen Nehrung gegenüber von Balga ein Tief, durch das Schiffe aus dem Frischen Haff in die Ostsee gelangen konnten. Das machte die Burg noch wichtiger – allerdings nur bis zum Jahr 1497. Dann entstand das Pillauer Tief, das bald den gesamten Schiffsdurchgangsverkehr von und nach Königsberg anzog. Kurz danach begann der Verfall von Balga. Dort hatte ab 1526 der erste evangelische Bischof des Samlandes, Georg von Polenz, seinen Sitz. Dem Kirchenmann wurde von seinen Zeitgenossen vorgeworfen, bei der Erhaltung „des hauses Balga nachlessig und unachtsam gewesen“ zu sein. So entstanden nun tiefe Risse in dem Gemäuer, weil die Mauern in Richtung Haff absackten.

Ziegel für die Festung Pillau

Während des Ersten Schwedenkrieges nutzte der schwedische König Gustav II. Adolf die Burg von Balga als Magazin. Anschließend befahl er 1627, Teile der Anlage abzureißen, um so Baumaterial für die Errichtung der Festung Pillau zu gewinnen. Genauso verfuhr der preußische König Friedrich I. Auf dessen Dekret vom 28. Januar 1701 hin wurden Tausende von Steinen aus Balga nach Pillau verschifft, sodass nur noch Teile des Haupthauses sowie ein Wachturm der Vorburg übrig blieben. Am Fuß des verfallenden Gemäuers lag das kleine Dorf Balga, in dem Kleinbauern, Gärtner, Fischer und Seefahrerfamilien lebten, die später ihrerseits massenhaft Ziegel aus der Ruine holten. Wahrscheinlich wäre diese daher zu Beginn des 19. Jahrhunderts komplett abgetragen worden, wenn sich nicht der Königsberger Kammerpräsident Rudolf von Auerswald für ihren Erhalt stark gemacht hätte. Darüber hinaus ist es dem königlichen Architekten und Oberlandesbaudirektor Karl Friedrich Schinkel zu verdanken, dass der Burgturm 1836 ein neues Dach erhielt. Das stoppte den Verfall.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Balga zu einem beliebten Ausflugsort, in dem rund 800 Menschen lebten. Auf Initiative des Landrates des Kreises Heiligenbeil, Friedrich Gramsch, stellte die preußische Regierung 1929 Mittel für die Wiederherstellung des sechsgeschossigen Wartturmes zur Verfügung, die durch die Baufirma Werning erfolgte. Anschließend zog 1931 ein Heimatmuseum der Kreisverwaltung Heiligenbeil in das historische Gebäude ein.

In der Schlussphase des Zweiten Weltkrieges tobten zehn Wochen lang Kämpfe zwischen der Wehrmacht und der Roten Armee im Raum von Balga, die erst am 29. März 1945 endeten, als die letzten deutschen Verteidiger angesichts der massiven sowjetischen Übermacht aufgeben mussten und mit Sturmbooten auf die Frische Nehrung übersetzten.

Nach der Annexion des nördlichen Ostpreußens durch die Sowjetunion wurde Balga in „Wesjoloje“ umbenannt. Heute stehen dort lediglich noch die früheren Häuser der Gebrüder Höpfner und der Familie Gerlach. Dazu kommen einige später errichtete Datschen, die zumeist Russen aus Königsberg gehören. Allerdings gibt es jetzt Pläne für eine Restaurierung und erneute touristische Nutzung der Burg von Balga.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

Karl-Heinz Dr. Pröhuber am 06.06.24, 09:34 Uhr

Die Kämpfe der 4. Armee und damit die Zerstörung der alten Festung Balga ist in der Fachliteratur erschöpfend thematisiert worden. Als Zeitzeuge kann ich die lesenwerte Doku von Schmeelke (einfach bei google eingeben) empfehlen. Das Ende der deutschen Einheiten rund um Balga ist an Dramatik kaum zu überbieten

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS