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Werbekampagnen am Ende der Weinlese – Um Winzern zu helfen, wurde schon vor 90 Jahren der Rebensaft „unters Volk gebracht“
Vor 1914 erfreute sich deutscher Wein internationaler Beliebtheit, und obwohl die Preise sich auf einem hohen Niveau bewegten, war die Nachfrage vor allem aus dem Ausland groß, wobei Großbritannien zu einem der Hauptabnehmerstaaten gehörte. Mit dem Ersten Weltkrieg brach dann der Export ein, und durch die Inflation zu Beginn der 1920er Jahre und der darauffolgenden Verarmung weiter Kreise der Bevölkerung kamen Absatzprobleme im Inland hinzu, viele Winzer verschuldeten sich. Außerdem schloss die Regierung der Weimarer Republik einen Freihandelsvertrag mit Spanien, was zum Import preiswerter Weine von dort führte. Schließlich erhielt die Situation durch die Weltwirtschaftskrise 1929 eine weitere Verschärfung.
Nachdem schon 1933 ein guter Weinjahrgang gewesen war, brachte das folgende Jahr plötzlich eine Rekordernte mit sich, denn statt der durchschnittlichen Mengen von 220 Millionen Litern Wein war der Ertrag diesmal mit 470 Millionen Litern mehr als doppelt so hoch. Die Lager waren voll wie kaum je zuvor, und so erinnerte man sich daran, dass die Nationalsozialisten bereits vor ihrer Machtübernahme versprochen hatten, sich der Sorgen der notleidenden Winzer anzunehmen, weshalb die NSDAP in den Weinbauregionen auch hohe Wahlergebnisse einfuhr. Tatsächlich initiierte die Partei mithilfe des aus der Weimarer Zeit übernommenen „Reichsausschusses für Weinpropaganda“ eine landesweite Werbeaktion mit dem Hinweis, Wein sei kein Luxus-, sondern ein Volksgetränk, eine Forderung, welche die Winzer auch schon in den 1920er Jahren erhoben hatten.
Nikolaus Simmer, von 1933 bis 1935 Landrat in Trier und seit 1935 Gauwirtschaftsberater des Gaus Koblenz-Trier, behauptete sogar, Wein sei schon bei den Germanen ein Volksgetränk gewesen, und erst der Marxismus habe es zu einem „Getränk für Kapitalisten und Ausbeuter“ erklärt und die Arbeiterschaft deshalb aufgefordert, es zu meiden.
Weil sich aber der Nationalsozialismus eine „Erhöhung des Lebensstandards“ zum Ziel setze, habe man mit der Einstellung, Wein sei ein „Bonzengetränk“ aufgeräumt. Stattdessen wurde Weintrinken nun zu einer „nationalen Pflicht“ erklärt und die „Beamten und Festangestellten mittleren und höheren Einkommens“ dazu angehalten, sich Privatkeller anzulegen und diese mit deutschen Weinen zu bestücken.
Geboren wurde der Slogan „Wein ist Volksgetränk“ jedoch im August 1934 in Düsseldorf vom dortigen NSDAP-Reichstagsabgeordneten Wilhelm Börger in seiner Eigenschaft als „Treuhänder der Arbeit für das Rheinland“. Im Zusammenwirken mit dem Vorsitzenden des „Reichseinheitsverbandes Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe“ der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF), Robert Schöpwinkel, der Miteigentümer des Düsseldorfer Hotels „Schloß Burg“ und zudem Stadtrat war, kam die Idee auf, anlässlich des ersten „Tags des deutschen Weines“, der am 1. und 2. September 1934 in Düsseldorf stattfand, die Patenschaft für ein Winzerdorf zu übernehmen.
Die Wahl fiel auf Wiltingen an der Saar, und nachdem sich beide Gemeindevertretungen einig geworden waren, rollten die ersten Weintransporte. Beim Winzerzug durch Düsseldorf Anfang September wurde die Abordnung aus dem nunmehrigen Patenweindorf jubelnd begrüßt und an die Stadtbevölkerung appelliert, Wiltinger Wein zu trinken, wo immer sich eine Gelegenheit dazu ergebe – und das in der (Alt-)Biermetropole Düsseldorf!
Der Erfolg dieser Veranstaltung führte dazu, dass die Gauleiter der Rheinpfalz (seit 1935 Saarpfalz), Josef Bürckel, und von Koblenz-Trier, Gustav Simon, den Gedanken der Weinpatenschaften übernahmen und dazu aufriefen, dem Düsseldorfer Beispiel zu folgen. Allerdings wurde dies mehr oder weniger von oben verordnet, indem man allen Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern jeweils ein oder mehrere Weinpatenorte zuteilte.
„Patenwein“ für die Berliner
So kamen 1935 rund 200 Patenschaften zustande. Als im Jahr darauf alle deutschen Kommunen mit mehr als 5000 Einwohnern verpflichtet wurden, mindestens eine Weinpatenschaft einzugehen, verfünffachte sich deren Zahl nahezu, indem reichsweit fast 1000 solcher Verbindungen entstanden, die sich bis 1937 von Duisburg im Westen bis nach Königsberg in Ostpreußen und von Schleswig-Holstein im Norden bis zu den Alpen im Süden erstreckten.
In der Woche vom 19. bis zum 26. Oktober 1935 fand in allen Städten und Gemeinden, die durch Patenschaften mit Winzerorten kooperierten, das erste „Fest der deutschen Traube und des Weines“ statt, das überall erfolgreich verlief und bei dem insgesamt zwölf Millionen Liter Wein konsumiert wurden.
Besondere Bedeutung kam dabei den Weinfesten in Berlin zu, einer Stadt, in der traditionell kaum Wein getrunken wurde, weil er als „Luxus für die gehobenen Schichten“ des Bürgertums galt, was dann durch die massive Förderung des deutschen Weins zu einer Veränderung führen sollte. So war dort schon 1934 ein Deutscher Weintag geplant, doch wurde daraus letztlich nur ein Weinfest im Rahmen der Deutschen Funkausstellung.
1935 bewegte sich dann allerdings ein großer Festumzug durch die Innenstadt, vorbei an der Kroll-Oper (Sitz des Reichstages), durch das Brandenburger Tor, über die Wilhelmstraße (Regierungsviertel) und die Friedrichstraße und schließlich über die Prachtstraße Unter den Linden bis zum Lustgarten, wo bei der Abschlusskundgebung die pfälzische Weinkönigin Polizeipräsident Wolf-Heinrich von Helldorf den „Ehrentrunk“ überreichte. 1936 nahmen 17 Festwagen an dem Winzerumzug teil und zwar sowohl aus den sechs Patenorten als auch aus Weinregionen Badens und Württembergs, und Staatskommissar Julius Lippert (ab 1937 Oberbürgermeister der Reichshauptstadt) empfing die Delegationen aus den Winzerorten im Rathaus.
Nahmen 1935 „mehrere 100.000“ Berliner am Weinfest teil, sollen es im Jahr darauf nur noch „mehrere 10.000“ gewesen sein, gleichwohl betrug ihr Konsum 1936 fast 1,4 Millionen Liter „Patenwein“ (0,3 Liter pro Kopf) und lag damit um
70 Prozent über dem des Vorjahres, sodass während der Veranstaltung Wein nachgeliefert werden musste.
1935 gab es erneut eine Rekordernte, weshalb der Wein wiederum schnell „unters Volk“ gebracht werden sollte. Dies geschah dann beim „Fest der deutschen Traube und des Weines“ in der Woche vom 19. bis zum 27. September 1936. Weil aber im Spätherbst desselben Jahres ein früher Kälteeinbruch mit starken Nachtfrösten erfolgte, fiel die Weinernte mengenmäßig gering aus. Es gab daher nur wenig guten Wein und den zu Höchstpreisen. Nun wurde sogar „Patensekt“ als „neues Feiertagsgetränk“ angepriesen.
Dennoch wollte man nicht ganz auf eine Kampagne verzichten, und so fand das „Fest der deutschen Traube und des Weines“ im Jahr darauf lediglich an einem Wochenende (25. und 26. September 1937) statt. Zusätzlich organisierte Gauleiter Simon in Bernkastel-Kues am Wochenende des 16. und 17. Oktober 1937 ein „Weinfest der Westmark“, das künftig jedes Jahr gefeiert werden sollte. 1938 fiel es jedoch ebenso aus wie das „Fest der deutschen Traube und des Weines“, da die Erträge erneut nicht ausreichend waren.
Stattdessen lieferte der Gau Ostmark, wie das im März jenes Jahres an das Deutsche Reich angeschlossene Österreich nun wieder hieß, den meisten Wein. Für 1939 plante man allerdings schon früh, denn aus Anlass der 2. Reichstagung des deutschen Weinbaues war erneut das „Weinfest der Westmark“ in Bad Kreuznach vorgesehen.
Der Beginn des Zweiten Weltkrieges machte dann allerdings alle Vorbereitungen zunichte.