Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Ein neuer Bauboom in Osternothafen-Swinemünde [Chorzelin-Swinoujście] auf der Insel Wollin
An das frühere deutsche Ostseebad Osternothafen, rechts der Swinemündung, auf der Insel Wollin gelegen, erinnert heute nur noch wenig. Man findet dort weder Wohnhäuser noch Hotels oder Pensionen. Diese Bauten fielen nach dem Krieg der Abrissbirne zum Opfer. Die letzten Bewohner des Ortes wurden Ende der 1960er Jahre wegen der Hafenerweiterung ans Westufer der Swine umgesiedelt. Namensgeber für den Ort war das nahe Hafenbecken gleichen Namens. Das kleine Ostseebad, in dem seinerzeit der Sommerurlaub sehr viel preiswerter war als im mondänen Weltbad Swinemünde, wurde im Jahre 1939 nach Swinemünde eingemeindet.
In der Historie der Stadt Swinemünde nimmt Osternothafen einen besonderen Platz ein. Hier waren im Jahre 1743 die ersten Unterkünfte für die Erbauer und für die Beschützer des Hafens errichtet worden: Eine Baracke für die Zivilisten und eine für die Soldaten, denn den Schweden war der Hafen ein Dorn im Auge. Die 75 Fuß langen und 16 Fuß breiten Unterkünfte waren die ersten Gebäude des Ortes. Im 19. Jahrhundert errichteten die Preußen hier die bedeutendsten Bauwerke Swinemündes: Die mehr als 1000 Meter lange Ostmole, die nach ihrer Fertigstellung wie ein Weltwunder bestaunt wurde und den 68 Meter hohen Leuchtturm, ein Wahrzeichen der Stadt. Neben diesem Primus an der Ostseeküste steht seit mehr als 150 Jahren trutzig die „Ostbatterie“, heute Fort Gerhard, eine der vier Festungen Swinemündes.
Einst Beschützer des Hafens
Auch in neuerer Zeit macht der Ort von sich reden. Im Jahre 2011 begann man hier mit dem Bau eines Flüssiggasterminals dessen Baukosten mit 950 Millionen Euro veranschlagt worden waren. Das Terminal mit seinen drei Speichern ist für die Aufnahme von bis zu 5 Milliarden Kubikmetern Erdgas im Jahr ausgelegt worden.
Für das neue LNG-Terminal wurde nordöstlich der alten Hafeneinfahrt ein neuer, bis 14,5 Metern tiefer, von kilometerlangen Molen eingerahmter Außenhafen gebaut. Dort können Schiffe mit einem Tankvolumen von 216.000 m³ und einer Länge von 315 Metern anlegen. Der erste Flüssiggastanker aus Katar löschte hier im Dezember 2015 seine Ladung. Das Land will damit unabhängiger von russischen Importen werden und setzt auch auf Gas aus Norwegen und den USA.
Nord Stream 1 und Nord Stream 2 verlaufen nicht ohne Grund durch die Ostsee. Ausschlaggebend für die Linienführung der russischen Pipeline von Wyborg zum pommerschen Lubmin war der Wunsch Russlands, sich von Transitländern wie der Ukraine und Polen unabhängig zu machen. Jene Probleme, die es immer wieder mit der alten Pipeline gab, sollten der Vergangenheit angehören.
Geplant: Containerhafen
Das Terminal soll nicht das letzte große Bauvorhaben in Osternothafen sein, es gibt bereits neue weiterreichende Pläne. Im Gespräch ist der Bau eines gigantischen, östlich des Gasterminals angelegten Containerhafens. Mit einer Kapazität von zwei Millionen Standardcontainern im Jahr würde er zu den größten Häfen seiner Art an der Ostsee gehören. Ein Investor für das Projekt konnte augenscheinlich noch nicht gewonnen werden.
Auf deutscher Seite befürchtet man durch den geplanten Hafen eine Belastung der Umwelt und den Kollaps des Straßenverkehrs auf der Insel Usedom. In Schwerin denkt man bereits über die Sperrung der Insel für Schwerlasttransporte nach. Betreffen könnte das vor allem die Bundesstraße 110, die an der deutsch–polnischen Grenze bei Garz beginnt und in Rostock-Süd an der A 19 endet. Schon die für 2023 geplante Öffnung des Swinetunnels, der die Inseln Usedom und Wollin verbindet, wird die seit Jahrzehnten unveränderten Usedomer Straßen überfordern.
Industrie gegen Tourismus
In Swinemünde existiert seit Jahrzehnten ein Konflikt zwischen der Hafenwirtschaft und dem Tourismus. Der polnische Journalist Bartosz Turlejski schreibt, dass in der Stadt die Interessen des Tourismus und der Seewirtschaft manchmal unvereinbar zu sein scheinen. Östlich der Swine, auf der Insel Wollin, entwickeln sich der Hafen und die Industrie sehr dynamisch, während man gleichzeitig am linken Swineufer mit dem breitesten und schönsten Sandstrand auf der Insel Usedom und mondänen Hotels um Gäste buhlt.
Der geplante Containerhafen ist dennoch nicht von vornherein abzulehnen, denn er könnte sowohl der polnischen als auch der deutschen Wirtschaft Impulse geben. Nicht ohne Grund fordern jedoch deutsche Politiker, gemeinsam mit den polnischen Nachbarn die Umweltverträglichkeit des neuen Projekts zu prüfen, ist doch die geschundene Ostsee ein sehr sensibles Binnenmeer.
Und nicht nur die Swinemünder Hoteliers, sondern auch die von Swinemünde aus in Sichtweite liegenden deutschen Kaiserbäder Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin sollten bei dem neuen Projekt ein Mitspracherecht haben.