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Ostpreußischer Brauch: Osterwasserholen
Foto: Archiv PAZOstpreußischer Brauch: Osterwasserholen

Ostern

Vom Schmackostern und Wasserholen

Ostpreußische Bräuche von Gründonnerstag bis Ostermontag – Wie das Fest in der Literatur beschrieben wurde

Bärbel Beutner
06.04.2023

Vielleicht lag es an dem langen ostpreußischen Winter, dass Ostern in Ostpreußen eine besondere Bedeutung hatte. Andererseits werden Frühlingsfeste in allen Kulturen seit Jahrtausenden opulent gefeiert. Man begrüßt das neue Leben, die wiedererwachende Natur. Im Judentum wird das Passah-Fest zum Gedenken an den Auszug aus Ägypten gefeiert. Der Opfertod Christi und vor allem seine Auferstehung fanden am Passah-Fest in Jerusalem statt und machte Ostern zum höchsten christlichen Fest des Jahres.

Viele Bräuche kommen aus heidnischen Kulturen, und in Ostpreußen haben sie sich bis zur Vertreibung erhalten, besonders auf dem Lande. Hedwig von Lölhöffel-Tharau hat die Bräuche gesammelt, und Hanna Wangerin, die langjährige Kulturreferentin der Landsmannschaft Ostpreußen, gab ein Arbeitsheft heraus, aus dem die folgenden Angaben stammen.

Die Karwoche hielt schon manches typische Brauchtum bereit. Das Wort „Karwoche“ soll von dem althochdeutschen Wort „Kara“ für „Trauer“ und „Klage“ kommen, wie es in dem Buch „Feste und Bräuche“ von Sybil Gräfin Schönfeldt, Ravensburg 1987, nachgelesen werden kann.

In Ostpreußen backte man am Gründonnerstag den „Gründonnerstagskringel“, ein Hefekuchen, der das ganze Backblech einnahm. Er symbolisiert die Fessel, mit der Jesus gebunden wurde. Der Kringel wurde mitunter mit Birkengrün geschmückt und dann gemeinsam gegessen. Dabei gab es verschiedene Traditionen. So zogen in Mehlsack alle Anwesenden an dem Kringel, und wer das größte Stück bekam, durfte sich etwas wünschen. Der Wunsch sollte in Erfüllung gehen. Woanders wurde der Kringel sittsam aufgeschnitten, bevor alle „ran durften“.

Die Farbe Grün dominierte am Gründonnerstag in vielen Gegenden, auch bei den Speisen. Man aß Grünkohl und grüne Suppe mit Kräutern und grüne Pfannkuchen. Am Gründonnerstag sollte man in Ostpreußen, wenn draußen alles zu grünen begann, im Garten pflanzen, die Obstbäume beschneiden und säen, das garantierte eine gute Ernte. Dabei geht das Wort „grün“ auf das mittelhochdeutsche „greinen“, das heißt, „weinen“ und „klagen“ zurück. Daraus wurde „Greindonnerstag“ und schließlich „Gründonnerstag“. In Ostpreußen aber hatte sich das Wort „greinen“ erhalten. „Was greinerst nu?“, wurde gefragt, wenn Tränen nicht unbedingt angebracht waren.

Wasser spielte bei allen Bräuchen in Ostpreußen eine wichtige Rolle. In der Ballade „Das Opfer“ von Agnes Miegel bringen die bedrängten Samländer, obwohl sie schon längst Christen sind, dem Meeresgott einen Widder zum Opfer, und sie beten: „Du, aus dessen Samen dies Land und wir alle gekommen“. Aus dem Wasser ist also das Leben entstanden, zum Leben ist es nötig, für die Fruchtbarkeit und die Lebenserhaltung.

Dem Osterwasser wurden nicht nur heilende Kräfte zugeschrieben. Es musste am Ostermorgen bei Sonnenaufgang aus einem fließenden, klaren Wasser geschöpft werden – die Aufgabe der jungen Mädchen. Bei dem Gang zum Wasserschöpfen durften sie nicht sprechen und nicht lachen und sich nicht umschauen, bis sie mit dem vollen Krug wieder nach Hause kamen. Das Osterwasser diente unter anderem der Schönheit, und es konnte sogar geschehen, dass im Fluss oder Bach das Bild des Zukünftigen erschien.

Mädchen und Frauen wurden auch mit Wasser begossen, das diente der Fruchtbarkeit. Es ist ebenfalls ein polnischer Osterbrauch. Im Ermland, in Masuren und in Klein-Litauen verjagte man in der Woche vor Ostern den „Rasemuck“, eine Art Kobold, der auf der Lucht, also auf dem Dachboden der Scheune hauste. Die Mädchen mussten ihn mit der Schürze auffangen und bekamen dabei einen Wasserguss über den Kopf. Hier fand offenbar ein letztes Winteraustreiben statt. Der Rasemuck musste raus, damit der Boden für die neue Ernte frei und „rein“ war.

Eine Art Winteraustreiben gab es auch in Schlesien, aber in christlicher Form als „Judas-Austreiben“. Ein junger Mann in roter Weste wurde in der Karwoche mit viel Lärm aus der Kirche getrieben, ein großer Spaß für die Jugend.

War der Ostersonntag da, spielte natürlich die Eiersuche eine große Rolle. Buntgefärbte Eier gab es in China schon vor 5000 Jahren, ebenso im alten Ägypten. Das Ei ist das wichtigste Fruchtbarkeitssymbol. In Ostpreußen versteckte wie anderenorts der Hase die Ostereier. Es soll den Osterhasen erst seit dem 16. Jahrhundert geben, aber der Hase war in der Antike das Tier der Liebesgöttin Aphrodite, also für die Fruchtbarkeit zuständig. Das hängt wohl mit seiner reichen und raschen Nachkommenschaft zusammen. Im germanischen Bereich soll er Begleiter der Erdgöttin Holda, aber auch der Frühlingsgöttin Ostara sein, von der sich das Wort „Ostern“ ableitet.

Ein typisch ostpreußischer Brauch war das „Schmackostern“. Am Morgen des Ostersonntags, wenn noch alle in den Betten lagen, kamen Kinder mit Ruten aus Weiden oder Birken und schlugen den Schlafenden auf die Beine und Füße. Das sollte die Lebensgeister wecken und Gesundheit bringen. Auch das ist ein altes Fruchtbarkeits- und Reinigungsritual, wie das Wassergießen und Untertauchen. Die Kinder sagten dabei: „Oster, schmackoster, bunt Oster, fief Eier, Stück Speck, vom Koke de Eck, eh'r goh wi nich weg!“

Das muss wohl nicht übersetzt werden. Es handelt sich hier um einen „Heischegang“. Die Kinder wollen etwas „erheischen“, also erbetteln, Eier und Speck und Süßigkeiten, eben eine Ecke vom Kuchen. Natürlich mussten auch in Ostpreußen zu Ostern, Haus und Hof gründlich gereinigt und aufgeräumt werden. Und das Festessen spielte eine große Rolle, wie überall. Die Russen backen die „Kulitschki“, Osterkuchen aus einem üppigen Hefeteig mit in Rum gequollenen Rosinen und dickem Zuckerguss. Eine lange und aufwendige Zubereitung ist dafür nötig. Als festliche Ostertorte könnte es in Ostpreußen die „Louisen-Torte“ gegeben haben, für die Hans-Joachim Engel in seiner bibliophilen Schrift „Reisen & Speisen mit Königin Louise“ das Rezept verrät: „Zutaten: 180 g Butter, 150 g Zucker, 6 El. Sauermilch, 1 Pfd. Mehl, dazu abgeriebene Zitronenschale sowie 1 Päckchen Backpulver. Zur Füllung: Vanillecreme, Schokoladencreme und Himbeerkonfitüre.“ Damit ahnt man schon, dass hier ein Kunstwerk entstehen soll. Das bestätigt die Backanleitung: „Butter schaumig rühren, Zucker, Mehl, Zitronenschale und Backpulver zugeben, alles zusammenarbeiten und daraus vier runde Tortenböden backen. Nach dem Abkühlen den ersten Boden mit Vanillecreme bestreichen, den zweiten Boden darauf legen, mit Himbeerkonfitüre oder Gelee „Rouge“ (ein Dessert aus Sauerkirsch-Saft, Himbeeren, Gelierzucker und Himbeergeist) bestreichen, darauf den vierten Boden geben und mit Vanille- und Schokoladencreme ansehnlich verzieren und mit frischen Himbeeren oder Konfitüre dekorieren.“

Zur Zeit von Königin Luise wurden wohl noch keine Kalorien gezählt. Stattdessen schuf man kunstvolle Torten und genoss. So wünschte man sich „Frohe Ostern!“


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Kommentare

Matthias Twistel am 12.04.23, 11:23 Uhr

Ich kenne von meiner Mutter und meiner Verwandschaft Schmackostern nur so, dass morgens die Bettdecke hochgehoben wurde und die Füße mit Wasser besprenkelt wurden ... ?!?!?

Kersti Wolnow am 06.04.23, 12:07 Uhr

Meine Vorfahren mütterlicherseits kamen aus Ostpreußen, wo Jahrhunderte lang auf ihrem Hof gelebt hatten. Sie wohnten alle nicht weit auseinander und feierten ihre Familienfeste. Nach der Vertreibung (meine Oma ging von selbst, als sie die Ergebnisse der Potsadamer Konferenz hörte, enteignet wurden sie schon von den Russen.
Die Lebensplanung meiner Mutter und Tante war kaputt wie bei so vielen Jugendlichen damals. Ich hörte nie etwas von ihrer Heimat, keine Bräuche, kein Dialekt, man sprach Hochdeutsch, fuhr auch nie mehr dorthin. Mitte der 80er kamen Reportagen im Westfernsehen. Da wir noch kein Video hatten, schrieb ich mit. Nach der Wende geriet alles in Vergessenheit. Selten wurde ein Volk so gründlich von seiner Heimat losgerissen. Agnes Miegel wird von Straßenschildern getilgt. Die Frankfurter Schule hatte das Ziel, unserem Volk die kulturelle Identität zu nehmen. Man ist verblüfft, wie erfolgreich sie damit waren. Ja, und auch die Amerikaner sind weder christlich noch europäisch. Wie bekommen wir alle unsere Identität wieder? Gewiß nicht mit dem geschaffenen Völkerbrei überall.

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