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Astronomie

Von Greifswald in die Sterne gucken

Die Sternwarte Greifswald begeht 100-jähriges Jubiläum – Kleinplaneten tragen pommersche Namen

Erwin Rosenthal
23.07.2024

Greifswald begeht in diesem Jahr den 250. Geburtstag seines großen Sohnes Caspar David Friedrich. Das hindert die Stadt jedoch nicht daran, auch den weniger spektakulären Jubiläen Beachtung zu schenken. So hatte am 12. Juli Magnifizentia Prof. Katharina Riedel zu einer Festveranstaltung in der Aula der Greifswalder Universität eingeladen. Anlass waren das Jubiläum und die feierliche Wiedereröffnung der punktgenau 100 Jahre alten Greifswalder Sternwarte.

Großzügige Unterstützer
Das Herzstück der Sternwarte, das Teleskop, wurde in den vergangenen Jahren aufwendig saniert. Hierzu war es in vier Einzelteile zerlegt und mit einem Kran aus der Sternwartenkuppel gehoben worden. Die drehbare sechs-Meter-Kuppel befindet sich in etwa 35 Metern Höhe auf einer Turmplattform des ehemaligen Physikalischen Instituts. In Bernburg (Sachsen-Anhalt) wurde das Himmelsfernrohr von einem Teleskopspezialisten in seine Einzelteile zerlegt und restauriert. Den sechsstelligen Betrag für die Generalrestaurierung des weltweit einzigen CARL-ZEISS-DOPPELTELESKOPs musste die Universität nicht alleine stemmen. Die Firma Carl Zeiss steuerte eine fünfstellige Summe bei und die 60 Mitglieder des Sternwartenvereins warben durch Spenden einen weiteren, nicht unwesentlichen Betrag ein. Nun ist das Herzstück der Sternwarte „wie neu“ zurück, und auch das ist ein Anlass zum Feiern.

Illustre fachkundige Gäste
Den Festvortrag in der Aula hielt Prof. Dr. Michael Kaschke, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Carl Zeiss AG und Präsident des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft. Weitere Vorträge hielten Dr. Peter Kandl von der Urania-Sternwarte Zürich, die einen Carl-Zeiss-Refraktor von 1907 besitzt, Günther Bendt von der Volkssternwarte Aachen, in der sich das Greifswalder Zeiss-Schwesterteleskop von 1935 befindet, und Prof. Dr. Holger Kersten, der im Jahre 1992 den Verein Greifswalder Sternwarte gegründet hatte. Er lehrt heute an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Plasmaphysik und Plasmatechnologie. Die geladenen Gäste folgten den Ausführungen der Referenten mit großem Interesse.

Bedeutende Forscher in den Reihen
Physik wurde in Greifswald seit 1456 gelehrt. Ihr erstes eigenes, hochmodern ausgestattetes Institut erhielten die Greifswalder Physiker jedoch erst im Jahr 1891. In seinen Räumen forschten unter anderem Gustav Mie, der Nobelpreisträger Johannes Stark und Rudolf Seeliger. Im Stil der norddeutschen Backsteingotik im historischen Campus erbaut, existiert das frühere Physikalische Institut noch heute weitgehend in seinem ursprünglichen Zustand. Es ist allerdings leergezogen, seit dem Jahr 2007 verfügt das Physikalische Institut über einen modernen Neubau im naturwissenschaftlichen Campus am Berthold-Beitz-Platz. Trotz notwendiger Sanierungsarbeiten am alten Institutsgebäude ist die in seinem Turm zu findende Sternwarte weiterhin für die breite Öffentlichkeit zugänglich.

1775 erste Astronomieprofessur
Der Baumeister des alten Physikalischen Instituts hatte erfreuliche Weitsicht bewiesen, als er dem Gebäude jenen Turm aufsetzte, der Jahrzehnte später das Himmelsfernrohr aufnahm.

Astronomische Forschung hatte es in der alten Hansestadt schon sehr viel früher gegeben. Andreas Mayer, heute vor allem als Baumeister des spätbarocken Hauptgebäudes der Greifswalder Universität bekannt, hatte die wissenschaftliche Astronomie an der Universität Greifswald etabliert und die Gründung der ersten Sternwarte in Greifswald initiiert. Für seine Beobachtungen richtete er ein Observatorium in seinem Wohnhaus in der Martin-Luther-Straße und später im Grauen Kloster (heute Pommersches Landesmuseum) ein. 1775 wurde auf sein Betreiben hin die erste Astronomieprofessur in Greifswald an seinen Schüler und späteren Amtsnachfolger Lampert Hinrich Röhl vergeben. Röhl wurde auch erster Direktor der neuen Sternwarte auf dem 13,5 Meter hohen Pulverturm (heute als „Fangenturm“ Domizil des Hafenmeisters am Ryck), der zeitweise auch als Gefängnis diente. Der erstmals 1329 im Stadtbuch erwähnte Turm ist ein Rudiment der mittelalterlichen Befestigungsanlage, die Greifswald einst umschloss.

12. Juli 1924
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts installierte man astronomische Instrumente und Uhren in den oberen Räumlichkeiten des Physikalischen Instituts. Das Vorlesungsverzeichnis enthielt nun auch wieder astronomische Vorlesungen und Übungen. Im Jahre 1923 wurde die aus privaten Mitteln finanzierte Sternwartenkuppel eingebaut. Schließlich konnte am 12. Juli 1924 die neue Sternwarte eröffnet werden. Sie gehörte zum Astronomisch-Mathematischen Institut. Initiiert hatten die Einrichtung der Sternwarte der Institutsdirektor Friedrich Krüger sowie Alfred Klose. Zunächst wurde für die praktischen Beobachtungen ein Refraktor (Linsenteleskop) mit einem Durchmesser von 20 Zentimetern und einer Brennweite von drei Metern angeschafft. Zu dieser Zeit lehrten und forschten in Greifswald unter anderem die Astronomen Alfred Klose, Erich Schönberg und Paul ten Bruggencate.

Im Jahre 1935 wurde ein 40cm-Newton-Reflektor der Firma CARL ZEISS JENA angeschafft, womit das einmalige, noch heute existierende Doppelfernrohr der Greifswalder Sternwarte komplett war. Es hatte einen Durchmesser von 40 Zentimetern und eine Brennweite von 6,4 Metern. Der Spiegel wurde damals nur für fotografische Aufnahmen genutzt, insbesondere bei der Erforschung von Sternen, die ihre Helligkeit verändern.

Pommersche Kleinplaneten
Weltweit bekannt wie ihre Kollegen Friedrich August Johannes Loeffler und Ferdinand Sauerbruch von der medizinischen Fakultät der Königlichen Universität zu Greifswald, konnten die Greifswalder Astronomen nicht werden. Versöhnlich stimmt ein Brief des Astronomen Wilhelm Ebert, in dem er die Philosophische Facultät der Königlichen Universität zu Greifswald darüber informiert, „dass auf meinen Antrag hin der Planet 496 Gryphia genannt worden ist“. Ebert hatte die Bahn dieses Kleinplaneten berechnet.

Neben den Kleinplaneten Greifswald und Gryphia gibt es weitere Himmelskörper mit Bezug zur Region. Es sind dies die Kleinplaneten Friedrich (Casper David Friedrich), Fallada und Rügen.

Bewahrt von Amateurastronomen
Nach 1945 wurde die Sternwarte mit ihrem wertvollen Instrumentarium durch die Arbeit von Amateurastronomen erhalten und gepflegt. Mitarbeiter der damaligen Sektion für Physik regten schließlich an, die Sternwarte wieder öffentlich zugänglich zu machen. Im Jahre 1992 gründete Holger Kersten den Verein „Greifswalder Sternwarte e.V.“, der sich durch den Erhalt der Greifswalder Sternwarte und die Förderung der astronomischen Bildung Verdienste erwarb.

In den vergangenen Jahren war die Ausstattung der Sternwarte immer wieder ergänzt worden. Weitere moderne Teleskope sowie Fernrohre konnten erworben werden. Im Jahre 2019 wurde das bisherige Newton-Spiegelteleskop von 1935 in ein Cassegrain-Spiegelteleskop mit einer Brennweite von 10,3 Metern umgebaut. Genutzt wird es für die Ausbildung von Studenten und die Weiterbildung von Lehrern. Zudem bietet der Sternwartenverein am 1. und 3. Donnerstag eines jeden Monats den Einwohnern und Gästen Greifswalds gegen einen kleinen Obolus öffentliche Führungen mit Himmelsbeobachtungen an, die stets gut besucht werden.

Schweden und Preußen
Die Einwohner Greifswalds sind stolz auf ihre bereits im Jahre 1456 gegründete Universität, die zu den ältesten Hochschulen Mitteleuropas gehört. Sie war bis 1648 die Pommersche Landesuniversität, von 1648 bis 1815, als Greifswald zum Königreich Schweden gehörte, die älteste Universität Schwedens und als „Königliche Universität Greifswald“ die älteste Hochschule Preußens.

Von 1933 bis 1945 und von 1954 bis 2018 trug die Alma Mater den Namen Ernst Moritz Arndt. Heute ist sie namenlos, denn die Kritiker Arndts scheuten sich nicht, an sein Werk die Forderungen der heutigen Political Correctness anzulegen. Flugs machten sie ihn zum Antisemiten und Nationalisten, gar zum Franzosenfeind, kurz zu ihrem politischen Gegner, dessen Namen keine deutsche Hochschule tragen dürfte. Viele Pommern lehnten die Namensänderung ab und waren sehr traurig, als sich die Gegner (die mitnichten Pommern waren) ihres hoch verehrten Landsmanns durchsetzen konnten.

Unerwünschte Namensänderung
In der Tat war Arndt kein nationaler Nihilist. Vaterlandsliebe war für ihn nichts Negatives, sondern eine Herzenssache. Als bedeutender Lyriker der Epoche der Befreiungskriege widmete er sich – ähnlich wie es Caspar David Friedrich mit seinen Mitteln tat – der Mobilisierung der Menschen gegen die Fremdherrschaft Napoleon Bonapartes in Deutschland. Er wollte auf diese Weise das noch unterentwickelte Nationalbewusstsein seiner Landsleute wecken. Besonders erwähnenswert ist auch Arndts Einsatz für die Meinungs- und Pressefreiheit und für die Abschaffung der Leibeigenschaft.

Es bleibt zu hoffen, dass nicht eines Tages moderne Ikonoklasten an Friedrich oder gar an Luther die gleiche Elle wie an Arndt anlegen.


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