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Pommersche Kartoffel-Juwelen aus Streckenthin - heute von Windeby in die Welt
Wer heute vom Eckernförder Windebyer Weg, Ecke Landesstraße links abbiegt, dem fällt vielleicht ein weißes Schild auf: SaKa – Saatzucht von Kameke-Streckenthin. Dahinter verbirgt sich weit mehr: Familien-, Guts- und Landwirtschaftshistorie.
Zwischen den beiden weißen Torhäusern von 1775/76 weitet sich der Blick auf das ebenfalls weiße Herrenhaus, vom Ursprung her aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts. Eine Tierarztpraxis und Wohnungen beherbergt es heute. Im ehemaligen Ochsenstall, inzwischen ein Schmuckstück, wohnt die Familie Niederhausen. Familienoberhaupt Rainer Niederhausen war bis zu seiner Pensionierung Verwalter des Gutes, seine Frau Doris hat an der Chronik der Gemeinde Windeby mitgewirkt. Tochter Anna Claaß zog es mit Mann aus Hamburg wieder in die ländliche Idylle.
So erfährt man von ihnen, dass Windeby bereits 1469 als adlige Besitzung erwähnt wurde. Seitdem gab es verschiedene Besitzerwechsel. Bis 1948 Dobimar von Kameke - samt Familie vertrieben aus dem hinterpommerschen Streckenthin – den Betrieb pachtete, der durch seine harmonische Anordnung von Guthaus und Wirtschaftsgebäuden in einer alten Kulturlandschaft geradezu typisch für Schleswig-Holstein ist. 1951 kamen das nahe gelegene Gut Westerthal und 1955 Gut Büss torf hinzu. 1976 trat sein Sohn Dr. Kartz von Kameke in das Unternehmen ein und kaufte 1987 das Gut Friedensthal. Heute werden hier ca. 1300 ha bewirtschaftet.
Kartoffelanbau im Mittelpunkt
Alles begann, so Doris Niederhausen beim Gutsrundgang, 1905 in Streckenthin, dem Familien-Stammsitz, der darüber hinaus die Rittergüter Thunow und Geritz im Kreis Köslin umfasste, später auch Seeger, Kursewanz und Zerrehne. Ein Besitz von rund 6000 Hektar, davon zwei Drittel landwirtschaftlicher Nutzfläche und der Rest Forst. Landschaftsstruktur und Bodenqualität des eiszeitlichen Baltischen Höhenrückens ähneln den Bedingungen von Windeby: von reinen Sandböden bis zu anlehmigen und lehmigen Sandböden reicht die Skala. Auch klimatisch gibt es kaum Unterschiede. Das alles zusammen genommen bieten diese in einer Seen- und flussreichen Hügellandschaft geprägten Diluvialböden, abgesehen von deren Steinreichtum, ideale natürliche Standortbedingungen für den Roggen- und Kartoffelanbau. Daraus resultierten die Fruchtfolgen: zu 50 Prozent Getreide und je einem Viertel Hack- und Hülsenfrüchte oder Brache. Intensiviert wurde dann schrittweise, wobei der Kartoffelanbau allmählich in den Mittelpunkt rückte.
Treck nach Westen
Mitten im Zweiten Weltkrieg starb Kartz von Kameke, so dass sein jüngster Sohn Dobimar 1942 die Gesamtleitung der pommerschen Saatzuchtwirtschaft übernehmen musste. Wobei er trotz Einschränkungen und Inhaftierung den Betrieb voranbringen konnte. Als das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 scheiterte, hielt man Dobimar monatelang im Gefängnis von Köslin fest. Nachdem er in ein Arbeitslager gesteckt wurde, konnte er daraus entkommen. Für Fluchtvorbereitungen gen Westen blieb angesichts vorrückender sowjetischer Truppen keine Zeit mehr, auch nicht, um persönliche Dinge und Zuchtmaterial zu retten. Mit Pferd und Wagen zog die Familie samt vielen Betriebsangehörigen nach Niedersachsen. Ziel des Trecks war das bereits 1921 erworbene Moorgut Kartzfehn bei Oldenburg.
Historisch handeln
Dieser einschneidende Verlust von Heimat und Betrieb 1945 war das tragischste Ereignis in der mittlerweile 115 Jahre währenden Geschichte des Unternehmens, dessen Hauptsitz seit 1967 das Landgut Grabau bei Bad Oldesloe im holsteinischen Kreis Stormarn ist.
Man blickte stets unbeirrt nach vorn nach dem Motto des preußischen Baumeisters Karl-Friedrich Schinkel: „...historisch handeln ist das, welches das Neue herbeiführt und wodurch die Geschichte fortgesetzt wird!“ Die Streckenthiner hielten zusammen, setzten auf alte Partnerschaften und begannen noch einmal von vorn. Schon 1946 konnte ein 110-Hektar-Pachtbetrieb in Böstlingen bei Fallingbostel übernommen werden, 1948 war es dann Windeby, das sich infolge von Küstennähe durch beste Gesundlage auszeichnete wie schon Streckenthin.
Heute führt Leo von Kameke in der 4. Generation das Unternehmen in die Zukunft, das aus dem mustergültigen Betrieb im fernen Hinterpommern hervorgegangen ist. Damit hat sich der Kreis zwischen der alten und der neuen Heimat fast wieder geschlossen.
Die Worte von Friedrich dem Großen unterstreichen das Unternehmen. Der preußische König, der für die Einfuhr der Kartoffel verantwortlich zeichnet, soll einst gesagt haben: „Der Ackerbau ist die erste der Künste, ohne ihn gäbe es keine Könige, Kaufleute, Dichter und Philosophen; nur das ist wahrer Reichtum, was die Erde hervorbringt“.
• In dem einstigen Familienbesitz der von Kamekes in Streckenthin [Strzekęcino] befindet sich seit 1994 das Hotel Bernsteinpalast
Elsbeth Jöhnk geb. Rausch am 11.08.23, 10:09 Uhr
Stamme selber aus Pommern, aus Groß-Mellen, jetzt Mielno, Kreis Saatzig. Auf einer Reise rund um die Ostsee hatte unsere Gruppe eine Übernachtung in ihrem ehemaligen Gutshaus in Streckenthin. Sehr schön, im Treppenhaus auch Bilder aus der Vergangenheit.
Chris Benthe am 09.11.20, 07:03 Uhr
Schöner Beitrag über urdeutschen Fleiß und Überlebenswillen. Ich bin immer wieder begeistert und erstaunt über solche Geschichten, wie sie die PA ans Tageslicht zaubert. Wunderbar.