19.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Sprachwandel

Von oben durchgepeitscht

Die „Gender-Agenda“ schreitet gebieterisch voran: Linke Ideologen verbiegen das geschriebene und gesprochene Wort. Mit dem organischen Wandel einer Sprache hat das nichts zu tun

Erik Lommatzsch
18.04.2021

Dass sich Sprache im Lauf der Zeit wandelt, ist normal. So ändert sich der Sprachgebrauch im Volk, was dann später behutsam in die Hochsprache aufgenommen werden kann. Nicht normal ist, dass Sprache von oben aktiv gewandelt wird – klaren politischen Interessen folgend, zugunsten eines linken Idealbildes. Genau dies geschieht momentan mit atemberaubender Geschwindigkeit. Gibt es zuweilen doch einen Aufschrei, so werden Initiativen zu „Vorschlägen“ abgeschwächt – um am Ende doch durchgesetzt zu werden, in kleinen, aber wirksamen Schritten. Irgendwann sind die Dinge eben da. Und dann ist es leicht, sie in eine Vorschrift zu überführen.

In der „Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen“ war Anfang April die Überschrift zu lesen: „Uni Kassel: Weil sie nicht gendern – Studierende können schlechtere Noten erhalten“. Die Zeitung, die hier – eigentlich – auf einen Skandal sondergleichen hinweist und im Artikel über den Fall eines Lehramtsstudenten berichtet, der in einer Hausarbeit keine Genderformen verwendete und aus diesem Grund Punktabzug erhielt, unterwirft sich allerdings bereits selbst dem Genderdiktum. Möglicherweise ist das der Redaktion nicht einmal mehr bewusst und ein Beispiel dafür, wie selbstverständlich die Vorgaben inzwischen umgesetzt werden.

Was ist ein toter „Studierender“?

Es heißt nicht Studierende, sondern Studenten, bei Differenzierungsbedarf Studenten und Studentinnen. Die Begriffe sind nicht unbedingt deckungsgleich, ein Studierender muss nicht zwangsläufig den Status eines Studenten haben, ein Student kann an einer Universität eingeschrieben, aber dennoch ein ganztägig Faulenzender sein. Dozenten und Professoren, denen es zumeist nicht am sachlichen Wissen mangelt, winken bei derartigen Fragen allerdings ab, fügen sich und sprechen grundsätzlich nur noch von Studierenden. Auszuhebeln ist diese charakterlich-intellektuelle Minderleistung übrigens mit dem Verweis auf den hoffentlich meist nur hypothetischen, allerdings möglichen Fall des Ablebens des jungen Menschen: Einen toten Studenten gibt es – was in aller Welt ist jedoch bitte ein toter Studierender?

Aber nicht nur bei der Bezeichnung Studierender setzt sich der Gewöhnungstrott durch. Der Genderstern hält immer mehr Einzug. Dass in der Schreibweise Patient*innen die Patienten sprachlich nur mit sehr viel Phantasie, bei Ärzt*innen die Ärzte so ziemlich gar nicht vorhanden sind, stört Genderbefürworter – wie etwa auf der Internet-Seite des Bundesverbandes Psychosozialer Berufe – nicht, oder es fällt ihnen einfach nicht auf. Eine in dieselbe Richtung zielende Variante ist der „Gendergap“, der entsprechende Unterstrich, so etwa: Lehrer_innen. Inzwischen passiert es immer öfter, dass Moderatoren im Radio oder im Fernsehen versuchen, diesen „Gap“ durch eine Art Pause „mitzusprechen“. Dass die Angelegenheit beim Zuhörer eher den Verdacht eines bevorstehenden unappetitlichen Vorgangs beim Moderator (oder eben auch der Moderatorin) hervorruft, wird im Sinne des Genderkampfes in Kauf genommen.

Es ist noch gar nicht so lange her, da waren Stellenanzeigen zwar schon bemüht, vehement auf die Offenheit für beide Geschlechter hinzuweisen, die Ausschreibung galt etwa einem oder einer „Sekretär/in“. Dabei hatte es aber genderperspektivisch dann auch sein Bewenden. Inzwischen sucht man „Mitarbeiter (m/w/d)“, also „männlich, weiblich, divers“. Was es mit Letzterem auf sich hat, vermag niemand so recht zu erklären, die Institutionen oder Firmen, welche die Stellen besetzen, schon gar nicht, aber es hat sich flächendeckend durchgesetzt. Und nahezu alle lassen es über sich ergehen. Lediglich einige Spötter fragen gern, ob die Buchstabenkombination nicht auch für „männlich, weiß, deutsch“ stehen könne.

Die Gegenwehr ist schwach

Gegenüber dem Siegeszug der Genderideologie ist dies aber lediglich eine Art sarkastische Resignation. Ähnlich verhält es sich, wenn die vielfach preisgekrönte Schriftstellerin Monika Maron in dem 2018 erschienen Roman „Munin“ ihre Hauptfigur sagen lässt, dass es sie „schon öfter zur Verdammnis dieser Genderscheiße hingerissen hatte“.

Nun will der Duden das generische Maskulinum, also die geschlechtsneutrale Verwendung von Begriffen – so umfasst etwa die Bezeichnung Mieter selbstverständlich auch Mieterinnen – nicht mehr als solches akzeptieren. Dass man in der Internet-Ausgabe um die 12.000 Begriffe entsprechend ändern will, rief den „Verein Deutsche Sprache“ auf den Plan, der bislang fast 35.000 Unterschriften dagegen sammelte, auch von Prominenten wie dem Ex-Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse, dem Philosophen Peter Sloterdijk oder dem Kabarettisten Dieter Nuhr.

Duden-Chefredakteurin Kathrin Kunkel-Razum sah sich zwar genötigt zu erklären, dass man nun überlege, „ob man das auf unserer Seite klarer darstellen kann“, nach einem wirklichen Zurückweichen klingt das aber nicht. Thomas Paulwitz, der die Zeitung „Deutsche Sprachwelt“ verantwortet, erklärt, „gerade für die Genderpolitik“ lasse sich „eine klare Kette politischer Entscheidungen nachweisen: von den Vereinten Nationen über die Europäische Union und die Regierungen in Bund und Ländern bis hin zu den Stadtverwaltungen, die ihren Mitarbeitern Schreibweisen verordnen“. Er weist auch darauf hin, dass die damalige Bundesjustizministerin Katarina Barley bereits vor drei Jahren gefordert hatte, den Genderstern in den Duden aufzunehmen.

Die Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch verlangt die geschlechtergerechte Umformulierung des Grundgesetzes, Mitarbeiter eines Ingolstädter Autoherstellers sind neuerdings „Audianer_innen“. Folgt man einer australischen Universität, so sollen verschiedene Begriffe ersetzt werden, statt „Muttermilch“ sei von „Menschenmilch“ oder „Elternmilch“ zu sprechen.

Der erzwungene Sprachwandel greift auch auf andere Felder über. Naheliegendes Beispiel ist das Wort Demokratie, in Deutschland inzwischen verkommen zu einem Begriff für das, was regierungsseitig genehm ist. Der Titel des aktuellen Buches des Direktors des „Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache“, Henning Lobin, lautet: „Sprachkampf. Wie die Neue Rechte die deutsche Sprache instrumentalisiert“. Dort wird denjenigen, die an der Bewahrung der Sprache interessiert sind, offiziell und von einer steuerfinanzierten Institution ihr Platz zugewiesen. Letztlich verkehrt der Autor den wahren Sachverhalt dreist ins Gegenteil.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


powered by webEdition CMS