12.12.2024

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Ostpreußisches Landesmuseum

Von Weihnachten bis Heilige Drei Könige

Kabinettausstellung der OL widmet sich dem Brauchtum in Ostpreußen – Einen Schwerpunkt bilden die zwölf Raunächte

Jörn Barfod
05.01.2024

Das Ostpreußische Landesmuseum (OL) zeigt noch bis zum 24. Februar eine Ausstellung zu einem volkskundlichen Thema: „,Stinthengste, Krähenbeißer, Lange Wurst und Co.' Ostpreußische Bräuche im Wandel“. Seit etwa einem Jahr ist am Museum Hannah Janowitz für die ethnologische (volkskundliche) Sammlung tätig. Sie hat diese Ausstellung konzipiert und organisiert.

Bräuche sind ein wichtiger Bestandteil der Kulturgeschichte, sie gehörten und gehören zum Leben eines jeden Mitglieds einer Gesellschaft. Sie betreffen jeden einzelnen und verbinden durch die Formen der Feier, die viele zusammenführt. Durch besondere Formen sind Bräuche auch charakteristisch für die jeweilige Region, in der sie ausgeübt werden oder wurden. Ostpreußen war reich an diesen Kulturformen. Die Ausstellung präsentiert eine Auswahl von ostpreußischen Bräuchen und geht auch der Frage nach, was nach Flucht und Vertreibung aus ihnen wurde.

Bräuche im Jahreslauf sind auch in Ostpreußen einerseits mit der Kultur des Christentums und dem kirchlichen Kalender verbunden, andererseits mit der Arbeit, meist aus der Landwirtschaft. Weihnachten gehört für viele zu den emotional am stärksten bewegenden Festen. Weihnachtsbäume gab es in Ostpreußen seit dem 19. Jahrhundert. Besonderheiten aber, die kaum noch erinnert werden, hebt die Ausstellung hervor: die Adventsmütterchen in Elbing zum Beispiel. In weiße Laken gehüllt und mit großen Strohhüten sammelten Frauen in den Straßen Elbings in der Vorweihnachtszeit Geld für Bedürftige und Kranke. Dieser Brauch reichte bis ins Spätmittelalter zurück.

Zwölf Raunächte
Eine spezielle Form eines weihnachtszeitlichen „Bäumchens“ war das sogenannte Wintarjeensboomke (Winterbäumchen), ein pyramidenförmiges Gesteck aus vier Äpfeln mit kleinen Tannenzweigen und vier Kerzen versehen. Erinnert wird auch an besondere Speisen für die Weihnachtstage. Zu ostpreußischen Weihnachtsbräuchen gehörte ein Umzug mit dem Brummtopf von Haus zu Haus, oft von größeren Kindern in Verkleidung veranstaltet. Verbunden damit war eine Bitte um Gaben, es handelte sich, wie das volkskundliche Fachwort lautet, um einen „Heischebrauch“.

Besonders vielfältig war das Brauchtum an Silvester/Neujahr und der Zeit darum herum, den zwölf Raunächten (25. Dezember bis 6. Januar). Am bekanntesten wurde der Schimmelreiterzug, eine Gruppe mit besonders phantasievollen Kostümen als Schimmel (mit Reiter), Bär mit Bärenführer, Storch, Soldat, Schornsteinfeger, Bettelweib et cetera. Sie führten sich oft wild auf, Ziel war stets das Einsammeln von Gaben.

Diese Bräuche fanden im ländlichen Raum statt, im ländlich geprägten Ostpreußen der bestimmende Bereich für typische Bräuche. Die Ausstellung erinnert aber auch an einen städtischen Neujahrsbrauch. Den Hintergrund bildete das Deuten der Zukunft im neuen Jahr, was allgemein sehr beliebt war zu diesem Anlass. Beim „Glücksgreifen“, wie es um 1900 in ostpreußischen Städten geübt wurde, hatte man kleine gebackene Symbolfiguren unter umgedrehten Tellern auf dem Tisch verteilt. Jede Person deckte für sich einen Teller auf, und es wurde dann aus der Gestalt der Figur etwas vorhergesagt. Es ging um Fragen von Besitz, Geld, Heirat, gelegentlich auch negative Ereignisse wie Unglücke und so weiter. Diese Funktion findet sich heute etwa noch in der Sitte des silvesterlichen Bleigießens.

Fastnacht und Ostern
Fastnacht wurde auch in Ostpreußen gefeiert, mit Umzügen, Kostümierungen und teilweise speziellen Tanzreigen, bei denen ein Bügel eine Rolle spielte.

Für Ostern werden in der Ausstellung mehrere Bräuche behandelt, erwähnt sei hier das Osterwasserholen in der Frühe des Ostermorgens, vor Sonnenaufgang von jungen Frauen schweigend zu tun. Sollte doch eine reden oder lachen, war die geheimnisvolle Kraft des geholten Wassers verloren.

Es wundert nicht, dass im Agrarland Ostpreußen die Erntebräuche eine große Rolle spielten. Diese Feiern, die besonders auf größeren Betrieben und den Gütern sehr gepflegt wurden, hatten stets die Begegnung der Arbeiter mit der gutsherrlichen Familie zum Inhalt. Feieranlässe waren dabei sowohl der Beginn der Erntearbeiten wie auch ihr Abschluss, bei dem die gebundene Erntekrone, in Ostpreußen teilweise Plon genannt, im Mittelpunkt stand.

Taufe und Patengeschenk
Neben den Bräuchen im Jahreslauf stehen die Bräuche im menschlichen Lebenslauf, verbunden mit den kirchlichen Feiern. Bei Taufen wurden viele Gepflogenheiten beachtet, die man bis heute kennt. Weiße Taufkleider, die Unschuld des Täuflings symbolisierend, waren verbreitet. Weißes Leinen und Spitzen machten im 19. Jahrhundert die Pracht aus.

Ein besonderes Kapitel waren die Patengeschenke, oft nützliche Gegenständen, gern aus Silber gemacht, Becher, Bestecke, früher auch Münzen oder Medaillen aus Edelmetall. Früher gab es eine größere Anzahl von Paten und Patinnen. Der Sinn bei dieser Sitte war auch, solche, womöglich höherstehende und vermögende Personen an die Familie zu binden und dem Kind für spätere Zeit Hilfsquellen zu erschließen.

Dass Patengeschenke als etwas Besonderes angesehen wurden, belegt der Umstand, dass oft Patenbecher, Bestecke und Ähnliches 1945 mit ins Fluchtgepäck kamen. Auch daran erinnert die Ausstellung mit gezeigten Gegenständen.

Verlobung und Hochzeit
Nicht weniger wichtig waren Verlobung und Hochzeit. Die Ausstellung behandelt sie in zwei eigenen Kapiteln. Bei Hochzeiten wurden einst wohl die größten Feierlichkeiten ausgerichtet, die auch mehrere Tage dauern konnten. Bevor im Laufe des 19. Jahrhunderts die Einladung mit gedruckten Karten üblich wurde, gab es den sogenannten Hochzeitsbitter, einen Mann, vielfach zu Pferd, in festlicher Kleidung mit Schleifen versehen und einem geschmückten Stab, der die Einladungen persönlich in der Gegend überbrachte.

Heutzutage weniger bekannt dürfte auch der Brauch sein, dass Braut und Bräutigam versuchen, sich nach der Trauung gegenseitig auf die Füße zu treten. Motiv war der Glaube, dass die Person, der es zuerst gelang, das Sagen in der Ehe haben würde.

Gegenständliche Besonderheiten
Die Ausstellung erweitert die Art der dargestellten Bräuche durch regionale gegenständliche Besonderheiten. So ist der Stinthengst eine Erscheinung, die aus der Sage stammt: Der König der Fische hatte sich in einem Netz verfangen und versprach den Fischern, dass er sie reich belohnen werde, ließen sie ihn am Leben. Die Fischer taten dies, aber sie setzten ihn gefangen. Er bescherte ihnen dann reiche Fänge. Diese Sage bestand in Nikolaiken [Mikołajki], Kreis Sensburg [Mrągowo]. Deshalb befestigte man dort später einen großen hölzernen Fisch bei einer Brücke. In der Ausstellung wird ein solcher hölzerner Fisch gezeigt. Er kommt aus der Patenstadt der Kreisgemeinschaft Sensburg, Remscheid.

Krajebieter und Landsmannschaft
Rituale und Sagen sind Quellen für Bräuche. Eine weitere führt die Ausstellung mit der Präsentation der „Krajebieter“ (Krähenbeißer) an. Auf der Kurischen Nehrung bestand eine Fangsitte, die zunächst ungewöhnlich aussieht. Die arme Nehrungsbevölkerung musste sich für die fischfanglose Winterzeit Nahrungsvorrat anlegen. Ein Bereich davon war der Fang der Krähen, die im Herbst zur Vogelzugzeit zu Abertausenden auf der Nehrung rasteten. Angelockt durch Lockvögel oder Köder fing man die Vögel durch Netze. Der Fänger tötete sie durch einen Biss in die Schädeldecke. Daher die Bezeichnung Krähenbeißer. Für die Nehrungstouristen wurde dies zu einer etwas absonderlichen Sensation, durch Fotos und Berichte verbreitet. Die eingemachten Vögel fanden später auch ihren Weg in Delikatessgeschäfte in Königsberg und Berlin, als „Nehrungstauben“.

Schließlich vergisst die Ausstellung auch nicht die bereits schon 75 Jahre lange Tätigkeit der Landsmannschaft Ostpreußen (LO), der Kreisgemeinschaften und weiterer Vereine, die sich neben den Aufgaben der Interessenvertretung unter anderem auch sehr der Pflege der Kultur annehmen. Dies war zur Identitätsfindung und Selbstvergewisserung der Flüchtlinge und Vertriebenen ein unabdingbarer Beitrag. Feste, Veranstaltungen und Seminare fanden und finden statt, dazu erschien eine große Zahl von Veröffentlichungen mit historischen Schilderungen und praktischen Anleitungen.

Natürlich kann in einer Ausstellung nur ein Bruchteil der vielfältigen Bräuche, Legenden und Darstellungen aus Ostpreußens reichen Kulturtraditionen gezeigt werden. Es ist hier gelungen, eine kluge Auswahl zu treffen und sie anschaulich zu präsentieren. Ein Besuch lohnt sehr, auch wegen der relativen Seltenheit dieser Thematik in der hiesigen Ausstellungslandschaft.

Nähere Informationen zur Kabinettausstellung „,Stinthengste, Krähenbeißer, Lange Wurst und Co.' Ostpreußische Bräuche im Wandel bietet das Ostpreußische Landesmuseum, Heiligengeiststraße 38, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 75995-0, Fax (04131) 75995-11, E-Mail: info@ol-lg.de


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