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Jede dritte Familie vernachlässigt Bücher – für Kleine ein großer Nachteil
Am 15. November findet wieder der „Bundesweite Vorlesetag“ statt. Dieser Aktionstag macht auf die wichtige Bedeutung des Vorlesens für Kinder aufmerksam. Dass es hierbei Nachholbedarf gibt, zeigt dabei auch der jüngste „Vorlesemonitor“, dessen Ergebnisse in der vergangenen Woche veröffentlicht wurden.
Dabei handelt es sich um eine jährliche Studie zum Vorleseverhalten in Familien mit Kindern bis zu einem Alter von acht Jahren. Die Studie wurde von der Wochenzeitung „Die Zeit“, der Stiftung Lesen und der Deutsche Bahn Stiftung durchgeführt und zeigt im Vergleich zu 2023 immerhin eine leichte Verbesserung der Vorlesesituation.
Vorleseimpulse fehlen
Für die Studie wurden in diesem Jahr 815 Eltern mit Kindern in der betreffenden Alterskategorie zu ihrem Vorleseverhalten befragt. Obwohl sich die Zahlen auf das Vor-Corona-Niveau erholt habe, bestehe Grund zur Sorge, heißt es in der Studie: „Vor allem bei den ganz kleinen Kindern, die noch nicht in die Kita gehen, und bei den älteren Kindern, die gerade mit dem Lesenlernen beginnen, fehlt es an Vorleseimpulsen in der Familie. Diese Phasen sind jedoch wichtig, um Grundlagen zu schaffen und die Lesemotivation im Grundschulalter zu erhalten und zu fördern.“
Hörbücher sind kein Ersatz
Lesenlernen sei komplex und könne schnell frustrieren. In jeder dritten Familie werde aber nicht oder nur selten vorgelesen. „Wir als Gesellschaft brauchen ein allgemeines Verständnis darüber, wie wichtig das Vorlesen für die Entwicklung ist. Hier geht es nicht nur um tolle Geschichten und verbindende Momente, sondern um Zukunftschancen für alle Kinder. Es darf nicht sein, dass der Bildungserwerb abhängig davon ist, ob die eigenen Eltern unterstützen können. Freiwillig Engagierte können hier einspringen und mit ihrem Einsatz einen echten Unterschied machen“, sagte Jörg F. Maas, Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen.
Während der Corona-Pandemie wurde weniger vorgelesen, da Eltern mit älteren Kindern tagsüber bereits viel Zeit mit Büchern und Aufgaben verbrachten. Hörbücher seien übrigens kein vollständiger Ersatz für das gemeinsame Vorlesen, da sie das interaktive und gemeinschaftliche Erlebnis nicht bieten können.
Neben Befragungsergebnissen zum konkreten Vorleseverhalten von Eltern liefert der Vorlesemonitor viele weitere Einblicke in deren Sichtweisen und zeigt Gründe auf, warum Eltern nicht vorlesen. Diese beziehen sich häufig auf die Kinder selbst. Neben Stress und fehlender Zeit im Alltag gaben die Erziehungsberechtigten an, ihre Kinder wollten nicht vorgelesen bekommen, seien zu unruhig oder beschäftigten sich lieber mit anderen Dingen. Dabei habe das Vorlesen nicht nur einen positiven Effekt für die Bindung zwischen Eltern und Kindern, es trainiere auch entscheidende Fähigkeiten für die Zukunft. „Kinder, die frühzeitig positive Vorleseerfahrungen machen, tun sich beim eigenen Leseerwerb und ganz grundsätzlich in allen Schulfächern leichter. Und wir wissen, dass diese Erfahrungen auch an die nächste Generation weitergegeben werden. Wer als Kind selbst vorgelesen bekommen hat, liest deutlich öfter selbst vor“, erklärt Sandra Kreft, Mitglied der Geschäftsleitung der Zeit- Verlagsgruppe. Die Stiftung Lesen empfiehlt daher, das Vorlesen nicht nur mit Kinderbüchern zu verbinden, sondern auch Möglichkeiten zu nutzen, die Smartphones und Tablets dafür bieten.
Apps zum Vorlesen
Gedruckte Bücher und digitale Medien dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, betont Simone Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen. Die Nutzung moderner Medien sei dabei von Hörbüchern ausdrücklich zu unterscheiden. Vor allem Eltern mit formal niedriger Bildung lesen weniger vor als der Durchschnitt aller Eltern. Bei mehr als einem Drittel (34 Prozent) sei das seltener als einmal pro Woche. Das zeige sich sowohl bei Familien mit als auch Familien ohne Migrationshintergrund. 43 Prozent der Eltern haben bereits Apps für Kinder genutzt – davon 26 Prozent zum Vorlesen. Eltern, denen früher selbst vorgelesen wurde, lesen ihren eigenen Kindern häufiger vor. Und dies unabhängig vom Bildungshintergrund: 74 Prozent davon lesen mindestens mehrmals pro Woche.
Einen interessanten Aspekt liefert die Studie zum Abschluss. Teilweise sei in Familien mittlerweile eine Hemmschwelle zum Vorlesen vorhanden. „Statt zu denken, sie müssten einen perfekten Rahmen für das Vorlesen schaffen, sollten Eltern sich einfach trauen und loslegen. Vorleserituale müssen keinen Anforderungen entsprechen, sondern sollen einfach nur Spaß machen und zu den eigenen Familienvorstellungen passen“, raten die Autoren der Studie.
Auffallend ist aber, dass genaue Erkenntnisse, wie sich die Migration auf das Vorleseverhalten auswirkt, fehlen.