27.04.2024

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Wahrer eines deutschen Pantheons auf beiden Seiten

In Schreiberhau schreiben Deutsche und Polen gemeinsam Geschichte

Chris W. Wagner
10.11.2023

Mit wetterfester Arbeitskleidung gerüstet waren Nachkommen schlesischer Vertriebener unterwegs, um deutsche Friedhöfe im Riesengebirge in Ordnung zu bringen. Die acht meist jungen Männer von der Landsmannschaft Schlesien in Sachsen hatten sich, wie in den letzten vier Jahren auch, vor Allerheiligen mit polnischen Partnern aus Niederschreiberhau [Szklarska Poręba Dolna] zusammengetan.

Das dortige städtische Zentrum für Kultur und Touristik hatte die Bewohner auf Plakaten zum Mitmachen aufgerufen, und Bürgermeister Mirosław Graf erschien zur Begrüßung. Er packte einige Stunden sogar selbst mit an. Er zeigte sich erfreut, dass außer ihm und den acht Deutschen etwa 20 Schreiberhauer teilnahmen. Es sei zudem der erste Einsatz gewesen, bei dem die deutliche Mehrheit der freiwilligen Helfer auch tatsächlich aus Schreiberhau kam. Dies zeuge von wachsender Akzeptanz solcher Aktionen und insbesondere von einem Interesse an der Wiederherstellung des evangelischen Friedhofs unter der polnischen Bevölkerung, so Organisator Robert Wollny. Er freute sich besonders über die Teilnahme einer polnischen Urlauberfamilie mit ihren beiden Kindern.

Das Werkzeug stellte auch dieses Jahr wieder das Grünflächenamt der Stadt. „Im letzten Jahr wurde bereits begonnen, die größeren Grabanlagen und Grüfte freizulegen und von Schutt zu befreien. Das fand in diesem Jahr seine Fortsetzung“, so Friedemann Scholz, Chef der Schlesier im Freistaat.

Teilnehmer zwischen vier und 85 Jahre alt
Der jüngste Teilnehmer war vier, der älteste 85 Jahre alt. „Neben der Arbeit zum Freilegen der großen Grabanlagen sollten auch verwitterte Schriften lesbar gemacht werden. Dazu wurden zwei Methoden angewandt, die die deutschen Gäste so noch nicht kannten“, sagt Scholz. Im ersten Fall habe man die Inschriften mit farbiger Kreide übermalt und die losen Teilchen weggeblasen. „Eine weitere Möglichkeit ist die Nutzung von Rasierschaum aus der Spraydose. Auch dieser wird auf dem Stein verteilt und bleibt in der tieferen Inschrift als weißliche Farbe länger sichtbar“, so der Vorsitzende des Landesverbandes. Beide Methoden gaben unleserliche Geheimnisse der Grabsteine preis, und sie würden weder Stein noch die Umgebung schädigen, so die Aktiven. Das ist für die Dokumentation sinnvoll, schränkt aber einen langfristigen Nutzen ein.

Und weil beim diesjährigen Einsatz einige verwahrloste Grabsteine entdeckt wurden, sind auch diese dokumentiert und in die bestehende Kartei eingefügt worden. Scholz hat die Kartei der Zeitung „Schlesische Bergwacht“ zur Verfügung gestellt. Durch eine Veröffentlichung könne man noch Zeitzeugen, Angehörige und Nachkommen ausfindig machen und so weitere Interessenten für derartige Rettungsaktionen finden, hofft er.

Nach getaner Arbeit wurde am Lagerfeuer bei Grillwürsten, Bier und „Streefla Sträselkucha“ vom schlesischen Hübner-Bäcker aus Horka in der Niederschlesischen Oberlausitz in der Bundesrepublik, ein Resümee gezogen. „Das gemütliche Beisammensein endete mit Einsetzen des Regens. Der Berggeist Rübezahl hatte ausreichend Zeit zum Arbeiten, Essen und für Gespräche gelassen“, berichtet Scholz. 2024 wollen sie wiederkommen, das sei bereits mit den Schreiberhauer Beamten ausgemacht worden. Voraussetzung sei die Wiederwahl von Mirosław Graf im kommenden Frühjahr zum Bürgermeister. Er sei ein Garant für die jährliche Fortsetzung der Arbeitseinsätze auf dem Friedhof in Niederschreiberhau, so Initiator Wollny.

Fortsetzung im kommenden Jahr
Der Niederschreiberhauer Friedhof wurde einst als Pantheon des Riesengebirges bezeichnet. Dort fanden bedeutende Vertreter der Schreiberhauer Künstlerkolonie ihre letzte Ruhestätte – so beispielsweise der Dramatiker und Schriftsteller Carl Hauptmann (1858–1921), der Schriftsteller Wilhelm Bölsche (1861–1939), der Maler, Grafiker, Medailleur und Schriftsteller Hans Fechner (1860–1931) oder der Schriftsteller Hermann Stehr (1864–1940). Seit Mai dieses Jahres informiert eine zweisprachige Tafel zur Geschichte dieser Nekropole. Auch diese Initiative wurde von der Landsmannschaft Schlesien, Landesverband Sachsen/Schlesische Lausitz, wie der Vereinsregistereintrag vollständig und in Würdigung des schlesischen Landesteils richtig heißt, ins Leben gerufen


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