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Grenzpendler

Warschau zwingt zur Wahl

Verschärfte Einreiseregelungen: In Deutschland arbeitende Polen stehen vor schwerer Entscheidung

Norman Hanert

03.04.2020

Nachdem Polens Regierung durch die überraschende Wiedereinführung von Kontrollen an Oder und Neiße ein tagelanges Chaos auf deutschen Autobahnen ausgelöst hatte, folgte Ende März die nächste Maßnahme mit schwerwiegenden Folgen.

Um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, verschärfte Warschau die Einreiseregeln und stellte damit die vielen Polen, die als Berufspendler im Ausland ihr Brot verdienen, vor eine schwierige Wahl. Relativ kurzfristig forderte Innenminister Michał Kaminski am 25. März polnische Pendler auf, innerhalb von zwei Tagen ihre berufliche Situation zu regeln. Für Polen, die nach dem 27. März aus anderen Ländern zurückkehren, bedeutet diese Regelung, dass sie zunächst 14 Tage unter Quarantäne verbringen müssen.

Warschaus Aussetzung der Schengenregelung für Arbeitnehmer bedeutet nicht nur für die Pendler einen harten Einschnitt. Nach Angaben von Wirtschaftsverbänden pendeln allein in die Region Berlin-Brandenburg rund 17 000 Polen regelmäßig zur Arbeit. Die Menschen, die meist aus der Neumark anreisen, arbeiten als Ärzte und Krankenschwestern, in der Altenpflege, als Reinigungskräfte, Kraftfahrer oder Handwerker. Auch in der märkischen Landwirtschaft sind polnische Erntehelfer seit vielen Jahren kaum wegzudenken. Bleiben die Pendler nun aus, dann hat dies insbesondere für den Ostteil des Bundeslandes Brandenburg weitreichende Folgen.

17 000 kommen regelmäßig

Carsten Christ, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostbrandenburg, warnte nach Bekanntwerden der polnischen Einreiseregelung, der Mangel an Arbeitskräften „macht es noch schwieriger, die Wirtschaft in der Grenzregion am Laufen zu halten“. Besonders gravierende Folgen drohen in der medizinischen Versorgung: In einigen märkischen Krankenhäusern liegt der Anteil polnischer Berufspendler unter den Ärzten bei fast der Hälfte.

Allein im Asklepios Klinikum in Schwedt arbeiten 55 polnische Ärzte und Krankenschwestern. Nachdem die Regierung in Warschau ihre Quarantäneregelung angekündigt hatte, loten die betroffenen Krankenhäuser nun verschiedene Lösungswege aus: Einige Kliniken bieten den pendelnden Ärzten beispielsweise an, sie in Hotels unterzubringen. Nachdem sie zwei Wochen am Stück arbeiten, sollen die Ärzte dann zwei Wochen frei erhalten, in denen sie dann wieder in ihre Heimatorte reisen können.

Alarmiert von der jüngsten Entwicklung sind auch Agrarbetriebe in Brandenburg und in ganz Deutschland. Aus Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus oder aus Sorge vor Quarantäneregelungen in ihren Heimatländern haben viele osteuropäische Erntehelfer bereits in der zweiten Märzhälfte ihre Saisonarbeit auf deutschen Feldern für dieses Jahr abgesagt. Am 25. März hat das Bundesinnenministerium Saisonarbeitern aus Nicht-Schengen-Staaten, wie etwa Rumänien und Bulgarien, obendrein die Einreise nach Deutschland untersagt.

Üblicherweise kommen jedes Jahr bis zu 300 000 Erntehelfer, zumeist Polen und Rumänen, nach Deutschland. Brandenburgs Finanz- und Europaministerin Katrin Lange (SPD) hat zusammen mit Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) inzwischen eine Regelung angekündigt, wonach polnische Berufspendler in Brandenburg eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 65 Euro pro Tag erhalten sollen. Dazu will das Land für jedes Familienmitglied des Beschäftigten, das sich im Land Brandenburg aufhält, noch täglich zusätzlich 20 Euro zahlen.

Posse um junge Mediziner

Der Freistaat Sachsen hat eine ähnliche Regelung für Pendler auch aus Tschechien auf den Weg gebracht. Bislang noch keine Lösung ist beim Problem der deutschen Medizinstudenten erreicht, die an polnischen Universitäten studiert haben (PAZ 8/2020). Während im ganzen Land extreme Anstrengungen laufen, das deutsche Gesundheitssystem auf die weitere Ausbreitung der Corona-Epidemie vorzubereiten, warten fertig ausgebildete Mediziner seit Monaten auf ihre Approbation.

Aktuell sind allein in Berlin mehrere Dutzend Mediziner, die an polnischen Universitäten studiert haben, arbeitslos. Nach einer Änderung der polnischen Zulassungsordnung erhalten sie von den zuständigen deutschen Landesbehörden keine Approbation.
In diesem Jahr werden wahrscheinlich weitere 350 Deutsche ihre ärztliche Ausbildung an der Pommerschen Medizinischen Universität in Stettin, in Posen oder in Breslau beenden. Während die Landesregierungen in Berlin und Brandenburg noch immer nach einer Lösung suchen und auf die Hilfe von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hoffen, ist Mecklenburg-Vorpommern bereits weiter: Das Land erteilt den betroffenen Medizinern zwar keine Approbation – per Ministererlass erhalten die jungen Deutschen aber immerhin erst einmal eine einjährige Arbeitserlaubnis.


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