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Warum die Steuerlast die Mittelschicht am härtesten trifft

Während Durchschnittsverdiener ausweglos unter den Forderungen des Fiskus ächzen, eröffnen sich für Spitzenverdiener verschiedenste Möglichkeiten, ihre Überweisungen an den Staat zu verringern

Wolfgang Kaufmann
06.09.2024

Steuern müssen Menschen bereits seit 5000 Jahren entrichten, um staatliche Ausgaben zu finanzieren. Damit verlieren sie einen erheblichen Teil ihrer Einkünfte. Wer heute in Deutschland das statistische Durchschnittsjahreseinkommen von knapp 52.000 Euro brutto für Vollzeitarbeit bezieht, zahlt in 45 Jahren 522.000 Euro Lohnsteuer, denn die jährliche Steuerbelastung liegt hier im Falle der Steuerklassen Eins und Vier bei rund 11.600 Euro beziehungsweise 22,3 Prozent. Dagegen beträgt der Spitzensteuersatz inklusive Reichensteuer und Solidaritätszuschlag derzeit knapp 47,5 Prozent, womit ein Einkommensmilliardär theoretisch etwa 475 Millionen Euro pro Jahr an den Fiskus abzuführen hätte.

Die Praxis sieht allerdings anders aus, wie der Berliner Verein zur Förderung der Steuergerechtigkeit am Beispiel der deutschen Milliardenerbin Susanne Klatten errechnet hat. Deren Einkommen allein aus den Gewinnanteilen des Autoherstellers BMW betrug 2022 um die 4,88 Milliarden Euro. Davon zahlte Klatten aber keine 2,32 Milliarden Steuern, sondern lediglich 1,04 Milliarden. Das entsprach einem Steuersatz von 21,3 Prozent, lag also unter dem eines Durchschnittsverdieners.

1996 hatten die Zahlen noch ganz anders ausgesehen. Da brachten die BMW-Anteile Klatten 199 Millionen D-Mark ein, von denen sie 121,4 Millionen Steuern zahlte, was auf eine Steuerlast von 61 Prozent hinauslief. Seit 1996 haben sich die Bedingungen für deutsche Superreiche aber durch die Aussetzung der Vermögensteuer (1997), Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer (1998), Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer (stufenweise von 2001 bis 2005), zweifache Senkung der Körperschaftsteuer (2001 und 2009) sowie Einführung des Halb- beziehungsweise Teileinkünfteverfahrens (2002 und 2009) drastisch verbessert.

Ein „Family Office“ hilft enorm
In anderen westlichen Ländern verläuft die Besteuerung sehr hoher Einkünfte noch zurückhaltender. Laut dem Global Tax Evasion Report 2024 zahlen Milliardäre in Ländern wie den USA und Frankreich vielfach nur zwischen zwei und acht Prozent Einkommensteuer. Dass die Vermögenden mittlerweile so extrem billig davonkommen, resultiert nicht bloß aus Steuererleichterungen vonseiten des Staates, an dessen Regierungsparteien sie mit schöner Regelmäßigkeit spenden. Vielmehr stehen den Superreichen im Gegensatz zu den Normalbürgern und -verdienern auch allerlei andere Instrumente zur Verfügung, um ihre Steuerbelastung auf legalem Wege zu reduzieren. Davon sollen hier einige vorgestellt werden, die in Deutschland momentan besonders beliebt sind. So kann sich jeder arm rechnen, der Unternehmensanteile in Höhe von mehr als 26 Millionen Euro übertragen bekommt oder erbt.

Das erfolgt im Zuge einer Verschonungsbedarfsprüfung, denn Steuern sind in einem solchen Fall nur fällig, wenn der Begünstigte genügend Privatvermögen besitzt, um diese zu bezahlen. Die Minimierung des Privatvermögens ist dabei recht einfach: Es reicht aus, zu einem bestimmten Stichtag nicht viel auf der hohen Kante zu haben – beispielsweise, weil das gesamte Geld gerade als Betriebsvermögen in einer Firma steckt. 2023 verzichtete der deutsche Fiskus deswegen auf mehr als zwei Milliarden Euro.

Eine weitere Möglichkeit, Steuern zu mindern, besteht in der Gründung einer persönlichen Vermögensverwaltung, genannt Family Office. Besonders effektiv ist dies, wenn dieses „Büro“ auch über eine Vollbanklizenz verfügt, was beispielsweise für die Firma Anthos gilt, die sich um das Vermögen der deutsch-niederländischen Familie Brenninkmeijer kümmert, der das Bekleidungsunternehmen C&A gehört. Ein solches Family Office, dessen Unterhalt allerdings mehrere Millionen Euro pro Jahr erfordert, besitzt unzählige Möglichkeiten, Gelder hin und her zu bewegen und so maximale Steuerspareffekte zu erzielen.

Desgleichen bietet es sich an, ein zusätzliches Unternehmen zu gründen, das dann quasi als Sparschwein fungiert. Alles, was dazu führen könnte, dass Kapitalertragssteuern in Höhe von 25 Prozent fällig werden, geht an die neue Firma, womit auf deren Gewinne lediglich effektive Steuern in Höhe von rund 1,5 Prozent anfallen, sofern die übertragenen Aktien und Ähnliches in deren Betriebsvermögen verbleiben. Darüber hinaus kann man sich auch gleich noch zum Geschäftsführer der Sparschwein-GmbH ernennen und ein steuerbegünstigtes Gehalt genehmigen. Ein weiterer beliebter Trick zur Verschleierung von Vermögenszuwächsen besteht darin, teure Kunstwerke zu kaufen und diese in einem Zollfreilager verwahren zu lassen, während ihr Wert steigt und steigt. Allein im Zollfreilager von Genf werden solche Luxusgüter im Wert von 100 Milliarden Euro vermutet, von denen kein Finanzamt der Welt etwas weiß.

Die Sache mit den Stiftungen
Günstig wirkt sich außerdem der Erwerb möglichst vieler Immobilien aus. Häuser, Wohnungen und Gewerbeobjekte gewinnen von kurzen Korrekturen abgesehen ebenfalls kontinuierlich an Wert, und wenn der Besitzer diese dann nach einer Frist von mehr als zehn Jahren veräußert, fallen im Gegensatz zu Aktien keine Steuern auf die Wertsteigerung an. Empfehlenswert ist auch die Gründung einer vermögensverwaltenden Immobilienfirma, denn solche Unternehmen bleiben in Deutschland von der Zahlung der Gewerbesteuer verschont, solange sie keine Nebenumsätze erzielen, die aus etwas anderem als Vermietung und Verpachtung resultieren. Dadurch halbiert sich die Steuerbelastung im Vergleich zu herkömmlichen Unternehmen.

Und dann wären da noch die Steuersparmöglichkeiten, bei denen das Ausland ins Spiel kommt. Familienstiftungen sind grundsätzlich ein gutes Steuersparmodell, weil das Anhäufen von Vermögen hier steuerfrei erfolgen kann. Allerdings verlangt der Fiskus im Abstand von 30 Jahren eine Erbersatzsteuer – so berechnet, als wäre das Stiftungsvermögen auf zwei Nachkommen des Stifters übergegangen. Sitzt die Stiftung aber in einem Staat wie Liechtenstein, greift wegen der dortigen Gesetzeslage diese Regelung nicht. Zudem lassen sich Steuern natürlich auch durch eine Verlagerung des eigenen Wohnsitzes in Steueroasen sparen. Einige davon liegen sogar in der Europäischen Union. So beispielsweise in Luxemburg.


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