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Afghanistan

Warum es die Taliban so leicht hatten

Fehlende Kampfmoral und Korruption – Die Kampfstärke der Armee bestand nur auf dem Papier

Wolfgang Kaufmann
30.08.2021

Die zwanzig Jahre währende Präsenz der USA in Afghanistan verschlang 2,261 Billionen US-Dollar. Davon flossen über 90 Milliarden in den Aufbau der Afghanischen Nationalarmee (ANA) beziehungsweise der Afghanischen Nationalpolizei (ANP), die gemeinsam die Afghan National Defence and Security Forces (ANDSF) bildeten. Und auch der Bundeswehreinsatz am Hindukusch, welcher nicht zuletzt der Ausbildung und Unterstützung der bewaffneten Kräfte der Islamischen Republik Afghanistan diente, hat zwölf Milliarden Euro gekostet. Dabei wurde all dieses Geld ganz offensichtlich aus dem Fenster geworfen, wie das aktuelle Komplettversagen der ANDSF angesichts der Offensive der Taliban zeigt.

Viele Landeskenner warnten vor genau so einem Fiasko, denn die Schwächen der afghanischen Streitkräfte – ganz gleich, mit welchem NATO-Mitglied die einzelnen Verbände kooperierten – traten schon des Längeren offen zutage. Das können auch die Afghanistan-Veteranen von Bundeswehr und Bundespolizei bestätigen, deren frühere Verbündete sich nun oftmals in heilloser Flucht in die Nachbarländer Usbekistan und Tadschikistan abgesetzt haben, obwohl sie deutlich bessere Waffen als die Taliban-Rebellen besitzen.

Bessere Waffen als die der Rebellen

Aber mit Kampfstärke auf dem Papier ist es eben nicht getan. So verfügte die ANA zwar über Luftstreitkräfte, die den Taliban erheblich zusetzen konnten, jedoch oblag die Wartung der Flugzeuge und Hubschrauber privaten US-Vertragsfirmen. Und die hatten ihre Tätigkeit im Juli eingestellt, womit Luftangriffe zunehmend unmöglich wurden. Das schwächte die Moral der afghanischen Regierungssoldaten genauso stark wie der Abzug der NATO-Truppen. Doch das waren nicht die einzigen Gründe für den mangelnden Kampfgeist seitens der ANDSF.

Viele Einheiten erhielten keinen ausreichenden Nachschub mehr, weil die Taliban die strategisch bedeutsame Ring Road zwischen den Provinzhauptstädten unter ihre Kontrolle brachten. Dadurch fehlte es den Regierungstruppen an Treibstoff, Munition, Wasser und Verpflegung sowie auch einfachsten Ausrüstungsgegenständen wie Schuhen. Hinzu kam der Ärger über fehlende Soldzahlungen sowie ausbleibende Invaliden- und Hinterbliebenen-Renten – angesichts von 66.000 getöteten und mehreren hunderttausend verwundeten ANDSF-Angehörigen durchaus ein gewichtiger Faktor.

Gleichfalls litt die Moral unter der grassierenden Korruption: Wenn Soldaten sehen, wie ihre Vorgesetzten sich bereichern, indem sie Kriegsgerät an den Feind verschachern, dann ist die Truppe faktisch am Ende. Dabei herrschen solche Zustände schon seit mindestens zehn Jahren, weshalb es massenhaft Desertionen gab. Nach Schätzung von Analysten der US-Militärakademie West Point verloren die ANDSF Jahr für Jahr 25 Prozent ihres Personals durch Fahnenflucht. Deshalb lag die Stärke der ANA im August 2021 wohl auch nicht wie behauptet bei 185.000 Mann, sondern lediglich bei 96.000. Der „Rest“ waren „Geistersoldaten“, welche nicht existierten und deren Sold in den Taschen der Kommandeure verschwand.

Unterschlagung und Fahnenflucht

Aber selbst wenn es gelang, neue Rekruten zu finden, konnten diese kaum adäquat ausgebildet werden. Die NATO-Partner setzten vorrangig auf die Nutzung moderner Militärtechnik seitens der ANA, während sich unter den afghanischen Soldaten zunehmend mehr Analphabeten befanden. Darüber hinaus fehlt es in dem Land am Hindukusch oft an den banalsten Voraussetzungen für den Einsatz zeitgemäßer militärischer Mittel wie einer funktionierenden Stromversorgung.

Dahingegen verfügen die Taliban über die passende Ausrüstung für den Guerilla-Krieg, welche zumeist aus Pakistan, Russland, dem Iran und einigen arabischen Staaten stammt. Dazu kommt eine sehr starke innere Geschlossenheit aufgrund des Selbstverständnisses, als Gruppe von „Gotteskriegern“ zu agieren. Im Gegensatz dazu herrscht in den ANDSF vielfach innere Zwietracht, denn zwischen den in den Streitkräften versammelten Paschtunen, Hazara, Tadschiken und Usbeken gibt es massive Reibereien. Beispielsweise befolgen paschtunische Soldaten kaum Befehle von Kommandeuren vom Volke der Hazara und umgekehrt.

Letztlich sind die ANDSF, welche angesichts der Taliban-Offensive so flächendeckend versagten, ein Spiegelbild des Landes, das sie verteidigen sollten, aber nicht wollten oder konnten. So ineffizient, ethnisch zerstritten und korrupt, wie sich der afghanische Staat in den letzten beiden Jahrzehnten präsentierte, kamen auch dessen Streitkräfte daher, als die Taliban nach dem Rückzug der westlichen Interventionstruppen wieder nach der Macht im Lande griffen.


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Kommentare

Siegfried Hermann am 30.08.21, 07:58 Uhr

Moin!

Die PAZ zählt hier die wichtigsten Komponenten des Zusammenbruchs auf! Das findet man sonst nur sehr vereinzelt im Netz unter "Ver-schwörungstheorie" und hat an sich mit "Eroberern", Kolonialismus nur am Rande zutun.
Kurz:
Diese Leute ticken ganz anders und nicht richtig. Kültürelle Negativ-Vielfalt eben. Deshalb gehören die auch, ohne wenn und aber in deren kulturellen Siedlungsgebieten und nicht nach Europa, weil es dauernd nur richtig Streß gibt. (Verweise: Helmut Schmidt).
Damit ist alles gesagt.

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