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Ölkrise

Warum Hamsterkäufe vernünftig waren

Der Mangel an Pflanzen-, insbesondere Sonnenblumenöl ist real. Und die Politiker in Berlin wie Brüssel verschlimmern die Lage noch

Norman Hanert
03.05.2022

Während das politische Berlin noch darüber streitet, ob und wie schnell Deutschland ohne Erdöl aus Sibirien auskommen kann, ist eine andere Ölkrise bereits in den Regalen der Lebensmittelhändler angekommen. Pflanzenöle sind vielerorts in Deutschland zur Mangelware geworden.

Bereits während der Corona-Pandemie hatten unterbrochene Lieferketten und die verstärkte Nachfrage nach Biodieselkraftstoffen den Preis für Pflanzenöl auf dem Weltmarkt steigen lassen. Inzwischen sehen sich viele Einzelhändler sogar gezwungen, die Abgabe von Sonnenblumen- oder Rapsöl zu rationieren.

Letzte Bestände verarbeitet

Laut Maik Heunsch, dem Sprecher des Verbandes der ölsaatenverarbeitenden Industrie, haben bislang vor allem Käufer die Nachfrage und damit auch den Preis in die Höhe getrieben, die viel mehr Öl kaufen, als sie eigentlich brauchen. Tatsächlich registrierte das Statistische Bundesamt einen sprunghaft gestiegenen Absatz. So lag nach Angaben der Statistiker der Absatz von Speiseöl im Einzelhandel in der Woche vom 7. bis 13. März mehr als doppelt so hoch wie ein halbes Jahr zuvor, im September 2021.

Den hamsternden Verbrauchern muss man zugestehen, dass sie mit ihrer skeptischen Einschätzung der künftigen Versorgungslage vermutlich richtig liegen. Nach Angaben von Heunsch werden in den Ölmühlen derzeit die letzten Bestände verarbeitet. „Und es kommt nichts nach“, so Heunsch.

Indonesien macht dicht

Auf dem Weltmarkt sind die Ukraine und Russland die größten Exporteure von Sonnenblumen- und Rapsöl. Vor allem die Regionen um das Schwarze Meer stehen insgesamt für etwa drei Viertel aller Sonnenblumenölexporte auf dem Weltmarkt. Durch Kampfhandlungen, blockierte Häfen und horrende Versicherungsprämien für Schiffstransporte im Schwarzen Meer ist derzeit der Handel allerdings massiv eingebrochen. Die russische Regierung hat zudem auch noch einen bis Ende August geltenden Exportstopp für Rapssamen und Sonnenblumenkerne verhängt. Den Export von Sonnenblumenöl will Russland zudem auf „freundliche Staaten“ beschränken. Obendrein hat inzwischen auch noch Indonesien, der größte Produzent von Palmöl, ein zeitweiliges Ausfuhrverbot angekündigt.

Die Entwicklung auf dem Weltmarkt hat drastische Auswirkungen auf Deutschland, das stark auf Importe angewiesen ist. Bei Sonnenblumenöl führt Deutschland 94 Prozent seines Bedarfs ein. Etwas besser sieht die Bilanz bei Rapsöl aus, das mit einem Marktanteil von 40 Prozent das beliebteste Pflanzenöl der Deutschen ist. Von den gut neun Millionen Tonnen Rapssaat, die Deutschlands Ölmüller im Jahr verarbeiten, stammten 2020 immerhin 3,5 Millionen Tonnen aus einheimischem Anbau.

Ausgleich kaum zu schaffen

Agrarexperten bezweifeln, dass Deutschlands Landwirtschaft die Produktion bei Sonnenblumenkernen so stark steigern kann, dass Importausfälle in nennenswertem Umfang kompensiert werden können. In ganz Deutschland liegt die Anbaufläche für Sonnenblumen bei nur etwa 28.000 Hektar.

Fast die Hälfte davon entfällt auf Brandenburg. Vor allem im Osten und Süden der Mark sind die Bedingungen zum Anbau günstig. Sonnenblumen mögen Böden, die sich leicht erwärmen. Zudem kommen die Pflanzen in ihrer Reifephase ab August auch gut mit Trockenheit zurecht.

EU-Kommission will mehr Brache

Henrik Wendorff, Präsident des Brandenburger Landesbauernverbandes, dämpfte allerdings inzwischen Hoffnungen, dass hierzulande der Anbau von Sonnenblumen massiv ausgeweitet werden könne. Für Saat und Ernte sei Spezialtechnik erforderlich, zudem bräuchten die Landwirte qualitativ hochwertiges Saatgut. Dieses sei jedoch nach Angaben von Brandenburgs Landesbauernpräsident derzeit nicht am Markt zu bekommen. „Der Samen ist im Moment sprichwörtlicher Goldstaub“, so Wendorff. Für eine Ausweitung der Produktion fehlt es nicht nur in Brandenburg, sondern in ganz Deutschland obendrein auch noch an Ackerflächen.

Jahr für Jahr schrumpft die für die Landwirtschaft nutzbare Fläche durch Bebauung, immer stärker aber auch durch die Nutzung von Agrarflächen für Windkraftanlagen und Photovoltaik-Farmen. Zudem wird ein erheblicher Anteil der Ackerflächen in Deutschland mittlerweile gar nicht mehr für die Nahrungsproduktion genutzt, sondern zum Anbau von Energiepflanzen zur Erzeugung von Biogas oder als Bio-Beimischung für Kraftstoffe. Bereits im Jahr 2018 wurden auf über 2,4 Millionen der insgesamt gut zwölf Millionen Hektar Ackerfläche Energiepflanzen wie etwa Mais angebaut.

Angesichts der Lage auf dem globalen Agrarmarkt scheinen ebenso die Flächenstilllegungspläne der EU völlig von der Realität abgekoppelt. Der „Reformplan“ der EU-Kommission sieht vor, dass Landwirte in ganz Europa ab Herbst 2022 auf mindestens vier Prozent der Ackerfläche nichts mehr anbauen und die Flächen „der Selbstbegrünung“ überlassen.


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