Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Die wechselvollen Stationen eines Dampfschiffs – Von Stettin über Bremen und London nach Italien
Die Bremer Geschäftsstelle der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen ist nur sporadisch besetzt. Besucher, die unser einladendes Schild an der Hauswand sehen, stehen leider oft vor verschlossener Tür. Am 23. Januar war es anders. Ich hatte dort den Versand unseres Mitglieder-Rundschreibens zu bearbeiten und noch einiges anderes zu tun. Dann klingelte es an der Tür. Davor stand ein Herr, der seinen Namen nicht nennen wollte und mir stattdessen sagte, er habe geklingelt, weil ihm aufgefallen sei, dass ein Karton vor der Tür stehe. Dieser solle dort besser nicht länger stehen, den möge ich doch bitte hereinnehmen. Auf dem Karton war „Landsmannschaft Ost- und Westpreußen“ vermerkt.
Offenbar hatte der Spender unser Namensschild an der Hauswand gesehen. Ich vermutete als Inhalt viele Bücher, entsprechend schwer war der Karton. Der Herr wollte seinen Namen immer noch nicht nennen, ich verabschiedete ihn und schleppte den Karton in unsere Geschäftsstelle. Er war fest verschnürt. Nach dem Öffnen kamen aber keine Bücher, sondern kam eine 35 Zentimeter hohe Schiffsglocke mit der Aufschrift „Stettin 1923“ zum Vorschein. Welche Überraschung! Sofort wird man neugierig auf die Geschichte der Glocke und ihres Schiffes.
Unerwartete Überraschung
Das Dampfschiff „Stettin“ wurde 1923 bis 1924 auf der Oderwerke AG-Werft als Frachter für die Stettiner Dampfer Compagnie AG gebaut. Das Fahrtgebiet der Reederei erstreckte sich vorwiegend auf Linien zwischen den Ostseehäfen Königsberg, Lübeck, Stettin, Danzig, Reval, St. Petersburg sowie Stockholm und dem Kanalhafen London. Unregelmäßige Fahrten verliefen zwischen den Häfen der Ostsee, der Nordsee und dem Mittelmeer. Es wurde ausschließlich Frachtschifffahrt betrieben. Die Betriebsführung lag jedoch bei der „Deutschen Levante-Linie“.
Das Schiff hatte 2646 Bruttoregistertonnen, eine Länge von 100 Metern mit einem Tiefgang von 5,66 Metern, angetrieben von einer Dreifach-Dampfkraft-Maschine. Der Registrierungs- und Heimathafen war Stettin. Den Namen ihres Heimathafens behielt sie bis 1930. Dann wurde das Schiff an den Norddeutschen Lloyd verkauft und in „Akka“ umbenannt. Damit haben wir herausgefunden, seit wann Glocke und Schiff getrennt sind. Denn bei einer Namensumbenennung wird die alte Glocke entfernt, so ist es in der Seefahrt üblich. Ihr Registrier- und Heimathafen war seitdem Bremen. Betreiber blieb bis 1940 die „Deutsche Levante Linie AG“. 1940 von der Kriegsmarine beschlagnahmt und als Versorgungsschiff eingesetzt, wurde sie am 29. November 1942 durch eine Mine im Varangerfjord in Norwegen beschädigt, später repariert und wieder in Dienst gestellt und 1945 als Kriegsbeute nach England überführt.
Es erfolgte erneut ein Namenswechsel, fortan wurde sie „Empire Calder“ genannt und bis 1947 unter die Leitung von Whimster & Co. Ltd. gestellt, Heimathafen London. Kurze drei Jahre, von 1947 bis 1950, wurde sie an die Near East Shipping Co. Ltd., London, verkauft und in „Israel Gotesman“ umbenannt. Betreiber war Whimster & Co. Ltd., Heimathafen blieb London.
1950 erfolgte die Rückkehr nach Deutschland. Karl Gross, Bremen, war der neue Besitzer, das Schiff erhielt den Namen „Erich“, Heimathafen war erneut Bremen. Doch dabei blieb es nicht. 1960 erfolgte der nun letzte Verkauf an Palomba amp; Salvatori, Italien, und die Umbenennung in „Pantera“. Hier war die Reise der guten alten „Stettin“ nach 46 Jahren zu Ende, sie wurde im Oktober 1970 in Triest in Italien verschrottet. Das war auch der Tatsache geschuldet, dass die Technik unrentabel geworden war.
Was blieb, ist Schiffsglocke. War es der freundliche anonyme Herr, der auf den Karton aufmerksam machte, der die Glocke bis dahin bewahrt hat und sie nun der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen übergab? Auf jeden Fall soll das Relikt aus längst vergangener Zeit einen würdigen Platz finden. Das „Haus Stettin“ in Lübeck, mit Museum und Archiv der Stettiner und einer kleinen Schifffahrtsabteilung hat schon großes Interesse an dem besonderen Exponat angemeldet.